| # taz.de -- Parlamentswahl in Israel: King Bibi und die Comebacks | |
| > Benjamin Netanjahu und sein rechtsreligiöses Bündnis gewinnen die Wahl in | |
| > Israel. Seine Gegner befürchten die Aushöhlung des säkularen | |
| > Rechtsstaats. | |
| Bild: Israel unterwegs nach rechts: Ein Likud-Anhänger freut sich in Jerusalem… | |
| Tel Aviv taz | Nach der Auszählung von knapp 86 Prozent der Stimmen scheint | |
| es, als sei ihm tatsächlich ein Comeback gelungen. Benjamin Netanjahu, | |
| alias King Bibi, ist zurück – mit dem rechtsextremen Wahlbündnis Religiöser | |
| Zionismus im Gepäck. | |
| „Wir stehen kurz vor einem großen Sieg“, sagte ein lächelnder Netanjahu v… | |
| jubelnden Anhängern in der Wahlkampfzentrale seiner Likud-Partei, die | |
| Stimme heiser vom wochenlangen Wahlkampf. Er schwor, „den nationalen Stolz | |
| wiederherzustellen, der uns genommen wurde.“ | |
| Der bisherigen Auszählung zufolge erhielt der Likud 32 Sitze. Der gesamte | |
| rechtsreligiöse Block kam auf 65 Sitze und hat damit einen klareren Sieg | |
| als erwartet erzielt. Teil des Bündnisses sind nicht nur die beiden | |
| ultraorthodoxen Listen Vereinigtes Thora-Judentum und Schas, sondern auch | |
| das rechtsextreme Wahlbündnis Religiöser Zionismus unter der Führung des | |
| rassistischen Politikers Itamar Ben-Gvir. | |
| In [1][Frontstellung zu Netanjahu] war die ideologisch breit aufgestellte | |
| „Koalition des Wandels“ unter Jair Lapid angetreten. Diese Koalition hatte | |
| ein Jahr lang das Land angeführt und war [2][im Juni an inhaltlichen | |
| Differenzen zerbrochen]. An ihr war zum ersten Mal in der Geschichte | |
| Israels eine arabische Partei beteiligt gewesen. | |
| ## Jüdisch-israelische Linke am Ende | |
| Lapids Bündnis musste eine schwere Niederlage einstecken. Ihre größte | |
| Partei Jesch Atid brachte es auf 24 Sitze. Zwei der zuvor im israelischen | |
| Parlament vertretene Parteien – die linke Partei Meretz und die arabische | |
| Partei Balad – scheiterten am Sprung über die Hürde, was Netanjahu einen | |
| weitere Sitze verschaffte. Die jüdisch-israelische Linke ist damit fast | |
| vollständig aus der Knesset verschwunden, nur die Arbeitspartei ist noch | |
| mit 4 Sitzen vertreten. | |
| Die Mitte-rechts-Kräfte aus dem Lapid-Lager bekräftigten nach der fast | |
| vollständigen Auszählung der Stimmen erneut, dass sie keinem Bündnis unter | |
| Netanjahu und keiner Regierung beitreten werden, „die von Extremisten | |
| abhängt“. | |
| ## Netanjahu, das Stehaufmännchen | |
| Netanjahu, gegen den derzeit ein Gerichtsprozess in drei Korruptionsfällen | |
| läuft, ist bekannt dafür, sich aus ausweglos erscheinenden Positionen | |
| befreien zu können. Und nicht zum ersten Mal gelingt ihm ein Comeback auf | |
| die politische Bühne. Insgesamt regierte Netanjahu das Land bisher 15 Jahre | |
| lang; von 1996 bis 1999 und dann nochmal von 2009 bis 2021. | |
| Nie allerdings konnte er so ungehindert mit einem rein rechtsreligiösen | |
| Bündnis regieren, wie es nun sein wird. Und so lautet die zentrale Frage im | |
| Anti-Netanjahu-Lager nach den Wahlen: Wie schlimm wird der Rechtsruck? | |
| Netanjahu-Gegner*innen befürchten eine weitreichende Aushöhlung der | |
| Demokratie, in erster Linie durch Gesetzesänderungen, die die Macht der | |
| Gerichte beträchtlich beschränken würden. Viele sprechen von Schritten in | |
| Richtung Autokratie. Unter anderem fordern verschiedene zukünftige | |
