# taz.de -- Streit um Atomkraftwerke: Scholz ordnet Weiterbetrieb an | |
> Der Bundeskanzler spricht ein Machtwort. Alle drei AKW sollen bis April | |
> weiterlaufen. Im Streit mit FDP und Grünen beruft er sich auf seine | |
> Richtlinienkompetenz. | |
Bild: Schaltet die AKW-Abschaltung ab: Bundeskanzler Scholz | |
Berlin afp/dpa/rtr/taz | Im Atomstreit der Ampel-Koalition hat | |
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Machtwort gesprochen: Alle drei noch am | |
Netz befindlichen deutschen Atomkraftwerke sollen über das gesetzlich | |
vereinbarte Aus am Jahresende hinaus weiter laufen, allerdings längstens | |
bis zum 15. April 2023, heißt es in einem am Montag veröffentlichten | |
Schreiben von Scholz an das Bundeskabinett, das der taz vorliegt. Der | |
Kanzler berief sich dabei auf seine Richtlinienkompetenz innerhalb der | |
Bundesregierung. | |
Scholz schrieb weiter, „parallel zu dieser Entscheidung“ solle ein | |
ehrgeiziges Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt werden. | |
Zudem solle die politische Verständigung der Wirtschaftsministerien im Bund | |
und Nordrhein-Westfalen [1][mit dem Energiekonzern RWE zum Kohleausstieg im | |
Rheinischen Revier] „gesetzgeberisch umgesetzt“ werden. Die Vereinbarung | |
dazu sieht unter anderem vor, zwei Braunkohlekraftwerke länger laufen zu | |
lassen, bis 2024, aber den Kohleausstieg im Rheinischen Revier um acht | |
Jahre auf 2030 vorzuziehen. Das zum Symbol des Widerstandes gewordene Dorf | |
[2][Lützerath darf abgerissen werden]. | |
Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit werde die Bundesregierung | |
zudem die Voraussetzungen für den Zubau neuer, wasserstofffähiger | |
Gaskraftwerke schaffen, so Scholz weite. | |
In seinem Schreiben bittet Scholz die zuständigen Minister, „die | |
entsprechenden Regelungsvorschläge dem Kabinett nun zeitnah vorzulegen“. | |
Der Kanzler hatte seinen Brief an Wirtschaftsminister Robert Habeck, | |
Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) und Finanzminister Christian | |
Lindner (FDP) gerichtet. | |
Die Spitzen der Ampelkoalition hatten seit Wochen über den Umgang mit der | |
Atomenergie gestritten. Am Sonntag war ein weiteres Spitzengespräch von | |
Scholz mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister | |
Christian Lindner (FDP) ohne erkennbare Ergebnisse geblieben. | |
Am Montag hatte Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann gesagt, die | |
Koalitionspartner seien „im intensiven Gespräch“ zu dem Thema und „auf d… | |
Weg zu einer Einigung“. Ein weiteres Spitzentreffen sollte es am Montag | |
aber nicht mehr geben. FDP und Grüne hatten derweil ihre gegensätzlichen | |
Positionen bekräftigt. | |
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte am Vormittag betont: „Wir sind | |
nach wie vor der Überzeugung, dass die drei am Netz befindlichen | |
Atomkraftwerke länger laufen müssen“, und zwar „bis mindestens 2024“. | |
Auch die Grünen hatten am Montag ihre Haltung bestätigt. Der | |
Parteitagsbeschluss vom Freitag sei „unsere Verhandlungslinie“, sagte | |
Parteichefin Ricarda Lang in Berlin. [3][Der Grünen-Parteitag hatte am | |
Freitag in Bonn beschlossen], dass es einen Reservebetrieb der beiden | |
süddeutschen Kraftwerke bis maximal zum 15. April 2023 geben dürfe, aber | |
keinesfalls neue Brennstäbe gekauft werden sollten. | |
## FDP-Chef freut sich über Machtwort | |
Diesen Maximalvorgaben der Grünen ist Scholz nun beim Datum gefolgt. | |
Allerdings wollten die Grünen nur zwei der drei AKW weiter laufen lassen. | |
Das im nördlichen Emsland sollte Jahreswechsel abgeschaltet werden. | |
Die FDP, die für noch deutlich längere Laufzeiten war, begrüßt die | |
Entscheidung dennoch. „Die weitere Nutzung des #Kernkraftwerks #Emsland ist | |
ein wichtiger Beitrag für Netzstabilität, Stromkosten und Klimaschutz“, | |
[4][twitterte FDP-Chef Christian Lindner]. schon kurz nach Bekanntwerden | |
des Scholz-Briefes. „Der Vorschlag findet daher die volle Unterstützung der | |
Freien Demokraten.“ | |
Auch aus der SPD-Fraktion kam Zustimmung. „Der Bundeskanzler nutzt seine | |
Richtlinienkompetenz und präsentiert eine angemessene, pragmatische Lösung | |
für Atomkraft“, [5][schreibt die Parlamentarische Geschäftsführerin der | |
SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, auf Twitter]. Jetzt müsse man alle | |
Energie darin setzen, die Erneuerbaren Energien auszubauen. | |
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, [6][sprach von einem „klugen | |
Kompromiss“]. | |
## Grüne reagieren kleinlaut und wollen reden | |
Bei den Grünen dauerte es ungleich länger, bis sie Sprache wiederfanden. | |
Erst nach zwei Stunden meldete sich Parteichefin Ricarda Lang. „Das AKW | |
Emsland ist für die Netzstabilität nicht erforderlich“, [7][schrieb sie bei | |
Twitter]. Einen Weiterbetrieb halte man weiterhin nicht für notwendig. Zwar | |
habe der Kanzler von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, aber | |
werde dazu noch Gespräche führen. | |
Immerhin sei nun klar, [8][ergänzte Lang], „dass keine neuen Brennstäbe | |
beschafft werden und alle deutschen Atomkraftwerke spätestens zum 15. April | |
2023 endgültig vom Netz gehen.“ Im Bejubeln schmerzhafter Kompromisse tun | |
sich die Grünen deutlich schwerer als die FDP. | |
17 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Energiepolitik-in-NRW/!5882363 | |
[2] /Braunkohlefoerderung-in-NRW/!5882364 | |
[3] /Streit-um-Atomkraft-in-der-Ampel/!5885493 | |
[4] https://twitter.com/c_lindner/status/1582045361082093568 | |
[5] https://twitter.com/KatjaMast/status/1582048312298831876 | |
[6] https://twitter.com/Klaus_Mueller/status/1582054102191992832 | |
[7] https://twitter.com/Ricarda_Lang/status/1582074012993486848 | |
[8] https://twitter.com/Ricarda_Lang/status/1582074373535850496 | |
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