# taz.de -- Klima-Protestaktionen in Museen: Bild frei, Kartoffelbrei | |
> Deutsche Klimaaktivisten haben in Potsdam ein Monet-Gemälde mit | |
> Kartoffelpüree beworfen. Es folgt eine Welle der Empörung. Zu Recht? | |
Bild: Tomatensuppe aus der Dose auf Van Gogh: Protestaktion am 14. Oktober in L… | |
Plötzlich tropfte es rot von den friedlich stillstehenden Sonnenblumen. | |
Zwei Klimaaktivist:innen der Gruppe „Just Stop Oil“ hatten das in der | |
britischen Nationalgalerie in London ausgestellte Meisterwerk von | |
[1][Vincent van Gogh mit Tomatensuppe besudelt]. Fotos von den beiden | |
gingen schnell um die Welt und mit ihnen eine Welle der Empörung: Geht es | |
zu weit, wenn Klimaprotest sich gegen unersetzliche Kulturgüter richtet? | |
Schnell gab das Museum Entwarnung: Das Gemälde war geschützt hinter Glas, | |
ihm war nichts passiert. Eine der Aktivist:innen erklärte in einer | |
Stellungnahme, dass die Gruppe niemals ein nicht verglastes Gemälde für die | |
Aktion genutzt hätte. Alles nicht so wild. | |
Und so hätte die deutsche Kopie der Aktion eigentlich mehr für ein müdes | |
Schulterzucken sorgen können, oder? Aber weit gefehlt: Die Rage kennt kein | |
Ende. Aktivist:innen der [2][Klimaschutz-Gruppe „Letzte Generation“] | |
beschmadderten im Potsdamer Museum Barberini am Sonntag Monets | |
„Getreideschober“ mit Kartoffelbrei, klebten sich daneben fest. „Aktionen, | |
die fremdes Eigentum beschädigen, sind nicht nur eine Dummheit, sondern | |
auch kriminell“, [3][twitterte Justizminister Marco Buschmann (FDP)]. Dabei | |
hatte auch das Barberini sofort mitgeteilt, dass das Gemälde wie im | |
Londoner Fall verglast und somit nicht beschädigt worden war. Ab Mittwoch | |
ist es wieder zu sehen. | |
## Macht die radikale Flanke gemäßigte Gruppen sympathisch? | |
Buschmann und seine FDP sind natürlich ohnehin nicht als Speerspitze des | |
Klimaschutzes bekannt, aber er ist mit seiner Aufregung nicht allein. | |
Ebenfalls auf Twitter [4][äußerte sich der Pianist Igor Levit], der | |
Grünen-Mitglied ist und schon für und mit Fridays for Future auf der Straße | |
Klavier gespielt hat: „Wenn Du etwas Schönes bewahren willst, warum | |
verletzt / zerstörst Du etwas Schönes? Wem wird geholfen? Die Kausalität | |
will mir nicht in den Kopf.“ Und „simply embarrassing“, also einfach nur | |
peinlich, findet der Journalist und Youtuber Tilo Jung die Aktion, [5][wie | |
er auf Twitter mitteilte]. Die Aktivist:innen würden der Sache schaden. | |
Ist das denn so? Es klingt erst mal schlüssig: Radikale Aktionen verprellen | |
Menschen, die inhaltlich eigentlich an Bord wären. Ganz von der Hand zu | |
weisen ist das sicher nicht. Sozialwissenschaftliche Forschung zeigt aber, | |
dass das nichts Schlechtes sein muss. Die radikale Flanke einer Bewegung | |
kann zum Beispiel auch die positive Wirkung haben, dass die gemäßigteren | |
Gruppen plötzlich besonders sympathisch und vernünftig wirken – und so | |
Zulauf und Unterstützung bekommen. Der Diskurs kann sich so erfolgreich | |
verschieben. Ein Beispiel dafür sind die Suffragetten, die für Frauenrechte | |
Blockaden veranstalteten, Briefkästen sprengten und daher nicht beliebt | |
waren – aber das Thema zwangsweise auf der Tagesordnung hielten. | |
Ob eine Aktion, bei der die Glasscheibe über einem Gemälde mit | |
Kartoffelbrei eingeschmiert wird, überhaupt radikal ist, darüber lässt sich | |
natürlich streiten. Symbolischer geht es doch gar nicht. Anders als bei | |
ihren Straßenblockaden trifft die „Letzte Generation“ diesmal aber ein | |
Milieu, zu dessen Selbstverständnis und Normalität nicht das Autofahren | |
gehört, sondern das Genießen oder Schaffen von Kunst. Das größte Manko der | |
Aktion ist wohl nicht, dass jetzt Museumsmitarbeiter:innen zum | |
Glasreiniger greifen müssen. Es ist wieder mal die schwer verständliche | |
Kommunikation. Wie damals, als dieselbe Gruppe bei Straßenblockaden | |
Lebensmittel auskippte, um auf Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu | |
machen. | |
Wie es bei Monets Liebe zur Natur sein könne, dass viele mehr Angst davor | |
hätten, „dass eines dieser Abbilder der Wirklichkeit Schaden nimmt, als vor | |
der Zerstörung unserer Welt selbst“, fragte etwa eine Sprecherin der | |
Gruppe. Kartoffelbrei als besondere Wertschätzung für Monets | |
Naturfreundschaft – nun gut. Andererseits: Wann hat die Welt das letzte Mal | |
über den „Getreideschober“ geredet? | |
24 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Klima-Aktivistinnen-beschmutzen-Gemaelde/!5888209 | |
[2] /Aktionen-der-Letzten-Generation/!5885338 | |
[3] https://twitter.com/MarcoBuschmann/status/1584447496126083073?cxt=HHwWgsDRv… | |
[4] https://twitter.com/igorpianist/status/1581330621284384769 | |
[5] https://twitter.com/TiloJung/status/1584216513015267329 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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