| Abgeordnete, dass Kabinettsmitglieder die Auswahl der Richter am Obersten | |
| Gerichtshof vornehmen sollten und nicht, wie bisher, ein eigenes Komitee. | |
| Das Parlament sollte außerdem die Möglichkeit bekommen, Entscheidungen des | |
| Obersten Gerichts zu überschreiben. Damit hätte das Gericht nicht mehr die | |
| Möglichkeit, die Macht des Parlaments zu kontrollieren. | |
| ## Was passiert mit dem Korruptionsprozess gegen Netanjahu? | |
| Zentral in der Debatte um die Beschränkung der Macht der Gerichte ist auch | |
| Netanjahus laufendes Strafverfahren. Der Prozess solle mithilfe eines dafür | |
| geschaffenen Gesetzes aufgehoben werden, kündigte Ben-Gvir kurz vor den | |
| Wahlen an. Netanjahu beeilte sich zu behaupten, dass er nicht erlauben | |
| würde, dass sein Gerichtsprozess annulliert wird. Doch kaum jemand im | |
| Anti-Netanjahu-Lager zweifelt daran, dass dies seine erste Priorität ist. | |
| In der Vergangenheit hatte Netanjahu nicht viel für Ben-Gvirs aggressives | |
| Auftreten und dessen rechtsradikale Einstellungen übrig. Noch vor | |
| eineinhalb Jahren, im Vorfeld zu den Wahlen im März 2021, hatte Netanjahu | |
| Ben-Gvir für „nicht passend“ für einen Ministerposten erklärt. Doch seine | |
| persönliche Abhängigkeit von seinen Bündnispartnern in Sachen Justiz macht | |
| ihn erpressbar und dürfte seine Möglichkeiten schwächen, Extremisten und | |
| Randalierer in seinen Reihen in die Schranken zu weisen. | |
| Als Ben-Gvir vor wenigen Tagen ankündigte, im Falle eines Wahlsiegs den | |
| Posten des Ministers für Innere Sicherheit übernehmen zu wollen, blieb | |
| Netanjahu zwar vage, stellte aber auch fest, dass Ben-Gvir ein legitimer | |
| Bewerber um diesen Posten sei. Damit hätte dieser die Aufsicht über die | |
| Polizei, aber auch über umkämpfte religiöse Stätten wie den Tempelberg. | |
| In der Vergangenheit hatte Ben-Gvir immer wieder angekündigt, arabische | |
| Israelis, die mit Terrorismus in Verbindung gebracht werden, auszubürgern, | |
| die Todesstrafe gegen Terrorist*innen zu verhängen, und israelischen | |
| Soldat*innen bei Militäraktionen Straffreiheit zu verschaffen. | |
| ## Geldregen für religiöse Bündnispartner | |
| Die Abhängigkeit gilt auch für die ultraorthodoxen Parteien, und so sorgen | |
| sich kritische Stimmen, dass Israels Politik zunehmend jüdisch-religiös | |
| geprägt ist. Die Vorgängerregierung hatte ein säkulares Israel gestärkt. | |
| Mit Netanjahus Rückkehr an die Macht ist mit einem Geldregen und | |
| zahlreichen Zugeständnissen an seine streng religiösen Bündnispartner zu | |
| rechnen. | |
| Angesichts der schwachen Opposition in der Knesset und Netanjahus | |
| Erpressbarkeit dürfte am ehesten internationaler Druck seinem | |
| rechtsreligiösen Bündnis noch Grenzen setzen können – nicht nur von Seiten | |
| der EU und den USA, sondern auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten. | |
| Der Außenminister der Emirate, Abdullah bin Zayid, äußerte laut der | |
| Nachrichtenseite Axios bei einem Besuch in Israel Bedenken, dass ein | |
| Bündnis Netanjahus mit „extremistischen Kräften“ das bilaterale Verhältn… | |
| trüben könnte. | |
| Die sogenannten Abraham-Abkommen, mit denen Israel vor zwei Jahren [3][das | |
| Verhältnis zu einer Reihe von arabischen Ländern normalisierte], gelten als | |
| Netanjahus größte politische Errungenschaft als Ministerpräsident. | |
| 2 Nov 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Judith Poppe | |
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