Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nach blutigen Protesten in Kasachstan: Amnestie für rund 1.500 Gef…
> Im Januar nahm Kasachstan massenhaft Protestierende fest. Jetzt kommen
> viele wieder frei. Doch Menschenrechtsgruppen kritisieren die
> Massenamnestie.
Bild: Proteste in der kasachischen Stadt Aqtau gegen die gestiegenen Benzinprei…
Berlin taz | Hoffnung für Gefangene in Kasachstan: Die zweite
Parlamentskammer, der Senat, hat am Donnerstag einem Gesetz zugestimmt, das
rund 1.500 Gefängnisinsassen eine Amnestie gewährt. Diese waren in
Zusammenhang mit den Protesten gegen die gestiegenen Benzinpreise im
vergangenen Januar festgenommen und verurteilt worden.
Das Gesetz sieht vor, dass die Anklagen bei Personen fallengelassen werden,
die minder schwere Vergehen begangen haben, und sie freikommen. Wer wegen
schwerer Verbrechen einsitzt, kann mit einer Reduzierung des Strafmaßes um
die Hälfte oder sogar um zwei Drittel rechnen.
Ausgenommen von der Regelung sind Häftlinge, die des Terrorismus,
Extremismus, Hochverrats, der Korruption und Organisation von Massenunruhen
für schuldig befunden wurden. Präsident Kassym-Schomart Tokajew hatte
entsprechende Pläne am 1. September angekündigt und muss das Gesetz noch
unterzeichnen.
Im vergangenen Januar erschütterten schwere Unruhen das zentralasiatische
Land mit knapp 19 Millionen Einwohner*innen. Diese hatten sich zunächst
an drastischen Preiserhöhungen für Benzin entzündet, sich dann aber auch
gegen den damals immer noch mächtigen korrupten Ex-Präsidenten Nursultan
Nazerbajew nebst Familienclan gerichtet und im ganzen Land ausgebreitet.
## Beweise vorgelegt
Um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen, bat Tokajew um Entsendung
von Truppen des von Russland geführten Militärbündnisses „Organisation des
Vertrages über kollektive Sicherheit“ (OVKS). Die, teils brutale,
Niederschlagung der Proteste – es durfte ohne Vorwarnung auf
Demonstrierende geschossen werden – kostete offiziellen Angaben zufolge
mindestens 238 Menschen das Leben, rund 1.000 wurden verhaftet. Tokajew
hatte damals die Erzählung aufgetischt, die Unruhen seien von 20.000
„Terroristen“ aus dem Ausland angezettelt worden.
Nach wie vor sind viele Fragen zum tatsächlichen Hergang der Ereignisse
offen. Menschenrechtsgruppen haben mehrfach Beweise vorgelegt, wonach auch
auf Personen geschossen worden sei, die nichts mit den Protesten zu tun
gehabt hätten. Sie fordern seit Monaten umfangreiche Ermittlungen und
kritisieren die Massenamnestie. Denn unter die fallen auch
Strafverfolgungsbeamte und Militärs, die sich so ihrer Verantwortung
entziehen können.
Tokajews vorgeblicher „menschenfreundlicher Akt“ könnte auch [1][mit der
vorgezogenen Präsidentenwahl] zu tun haben, die für den 20. November
angesetzt ist. Aus der Abstimmung dürfte das amtierende Staatsoberhaupt,
seit 2019 im Amt, als sicherer Sieger hervorgehen. Einige Kandidaten wurden
nicht zugelassen, eine Handvoll Mitbewerberinnen sind reine Staffage.
Im vergangenen Juni [2][hatte sich Tokajew per Referendum weitreichende
Verfassungsänderungen absegnen lassen]. Diese sollen helfen, einen
politischen Reformprozess einzuleiten. Dazu gehört auch, dass der Präsident
nicht mehr höchstens zweimal für fünf, sondern nur noch einmal für sieben
Jahre gewählt werden darf. Da Tokajews erste Jahre nicht mitgezählt werden,
könnte er im Falle eines Sieges noch bis 2029 an der Macht bleiben.
## Zentraler Partner der EU
Pünktlich zum Senatsvotum über die Amnestie empfing Tokajew im Rahmen eines
EU-Zentralasienstreffens mit den Staatschefs von Kirgistan, Tadschikistan,
Usbekistan und Turkmenistan auch den Präsidenten des Europäischen Rates
Charles Michel. Der bezeichnete Kasachstan am vergangenen Donnerstag bei
einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Astana als zentralen Partner der EU
sowie als wichtigen Spieler auf der internationalen Bühne und in der
Region.
„Zentralasien und die EU kommen sich näher und verbinden sich immer
stärker. Die EU unterstützt Versuche, die Demokratie zu stärken. Respekt
vor Menschenrechten und fundamentalen Freiheiten sind wichtige Elemente
einer Zusammenarbeit“, sagte er. An die Adresse Kasachstans gerichtet
unterstrich auch Michel „die Bedeutung einer vollständigen, fairen und
transparenten Untersuchung der beispiellosen regierungsfeindlichen
Proteste“.
Ob die kommt, ist fraglich. Dafür steht jedoch bereits das nächste Treffen
fest: Für den kommenden Monat ist eine EU-Zentralasienkonferenz in
Usbekistan geplant.
28 Oct 2022
## LINKS
[1] /Praesidentenwahl-in-Kasachstan/!5878688
[2] /Referendum-in-Kasachstan/!5859036
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Kasachstan
Qassym-Schomart Tokajew
Amnestie
Zentralasien
Menschenrechte
GNS
Kasachstan
Usbekistan
Annalena Baerbock
Kasachstan
Kasachstan
Kasachstan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Präsidentschaftswahl in Kasachstan: Nicht alles beim Alten
Die Wiederwahl des kasachischen Staatschefs Tokajew verlief absolut
erwartbar. Doch innen- wie außenpolitisch steht er vor zahlreichen
Herausforderungen.
Baerbock in Zentralasien: Bodenschätze versus Bürgerrechte
Die Außenministerin ist in Kasachstan und Usbekistan unterwegs. Dabei
signalisiert Baerbock ein klares Interesse an wirtschaftlicher Kooperation.
Außenministerin Baerbock in Kasachstan: Gratwanderung in Zentralasien
Kasachstan setzt sich sanft von Russland ab. Der Westen will die Chance
nutzen und eine Energiekooperation eingehen – aber nicht um jeden Preis.
Präsidentenwahl in Kasachstan: Schneller wählen in Kasachstan
Staatschef Kassym-Schomart Tokajew kündigt eine vorgezogene Präsidentenwahl
an. Er selbst will erneut antreten.
Verfassungsreferendum in Kasachstan: Klare Mehrheit für Veränderung
77 Prozent der Kasach*innen stimmen für demokratische Reformen. Die
Macht des Präsidenten wird eingeschränkt, doch seine Stellung bleibt stark.
Land in Zentralasien: Kasachstan für Anfänger
Die ehemalige Sowjetrepublik wird derzeit von Unruhen erschüttert. Sie ist
reich an Bodenschätzen und hat einen Weltraumbahnhof. Ein Crashkurs.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.