# taz.de -- Islamfeindlicher Drohbrief: Post vom NSU 2.0 | |
> Die Ditib-Moschee in Göttingen hat einen Brief mit Hakenkreuz und NSU | |
> 2.0-Bezug bekommen. Solidarität mit den Betroffenen entwickelt sich | |
> zögerlich. | |
Bild: Die Dirib-Moschee in Göttingen | |
Göttingen taz | „Macht nur weiter so und wir kommen wieder dann wird | |
Schlimmeres passieren. Dumm Dümmer ISLAM“. So steht es in gedruckten | |
Buchstaben [1][auf einem Brief], der am Dienstag vergangener Woche bei der | |
muslimischen Göttinger Ditib-Gemeinde einging. Die Gemeinde betreibt in der | |
Weststadt eine repräsentative Moschee. | |
Auf das Briefpapier ist ein Hakenkreuz gezeichnet. Der Verfasser nimmt | |
zugleich [2][Bezug auf den „NSU 2.0“], ein kopiertes Foto zeigt den | |
Attentäter von Hanau mit durchgestrichenem Gesicht sowie eine unbekannte | |
Frau. Auf der Rückseite des Schreibens ist handschriftlich die | |
E-Mail-Adresse [email protected] vermerkt – „Combat 18“ ist eine | |
[3][verbotene, militante Neonazi-Organisation], der Zahlencode 18 steht | |
dabei für AH, also Adolf Hitler. | |
Der Brief ist nicht die erste Drohung gegen die Göttinger Gemeinde. Zuletzt | |
hatten im September Unbekannte mehrere Hakenkreuze auf den Zaun vor der | |
Moschee geschmiert. Die Gemeinde werde langsam unruhig, sagt Vorstand Ali | |
Serkan Sahbaz. Man rufe die Mitglieder auf, besonnen zu bleiben: „Wir | |
müssen achtsam sein, aber nicht in Angst leben.“ Die Verantwortlichen der | |
Moschee würden alle notwendigen Schritte einleiten, um die Sicherheit der | |
Moschee und der Besucher zu gewährleisten. | |
Unmittelbar nach Eingang des Briefes habe die Gemeinde die Polizei | |
informiert, die Beamten haben inzwischen Ermittlungen aufgenommen. Das | |
Freitagsgebet in der Moschee wurde von Polizeikräften beobachtet, nach | |
Angaben der Gemeinde blieben viele Mitglieder aus Angst oder Verunsicherung | |
dem Gebet jedoch fern. | |
## Zögerliche Solidarität | |
Die Stadtpolitik und andere Stellen reagierten erst spät auf die Drohungen. | |
Als Erster bekundete der Grünen-Landtagsabgeordnete Michael Lühmann am | |
Freitag bei einem Besuch der Moschee seine Unterstützung der betroffenen | |
Gemeinde. „Es war mir wichtig, hier meine Solidarität zu zeigen“, sagte | |
Lühmann im Anschluss. „Es darf keinen Raum geben für Bedrohung und | |
Einschüchterung aus dem faschistischen und rechtsextremen Milieu. Bei | |
diesem, wie auch bei allen anderen Angriffen von rechts gelte es, „sich | |
unmissverständlich an die Seite der Betroffenen zu stellen und auch | |
Öffentlichkeit herzustellen.“ Lühmann ist seit 2010 wissenschaftlicher | |
Mitarbeiter am [4][Göttinger Institut für Demokratieforschung], in der | |
neuen Grünen-Fraktion im Landtag ist er Sprecher für Innenpolitik und | |
Antifaschismus. | |
Am Wochenende – und nachdem das Göttinger Tageblatt eine [5][„Reaktion der | |
Göttinger Zivilgesellschaft“ angemahnt hatt]e – meldete sich dann | |
Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) zu Wort. „Wer Einzelne von uns | |
bedroht, bedroht uns alle“, erklärte sie. „Wir halten in Göttingen | |
zusammen“. Sie verurteile „diese Hetze aufs Schärfste und stehe an der | |
