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# taz.de -- Prozess gegen Sixt: Autovermieter gegen Mitbestimmung
> Sixt kündigte Mitarbeiterinnen, die in Düsseldorf einen Betriebsrat
> gründen wollten. Nun kassiert das Unternehmen eine weitere Klatsche.
Bild: Klare Ansage: Werbung von Sixt am Flughafen Düsseldorf im Jahr 2017
Düsseldorf taz | Deutschlands größter Autovermieter, Sixt, hat bei seinem
[1][Kampf gegen Betriebsräte] erneut eine heftige Niederlage einstecken
müssen. Das in mehr als 100 Ländern präsente Unternehmen muss am Standort
Düsseldorf drei fristlos gekündigte Mitarbeiterinnen weiterbeschäftigen,
entschied das Landesarbeitsgericht in Nordrhein-Westfalens Landeshauptstadt
am Dienstag.
Eine Revision wurde in allen drei Fällen nicht zugelassen. Die Frauen
hatten im August 2021 versucht, eine Arbeitnehmer:innenvertretung
zu gründen.
Sixt fährt [2][traditionell eine harte Linie] gegen jede Art
innerbetrieblicher Mitbestimmung. Bis heute gibt es im gesamten
Unternehmen, für das international mehr als 6.400 Menschen arbeiten, keinen
einzigen Betriebsrat. Entsprechend reagierte die Geschäftsführung auf den
Vorstoß am Düsseldorfer Flughafen: Es hagelte Abfindungsangebote von
zunächst 15.000 Euro und fristlose Kündigungen für die drei
Betriebsrats-Initiatorinnen.
Einer der Frauen soll Personalchefin Katharina Reichenberger sogar 150.000
Euro geboten haben – wenn sie nur die Firma verließe. „Das zeigt, dass Sixt
fast jeden Preis zahlen will, um Betriebsräte zu verhindern“, sagt
Verdi-Gewerkschaftssekretär Özay Tarim, der die drei Mitarbeiterinnen
unterstützt.
## Vorgeschobene Begründungen
Die Kündigungsbegründungen wirkten vorgeschoben. Mal ging es um
Verspätungen, mal um den Vorwurf, für die Betriebsversammlung einen zu
kleinen Raum angemietet zu haben. Einen fristlosen Rauswurf ermöglicht all
das nicht: Schon im Februar hatte das [3][Arbeitsgericht Düsseldorf
geurteilt, die Kündigungen seien unrechtmäßig].
Doch Sixt zog in die nächste Instanz – und argumentierte ernsthaft, die
drei Mitarbeiterinnen hätten eine Betriebsratswahl nur angeschoben, um
möglichst hohe Abfindungen herausschlagen zu können. Das aber wischte die
8. Kammer des Landesarbeitsgerichts unter dem Vorsitzenden Richter
Alexander Schneider vom Tisch: „Was soll das für ein Plan sein“, fragte
Schneider Sixt-Geschäftsführer Dirk Hünten – und attestierte ihm, die
Vorwürfe gegen die drei Arbeitnehmerinnen grenzten „schon fast an
Wahn“.
Laut Betriebsverfassungsgesetz dürfe Sixt gegen die Gründung eines
Betriebsrats „nichts, gar nichts“ tun: „Sie haben sich jeglicher
Einflussnahme zu enthalten“, ermahnte der Richter den Geschäftsführer.
Stattdessen habe die Autovermietung den Eindruck erweckt: „Wer bei uns
versucht, einen Betriebsrat zu gründen, fliegt raus.“
## Auch für 90.000 Euro nicht käuflich
Doch auch die drei Mitarbeiterinnen warnte der Vorsitzende Richter
indirekt, und zwar vor neuen Schikanen des Arbeitgebers, die ihnen bei
Rückkehr an ihren Arbeitsplatz am Düsseldorfer Flughafen drohen dürften.
„Es gibt doch Probleme vor Ort“, mahnte Schneider – schließlich hatte
Sixt-Anwalt Holger Thomas zuvor erklärt, für die Autovermietung komme „nur
eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse“ infrage.
Doch die drei blieben standhaft. Eine Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses
gegen vom Gericht in den Raum gestellte mögliche Abfindungen von bis zu
90.000 Euro brutto pro Person lehnten sie ab – obwohl ihr Anspruch auf
Arbeitslosengeld I abgelaufen ist und alle drei aktuell auf Hartz IV
angewiesen sind.
„Das zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit, dass es den Kolleginnen nicht
um Abfindungen, sondern um einen Betriebsrat ging“, sagte
Gewerkschaftssekretär Tarim. „Wir können nur den Hut vor ihnen ziehen.“ D…
Gründung von Arbeitnehmer:innenvertretungen bleibe nicht nur am
Standort Düsseldorf „selbstverständlich weiter das Ziel von Verdi“.
8 Nov 2022
## LINKS
[1] /Sixt-verhindert-Betriebsrat/!5816979
[2] /Vorwurf-gegen-Autovermieter/!5140585
[3] /Arbeitsrecht-und-Unternehmen/!5837734
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Verdi
Arbeitsrecht
GNS
Arbeitnehmerrechte
Betriebsrat
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Streik
Lieferdienste
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Unternehmen
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