Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Justiz in Afghanistan: Taliban verordnen noch mehr Scharia
> Auf Anordnung des Talibanchefs gelten drakonische Scharia-Strafen jetzt
> in Afghanistan landesweit. Wie im Iran gibt es für „Rebellion“ die
> Todesstrafe.
Bild: Menschen auf der Straße in der afghanischen Hauptstadt Kabul
Berlin taz | Der Talibanführer Hebatullah Achundsada hat angeordnet, in
Afghanistan ab jetzt die im islamischen Scharia-Recht enthaltenen Hudud-
und Kisas-Körperstrafen anzuwenden. Sie umfassen Amputationen bei
Diebstahl, Steinigungen oder Prügelstrafen bei Ehebruch, vorehelichem
Geschlechtsverkehr und wenn Verliebte gegen den Willen der Eltern
durchbrennen, sowie Hinrichtung bei Mord. Auf Wunsch kann die Familie des
Opfers die Hinrichtung selbst vornehmen, aber auch Täter begnadigen.
Neu ist jetzt, dass solche Strafen auch bei „Rebellion“ verhängt werden
können. Ähnlich wie im benachbarten Iran droht damit Afghan:innen, die sich
an zivilem Protest oder bewaffnetem Widerstand beteiligen, nun auch die
Todesstrafe.
[1][Die Taliban halten zur Zeit mindestens sechs Frauenrechtlerinnen fest.]
In sozialen Medien ist von weit mehr „Verschwundenen“ die Rede, darunter
Angehörige der früheren Streitkräfte, denen teilweise Zugehörigkeit zu
bewaffneten Oppositionsgruppen vorgeworfen wird.
Bisher hielt sich die Talibanführung mit solchen Strafen zurück, offenbar
um nach ihrer weltweit beispiellosen Ausgrenzung von Mädchen und Frauen
nicht noch mehr Kritik auf sich zu ziehen.
Zuletzt gerieten sie aber unter Druck der in Afghanistan politisch
eigentlich unbedeutenden Terrormiliz Islamischer Staat, dass sie sich
„unislamisch“ verhielten, so lange sie auf diese Scharia-Strafen
verzichten.
## Scharia-Anweisung gilt als „verpflichtend“
Der Vizesprecher des höchsten Gerichts im Talibanemirat namens Enajatullah,
der nur einen Namen hat, teilte am Montag mit, Hebatullah habe bei einem
Treffen mit Richtern angewiesen, diese Strafen verpflichtend anzuwenden,
wenn nach der Untersuchung eines Falles „alle Voraussetzungen dafür
vorliegen“.
Laut Jusef Ahmadi, Sprecher von Talibanministerpräsident Mullah Muhammad
Hassan, werde dies im ganzen Land umgesetzt.
Sajjed Akbar Agha, ein Ex-Talibanführer, der an Entführungen von
Uno-Personal beteiligt war, sich dann aber der alten Regierung anschloss,
begnadigt wurde und sich seither Politikexperte nennt, erklärte: „Werden
nicht alle Aspekte umgesetzt, kann man das System nicht islamisch nennen.
Es ist gut, dass jetzt alle Aspekte umgesetzt werden.“
## Mutmaßlicher Suizid, um Steinigung zu entgehen
Zumindest in der westlichen Provinz Ghor preschten örtliche Talibanbehörden
schon vor. Im Oktober verurteilten sie im Distrikt Dolina die 24-jährige
Salima zum Tod durch Steinigung, nachdem sie mit ihrem Liebhaber geflohen
war und beide geheiratet hatten. Der Mann Sradschuddin wurde erschossen,
als die Taliban die beiden aufspürten. Auch von ihm wurde nur der Vorname
bekannt.
Die Frau wurde kurz vor der geplanten Vollstreckung im Haus ihres Bruders
erhängt aufgefunden, nachdem sie dort unter Arrest gestanden hatte,
angeblich wegen Mangels an Arrestzellen im Gouverneursbüro, berichtete die
afghanische Frauen-Nachrichtenwebseite [2][Ruchschana].