Seite der Ditib“. | |
Göttingen sei eine offene und tolerante Stadt, in der alle | |
Glaubensrichtungen, die die demokratischen Grundwerte der Bundesrepublik | |
anerkennen, ihren Platz hätten, betonte Broistedt: „Auch der Islam.“ | |
Zugleich unterstrich die Oberbürgermeisterin, dass gerade die Mitglieder | |
der Göttinger Ditib-Gemeinde sich sehr für Integration und ein friedliches | |
Miteinander engagierten. „Sie wirken im Dialog der Religionen mit, öffnen | |
ihr Haus am Tag der offenen Moschee oder für Corona-Impfaktionen für das | |
ganze Quartier und laden andere Religionen zum Fastenbrechen ein.“ | |
## Interreligiöse Aktivitäten | |
Ditib beteiligt sich in der Universitätsstadt unter anderem am „Runden | |
Tisch der Religionen Abrahams“. Dort treffen sich seit mehr als 20 Jahren | |
regelmäßig Vertreter von christlichen, jüdischen und muslimischen Gemeinden | |
in Göttingen zu Gesprächen und zur Planung gemeinsamer Aktionen. 2002 | |
veröffentlichte der „Runde Tisch“ einen Appell gegen den drohenden | |
Irak-Krieg. 2004 holte er ein schwer herzkrankes vierjähriges Kind aus | |
Bethlehem nach Göttingen, wo es in der Universitätsklinik erfolgreich | |
operiert wurde und anschließend geheilt nach Palästina zurückkehren konnte. | |
2018 gab es im Städtischen Museum ein gemeinsames Fest unter dem Motto „Bei | |
Abraham zu Gast“. | |
Am Sonntag äußerten sich auch die vier Stellvertreter:innen | |
Broistedts in einer gemeinsamen Erklärung „beschämt“ über die Angriffe a… | |
die Ditib-Gemeinde. „Wir wehren uns dagegen, dass Menschen in der Ausübung | |
ihrer Religion angegriffen werden“, hieß es. Und weiter: „Kein Platz für | |
Nazis und Rechtsextreme in Göttingen! Wer bedroht wird, erhält | |
Unterstützung!“ Für die Sitzung des Stadtrates an diesem Freitag kündigten | |
die Fraktionen eine gemeinsame Resolution an, in der die Taten verurteilt | |
und Respekt und Toleranz angemahnt würden. „Der Stadtrat muss sich | |
eindeutig gegen die Angriffe auf die Ditib-Gemeinde wenden“, verlangt etwa | |
der SPD-Stadtverband. | |
Unklar ist, inwieweit die zunächst zögerliche Solidarität mit der | |
Ditib-Gemeinde auf Verfehlungen von deren [6][früheren Vorstand Mustafa | |
Keskin] zurückzuführen ist. Der war im Februar dieses Jahres wegen | |
Volksverhetzung und der Billigung von Straftaten zu einer Bewährungs- sowie | |
einer Geldstrafe verurteilt worden. Keskin hatte nach Überzeugung des | |
Göttinger Amtsgerichts zwischen 2015 und 2021 mindestens fünf Nachrichten | |
in sozialen Netzwerken und im Internet verbreitet, die massive | |
Beleidigungen von Juden und Armeniern sowie Verschwörungsmythen enthielten. | |
14 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.ditib-goettingen.de/presse?view=article&id=36%3Ansu-drohbri… | |
[2] /Rechte-Drohschreiben-von-NSU-20/!5891188 | |
[3] /Razzien-gegen-Neonazis/!5843490 | |
[4] https://www.demokratie-goettingen.de/ | |
[5] https://www.goettinger-tageblatt.de/lokales/goettingen-lk/goettingen/kommen… | |
[6] /Nach-antisemitischen-Aeusserungen/!5783743 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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