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# taz.de -- Wiederholung der Wahlen in Berlin: Nur der Machterhalt zählt
> Das unwürdige Geschacher um die Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin
> zeigt: Die Ampelparteien haben jedes Gefühl für Bürgerbeteiligung
> verloren.
Bild: Menschen stehen sogar an für die Wahl, so wichtig ist ihnen das
Auch im dritten Anlauf schafft es die Ampelkoalition im Bund nicht zu
klären, in welchem Umfang die Bundestagswahl in Berlin wiederholt werden
sollte. Am Mittwochabend kündigten die rot-grün-gelben Vertreter*innen
an, man habe sich auf einen erneuten Anlauf in 431 der insgesamt 2.256
Wahlbezirken geeinigt. Doch die für Donnerstagnachmittag vorgesehene
Abstimmung im Wahlprüfungsausschuss wurde kurzfristig abgesagt – es gebe
noch Änderungswünsche. Nun soll am 7. November darüber entschieden werden.
Das unwürdige politische Gezerre um die Wahlpannen am 26. September 2021 in
Berlin und deren Folgen geht also weiter. Im Mai hatte [1][Bundeswahlleiter
Georg Thiel] die vollständige Wiederholung der Bundestagswahl in sechs der
zwölf Berliner Wahlkreise gefordert. Er sprach von einem „kompletten
systematischen Versagen der Wahlorganisation“. Doch der Bundestag – sprich
die Koalition – darf selbst darüber entscheiden, wo wiedergewählt wird.
Die Ampel hatte im Sommer daraufhin vorgeschlagen, in 440 Wahlbezirken
erneut wählen zu lassen. Der FDP war das dann doch zu viel, jedenfalls
wurde vor gut zwei Wochen [2][eine abgespeckte Variante zur Abstimmung
vorgeschlagen]. Nun standen lediglich 300 Wahlbezirke auf der Liste,
beschränkt auf die Zweitstimme. Dieses sehr offensichtliche
Wünsch-Dir-Was-Spiel stieß bei Jurist*innen des Bundestags auf Kritik,
so dass der am Mittwoch verkündete Plan eine Wiederholung in wieder mehr
Wahllokalen vorsah, und zudem für Erst- wie Zweitstimme.
Dieses Gefeilsche ist umso ermüdender, weil eine Klage gegen die
Entscheidung des Bundestags vor dem Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich
ist. Die finale Entscheidung über den Umfang der Wahlwiederholung fällt
also sehr wahrscheinlich in Karlsruhe – sofern sich die Ampel nicht zu
einer kompletten Neuwahl entschließt, wie es das [3][Berliner
Verfassungsgericht für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den zwölf
Bezirksparlamenten anstrebt].
Das Berliner Gericht hat in einer Anhörung im September klar gemacht, dass
es die Einschätzung des Bundeswahlleiters teilt und es deswegen die beiden
Wahlen, die ebenfalls am 26. September 2021 stattgefunden haben, bei seiner
Sitzung am 16. November voraussichtlich für ungültig erklären wird. Alle
Parteien in Berlin bereiten sich daher bereits auf eine Wahlwiederholung am
12. Februar 2023 vor.
Nun kann man dem Berliner Verfassungsgerichtshof vielleicht vorwerfen, dass
er vielleicht (noch) [4][nicht alle möglichen Folgen und Fragen, die sich
aus dieser absehbaren Entscheidung ergeben, bedacht hat]. Aber in einer
Hinsicht ist die vollständige Wiederholung der bessere Weg: Es ist eine
klare Entscheidung, um das – wie das Gericht sagt – Vertrauen in die Wahlen
bei der Bevölkerung wieder her zu stellen.
## Die Deals sind allzu offensichtlich
Genau das droht durch die offensichtlichen Deals innerhalb der Ampel weiter
Schaden zu nehmen. Der alte linke Spruch: „Wahlen ändern nichts, sonst
wären sie verboten“, war wohl doch nicht ganz falsch. Es geht (auch einst
linken) Parteien offensichtlich in erster Linie um Machterhalt – und nicht
um Bürgerbeteiligung, Mitsprache, Einbindung, Volkes Stimme.
Das ist fatal für die Akzeptanz der Demokratie in Deutschland: Denn auf
Bundesebene gibt es bislang keine andere Mitbestimmungsmöglichkeit als die
beiden Kreuze alle vier Jahre. Es fehlt, anders als auf Landesebene in
Berlin, zum Beispiel die Möglichkeit, einen Volksentscheid anzustrengen.
Letztlich bleibt von diesem Geschacher der Ampel, getrieben von der Angst
um Bundestagssitze, vor allem eines haften: Auch bei Wahlen wird in Urnen
beerdigt. Eingeworfen, abgehakt.
22 Oct 2022
## LINKS
[1] /Wahlchaos-in-Berlin/!5816719
[2] /Pannen-Wahl-in-Berlin-2021/!5886068
[3] /Wiederholung-der-Wahl-in-Berlin/!5885013
[4] /Wiederholung-der-Wahl-in-Berlin/!5884986
## AUTOREN
Bert Schulz
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