Während ihres ersten Regimes (1996–2001) hatten sich die Taliban
international noch stärker isoliert, nachdem aus dem Land geschmuggeltes
Filmmaterial die öffentliche Erschießung einer Frau im Nationalstadion von
Kabul gezeigt hatte. Sie wurde beschuldigt, ihren Mann ermordet zu haben.
Die Umstände blieben aber unklar. In Afghanistan gab und gibt es ein hohes
Niveau an häuslicher Gewalt.
## London: Britisches Militär tötete 64 Kinder in Afghanistan
In der Vorwoche war bekannt geworden, dass die britische Armee bei
Operationen in Afghanistan zwischen 2006 und 2014 mindestens 64 Kinder
getötet und dafür deren Familien kompensiert hat. Das sind viermal mehr als
bisher bekannt. Die Zahlen hatte die Hilfsorganisation Action on Armed
Violence auf der Basis des Informationsfreiheitsgesetzes erklagt.
Die Organisation glaubt, die Zahl liege noch höher, denn unter den Toten,
für die es Kompensation gab, seien auch „Söhne und Töchter“ gewesen, für
die dem Verteidigungsministerium keine Altersangaben vorlagen. 881
afghanische Familien hatten auf Entschädigung geklagt. Nur ein Viertel
davon wurde beschieden.
16 Nov 2022
## LINKS
[1] /Frauenrechte-in-Afghanistan/!5889375
[2] https://rukhshana.com/en/ghor-woman-found-dead-day-before-stoning-order
## AUTOREN
Thomas Ruttig
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
Taliban
Scharia
Gewalt gegen Frauen
„Islamischer Staat“ (IS)
Schwerpunkt Iran
Großbritannien
Schwerpunkt Afghanistan
Islamismus
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Afghanistankrieg
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
Schwerpunkt Afghanistan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hinrichtung in Afghanistan: Blutjustiz im Stadion
Zum sechsten Mal lassen die Taliban eine öffentliche Hinrichtung zu. Die
islamistischen Machthaber Afghanistans wollen eine Dokumentation
verhindern.
Islamismus und Demokratie: Kritik ist notwendig
Islamisten zielen auf die Verlierer der Gesellschaft. Gegen eine kritik-
und lernfähige Demokratie haben sie keine Chance.
Afghanistan unter den Taliban: Umerziehung per Religion
Das Arbeitsverbot für Frauen in Hilfsorganisationen ist nicht nur eine
Machtdemonstration. Die Taliban nehmen damit auch viele Hungertote in Kauf.
Hochschulverbot für afghanische Frauen: Afghaninnen droht doppeltes Unrecht
Der Westen muss auf das Bildungsverbot, das die Taliban gegen die Frauen
verhängten, reagieren. Doch Sanktionen würden vor allem die Frauen treffen.
Univerbot für afghanische Frauen: Gefährliches Halbwissen
Die Taliban in Afghanistan verwehren Frauen jetzt auch die Hochschulbildung
– und setzen die Kontakte zur internationalen Gemeinschaft aufs Spiel.
Frauenrechte in Afghanistan: Taliban verbieten Frauen Uni-Besuch
In Afghanistan sind Frauen künftig von Hochschulen ausgeschlossen.
UN-Generalsekretär António Guterres verurteilt das Verbot.
Afghanistan verschärft Scharia: Wer frei von Schuld ist …
Es ist erschreckend zu sehen, mit welcher Brutalität die Machthaber in
Afghanistan ihr Volk unterdrücken. Doch auch der Westen hat keine weiße
Weste.
Afghan*innen in Drittstaaten: Enttäuschung Aufnahmeprogramm
Das Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen schließt in
Nachbarländer geflohene Journalist*innen aus. Das kritisiert Reporter
ohne Grenzen.
Untersuchungsausschuss zu Afghanistan: „Wir dachten, uns würde geholfen“
Im Untersuchungsausschuss zu Afghanistan im Bundestag sagt eine ehemalige
Ortskraft aus. Es ist der verzweifelte Bericht in einer ausweglosen Lage.
Schulverbote für Mädchen in Afghanistan: Weiterlernen streng verboten
Mädchen in Afghanistan dürfen keine weiterführenden Schulen mehr besuchen.
Die 16-jährige Marwa Hamidi nimmt illegalen Onlineunterricht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.