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# taz.de -- Brandanschlag in Mecklenburg-Vorpommern: Es schwelt weiter
> Nach dem Brand einer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete werden
> Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Esken kritisiert Merz.
Bild: Letzte offene Feuer brennen in der Flüchtlingsunterkunft in Mecklenburg-…
Berlin taz | Nach der mutmaßlichen [1][Brandstiftung an einer Unterkunft
für geflüchtete Ukrainer:innen in Groß Strömkendorf] bei Wismar
(Mecklenburg-Vorpommern) hat der Landkreis einen verstärkten Schutz der
Asylunterkünfte in der Region angeordnet. Im Verbund der Polizei seien
„verstärkte Sicherheitsmaßnahmen“ veranlasst worden, teilte der Landkreis
mit.
Die Ermittlungen zu dem Brand dauerten am Freitag an. Polizeikräfte
untersuchten den Brandort und befragten Zeug:innen. Am Mittwochabend war
am Reetdach der Unterkunft in Groß Strömkendorf, das frühere Hotel
„Schäfereck“, ein Brand ausgebrochen. Trotz Löschversuchen brannte das
Gebäude fast komplett ab. Die 14 Ukrainer:innen, darunter ein 1- und ein
10-jähriges Kind, und drei Betreuer, die zur Tatzeit im Haus waren, konnten
körperlich unverletzt flüchten.
Die Polizei geht von Brandstiftung und [2][einem politischen Motiv] aus,
der Staatsschutz ermittelt. Wenige Tage vor dem Brand war auf dem
Eingangsschild des Hauses das Logo des Deutschen Roten Kreuz, das die
Unterkunft betreut, als Hakenkreuz verunstaltet worden. Noch am Mittwoch,
vor dem Brand, fand deshalb eine Inspektion der Polizei und Ordnungsbehörde
des Landkreises vor Ort statt.
## Ungeklärte Brandserie im Landkreis
Die Polizei prüft allerdings auch andere Tatmotive, darunter einen
Zusammenhang mit einer seit Monaten laufenden, ungeklärten Brandserie in
der Region. Laut Landkreis kam es zuletzt zu mindestens sechs
Brandstiftungen. Betroffen waren ein Carport, eine Strohmiete und erst am
7. Oktober ein leerstehendes Haus.
Die betroffenen Ukrainer:innen sind vorerst in einer anderen Unterkunft
des Landkreises untergebracht. Einige von ihnen sollen danach in Wohnungen
umziehen, die man inzwischen akquiriert habe, so der Landkreis. Auch
Sozialdienste boten den Betroffenen Unterstützung an.
Der [3][Unterkunftsleiter Andrej Bondartschuk] und Landrat Tino Schomann
(CDU) hatte betont, dass auch zuvor die ukrainischen Geflüchteten im Ort
sehr unterstützt wurde. Umso mehr erschüttere der Brand. Just noch diese
Woche sollte eigentlich ein Spielplatz vor der Unterkunft eingeweiht
werden, der maßgeblich von Spendengeldern finanziert wurde. Schomann warnte
deshalb auch vor einer rechten Stigmatisierung der Region.
## Esken attackiert Merz
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken warf derweil CDU-Chef Friedrich Merz
indirekt eine Mitverantwortung für die Tat vor. „Die Einlassungen der
letzten Zeit zur Aufnahme von Schutzsuchenden in Deutschland sind
verantwortungslos – und sie bereiten den Boden nicht nur für
gesellschaftliche Spaltung, sondern letztlich auch für solch kriminelle
Taten“, sagte Esken der Rheinischen Post. [4][Merz hatte ukrainischen
Geflüchteten „Sozialtourismus“ unterstellt] – und sich dafür danach
halbherzig entschuldigt. „Wer Kriegsflüchtlinge fern aller Fakten als
Sozialtouristen verleumdet, muss sich fragen lassen, welchen Anteil er hat
an Hass und Hetze, die später in Gewalt mündet“, erklärte Esken.
CDU-Vorstandsmitglied Serap Güler nannte den Vorwurf „eine ungeheuerliche
Entgleisung und bodenlose Unverschämtheit“ und forderte von Esken eine
Entschuldigung.
Bereits am Donnerstagabend waren Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
und die Bundesintegrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan (SPD) nach Groß
Strömkendorf gereist. Der Brand sei ein „furchtbares Ereignis“, erklärte
dort Faeser. Menschen, die gerade erst aus der Ukraine vor dem
Angriffskrieg Putins geflohen seien, wurden nun „wieder an Leib und Leben
bedroht“. Sollte sich bewahrheiten, dass es ein Brandanschlag war, werde
der Rechtsstaat „hart durchgreifen“, so Faeser. „Es ist wichtig, dass so
etwas nicht geduldet wird, von keinem von uns.“ Auch Alabali-Radovan nannte
einen möglichen Brandanschlag nicht hinnehmbar. Der Schutz ukrainischer
Geflüchteter „muss für uns eine hohe Priorität haben“.
Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern hatte von einer „sehr schlechten
Stimmung“ gegenüber Geflüchteten im Land schon vor dem Brand gesprochen.
Politik und Verwaltung hätten zunehmend einen „hohen Migrationsdruck“
beklagt, Geflüchteten hätten anonym oder offen Hassbotschaften erhalten.
Auch die Initiative warnte deshalb vor „geistiger Brandstiftung“.
Die Grünen, Linke und die Opferberatung Lobbi riefen für Freitagnachmittag
zu einer [5][Mahnwache auf dem Wismarer Marktplatz] auf. „Gegen die
gesellschaftliche Kälte – Solidarität mit Geflüchteten auch in
Krisenzeiten“, heißt es in einem Aufruf. Auch die Integrationsbeauftragte
des Landes, Jana Michael, rief dazu auf. „Ich bin überzeugt, dass viele
Menschen in Nordwestmecklenburg und im ganzen Land Hass und Hetze
entschieden entgegentreten“, erklärte sie.
21 Oct 2022
## LINKS
[1] /Brandstiftung-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5889648
[2] /Brandstiftung-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5889648
[3] /Brandstiftung-in-Mecklenburg-Vorpommern/!5889648
[4] /Merz-unterstellt-Sozialtourismus/!5880211
[5] https://twitter.com/lobbimv/status/1583074361564880896
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
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