# taz.de -- Union vs. „Letzte Generation“: Fünf Jahre Knast für Blockaden? | |
> Die Aktionen der „Letzten Generation“ gehen weiter und sollen auch | |
> Flughäfen treffen. Die Union fordert härtere Strafen – was die Ampel | |
> ablehnt. | |
Bild: Protest der „Letzten Generation“ am 11. Oktober in Berlin | |
BERLIN taz | Auch am Montag saßen Aktivist:innen der „[1][Letzten | |
Generation]“ wieder auf dem Asphalt. In München blockierten sie den | |
Stachus, in Berlin mehrere Straßen. Die Union fordert, diese Blockaden nun | |
mit drastischen Strafen von bis zu fünf Jahren Haft zu ahnden – was die | |
Ampel zurückweist. | |
Die Aktionen der Klimaschützer:innen hätten sich „zu einem „radikalen | |
und aggressiven Protest gewandelt“, heißt es in einem Antrag der | |
Unionsfraktion, den diese am Donnerstag im Bundestag debattieren will und | |
welcher der taz vorliegt. Der Rechtsstaat müsse darauf eine „konsequente | |
Antwort“ finden, [2][mit „erhöhten Mindeststrafen“]. | |
So fordert die Union, die Straßenblockaden künftig als besonders schweren | |
Fall einer Nötigung zu werten – und mit mindestens drei Monaten bis zu fünf | |
Jahren Haft zu bestrafen. Dies soll gelten, wenn die Aktivist:innen | |
billigend in Kauf nähmen, dass Polizei- und Rettungsfahrzeuge blockiert | |
würden oder auch nur eine „große Zahl“ an Verkehrsteilnehmern. Die | |
Blockaden soll dafür als Regelbeispiel in den entsprechenden Paragrafen 240 | |
aufgenommen werden. Bisher gibt es dort nur zwei Regelbeispiele: für | |
Nötigungen von Schwangeren zu Abtreibungen und Missbrauchstaten von | |
Amtsträgern. | |
## Für die Union reicht die Chance einer Gefährdung | |
Auch der Paragraf des Gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr soll | |
künftig für die Blockaden gelten. Das könnte ebenso bis zu fünf Jahre Haft | |
bedeuten. Bisher griff der Paragraf nur, wenn etwa Hindernisse auf Straßen | |
gelegt oder Fahrzeuge manipuliert werden. Die Aktivist:innen sollen nun | |
aber bereits bestraft werden, wenn ihre Blockaden nur dazu „geeignet“ sind, | |
Menschenleben zu gefährden – ohne dass dies so kommen muss. Zudem soll die | |
Höchststrafe für die Behinderung von Hilfe leistenden Personen von einem | |
Jahr auf drei Jahre Haft angehoben werden. | |
Die Union will auch Angriffe auf Kunstwerke stärker ahnden, wie sie die | |
„Letzte Generation“ [3][zuletzt ebenso verübte] – wobei wirkliche Schäd… | |
ausblieben, weil die Bilder hinter Scheiben geschützt waren. Hier greift | |
der Paragraf der Gemeinschädlichen Sachbeschädigung von Kunstwerken. Die | |
Aktionen sollen künftig als besonders schwerer Fall gewertet werden, mit | |
einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten – bisher ist es eine | |
Geldstrafe. Zudem sollen Kultureinrichtungen des Bundes künftig auch | |
zivilrechtliche Schadensersatzansprüche konsequent geltend machen, wenn | |
Aktivist:innen Beschädigungen verursachen. | |
Zuletzt will die Union auch, dass Aktivist:innen, die sich auf Straßen oder | |
Gemälden festkleben, bei Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft genommen | |
werden können – die Nötigung soll dafür neu in den Stratatenkatalog | |
aufgenommen werden. Auch sollen Kettenbewährungsstrafen grundsätzlich nicht | |
mehr möglich sein. | |
## Ampel wirft Union „blinden Aktionismus“ vor | |
Die Ampel wies die Forderungen zurück. Der FDP-Innenpolitiker Konstantin | |
Kuhle warf der Union „blinden Aktionismus“ vor. „Das Strafrecht enthält | |
bereits alle Mittel, um auf mögliche Straftaten durch Aktivisten zu | |
reagieren“, sagte er der taz. Diese müssten bei Aktionen der „Letzten | |
Generation“, die tatsächlich Menschenleben gefährdeten, konsequent zur | |
Anwendung kommen. | |
Auch der SPD-Innenexperte Uli Grötsch zeigte sich über den Union-Vorstoß | |
genervt: „Täglich grüßt das Murmeltier. Die Verhinderung solcher Taten hat | |
nichts mit der Höhe des Strafmaßes zu tun, sondern mit der Anwendung von | |
Recht.“ Die Aktionen seien eher kontraproduktiv, um Mehrheiten zum | |
Klimaschutz zu erreichen. Wenn aber der Union darauf nichts anderes als | |
Straferhöhungen einfalle, solle sie ihr inhaltliches Profil schärfen oder | |
sich in der Debatte zurückhalten, so Grötsch zur taz. | |
Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf der Union ebenso vor, auf | |
die Blockaden „mit kurzfristigen und kurzsichtigen Gesetzesverschärfungen | |
reagieren zu wollen“. Die Aktionen würden der Sache schaden und | |
gesellschaftliche Akzeptanz verspielen, aber der Rechtsstaat habe längst | |
„alle nötigen Instrumente in der Hand“. Die Union schieße hier „einmal … | |
bewusst übers Ziel hinaus“, so von Notz zur taz. | |
## Die „Letzte Generation“ will Aktionen ausweiten | |
Die Debatte über die „Letzte Generation“ hatte sich zugespitzt, nachdem | |
eine Klebeaktion an einer Berliner Schilderbrücke einen Stau verursachte, | |
der mit [4][einer tödlich verunglücktem Radfahrerin] in Verbindung gebracht | |
wurde. | |
Zuletzt wurden in München einige Blockierer:innen für vier Wochen in | |
Sicherungshaft genommen. Ihre Mitstreiter:innen am Montag setzten sich | |
deshalb teils in schwarz-weißen Gefangenenkleidung auf die Straße. „Lieber | |
wegsperren als reden“, kündeten ihre Transparente. | |
Die Festnahmen änderten nichts am Protest, erklärte die „Letzte | |
Generation“-Aktivistin Carla Hinrichs der taz. Die Festgenommenen seien das | |
„Risiko, ins Gefängnis zu kommen, bewusst eingegangen“. Man werde so lange | |
Widerstand leisten, bis die Bundesregierung ein 9-Euro-Ticket und | |
Tempolimit von 100 km/h einführe. Die Gruppe fordert dafür auch ein | |
Gespräch mit der Bundesregierung am 10. November in Berlin. | |
Auch kündigte die „Letzte Generation“ eine Ausweitung ihrer Proteste an: So | |
könnten als Nächstes auch Flughäfen von Blockaden betroffen sein. Damit | |
würden die Aktivist:innen in die Fußstapfen der Klimagruppe „Extinction | |
Rebellion“ und Greenpeace treten, die am Samstag [5][Teile des Flughafens | |
Schiphol in Amsterdam blockierten]. Dabei wurde der Start von | |
Privatflugzeugen verhindert, indem sich Blockierende vor Maschinen auf den | |
Boden setzten oder auf Fahrrädern um sie herumfuhren. Wäre die „Letzte | |
Generation“ erfolgreich mit einer solchen Blockade, wäre es die erste in | |
Deutschland. | |
7 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Shoko Bethke | |
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