# taz.de -- Doppelanschlag in Jerusalem: 16-Jähriger stirbt im Krankenhaus | |
> In Israel hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Anschläge | |
> gegeben. Doch die tödlichen Explosionen am Mittwochmorgen hatten eine | |
> neue Qualität. | |
Bild: Polizisten am Anschlagsort in Jerusalem am 23. November | |
Tel Aviv taz | Laute Explosionen, zerbrochenes Glas und die zersplitterte | |
Fensterscheibe eines israelischen Busses: Die Aufnahmen, die am | |
Mittwochmorgen aus Jerusalem zu sehen waren, haben bei vielen Israelis | |
Erinnerungen an die zweite Intifada Anfang der 2000er Jahre hervorgerufen. | |
An zwei Bushaltestellen, jeweils an Eingängen nach Jerusalem, waren in der | |
morgendlichen Rushhour Bomben detoniert. Dabei wurde ein 16-jähriger | |
Israeli so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus verstarb. Mindestens 22 | |
Personen wurden verletzt, davon ein weiterer schwer. | |
Terroranschläge hat es in Israel auch in den vergangenen Jahren gegeben, | |
nicht nur im palästinensischen Westjordanland, auch innerhalb Israels. Doch | |
in der Regel waren es Angriffe von Einzeltäter*innen, meist mit Messern, | |
teils auch mit Schusswaffen. | |
Die Anschläge vom Mittwoch haben eine neue Qualität: Die Polizei vermutet, | |
dass die Explosionen durch ferngesteuerte Sprengsätze verursacht wurden, | |
die in Taschen an den Bushaltestellen abgestellt wurden. Die Tat sei | |
sorgfältig geplant gewesen und von einer organisierten Zelle durchgeführt | |
worden. | |
Bekannt hatte sich bis Redaktionsschluss am Mittwochnachmittag niemand zu | |
den Anschlägen. Die militanten [1][Palästinenserorganisationen Islamischer | |
Dschihad und Hamas] bejubelten sie lediglich. Aus Washington und von der EU | |
kamen scharfe Verurteilungen. | |
## Nicht die dritte Intifada | |
Viele Israelis fragen sich, ob dies der Anfang einer neuen Welle von | |
Anschlägen auch innerhalb Israels ist. | |
Wie sich [2][die Situation entwickelt], wird auch von der Stoßrichtung der | |
noch zu bildenden, neuen israelischen Regierung abhängen. Itamar Ben Gvir, | |
Chef der rechtsextremen Partei „Jüdische Stärke“ und möglicherweise | |
künftiger Minister für Innere Sicherheit erhalten, will den Status Quo auf | |
dem Tempelberg verändern und auch jüdischen Gläubigen ermöglichen, dort zu | |
beten. In der aufgeheizten Atmosphäre könnte dies schwerwiegende Folgen | |
haben. | |
Auch ein Zusammenbruch der bröckelnden Palästinensischen Autonomiebehörde | |
könnte, so der ehemalige Berater der Einheit Cogat im | |
Verteidigungsministerium Michael Milshtein, die Sicherheitslage dramatisch | |
verschlechtern. Israel und die Palästinensischen Autonomiebehörde arbeiten | |
in verschiedenen Sicherheitsfragen zusammen. Er warnt davor, diese | |
Zusammenarbeit zu gefährden. | |
Im nördlichen Westjordanland ist eine hoffnungslose Generation von | |
Palästinenser*innen herangewachsen, über die die Autonomiebehörde | |
(PA) weitgehend die Kontrolle verloren hat. Im August 2022 hat sich in | |
Nablus etwa die Gruppe „Höhle des Löwen“ gegründet – junge | |
Palästinenser*innen, die mit dem Islamischen Dschihad, den | |
Al-Aksa-Märtyrerbrigaden und der Hamas verbunden sind, aber autonom | |
agieren. | |
Noch, so sagen viele Expert*innen, ist nicht von einer dritten Intifada zu | |
sprechen. Dafür fehle noch eine breite, aktive Unterstützung unter den | |
Palästinenser*innen. Doch das könnte sich ändern. | |
23 Nov 2022 | |
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[1] /Luftangriffe-in-Gaza-und-Israel/!5872716 | |
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## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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