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# taz.de -- Der etwas andere Generationenkonflikt: Ich bin Legende
> Manchmal stellt man fest, man selbst steht auf der anderen Seite. Keine
> schöne Erfahrung, schreibt unser Autor.
Bild: Die Millenials sind so viel mehr als nur Digital Natives
Man muss ein bisschen vage bleiben, um diese Metapher ohne Spoiler zu
bringen, aber einen Versuch ist es wert: Es gibt jedenfalls so Horrorfilme,
in denen der oder die knapp überlebende Protagonist:in kurz vor Schluss
merkt, in Wirklichkeit zu „den anderen“ zu gehören – oder schlimmer, sel…
der oder die Böse zu sein. Literaturwissenschaftler:innen haben
wahrscheinlich ein schönes Wort dafür, aber für normale Menschen reicht es
wohl, kurz an einen x-beliebigen Film von M. Night Shyamalan zu denken
oder an Richard Mathesons „[1][I Am Legend“], einen der drei Romane also,
die man nun wirklich gelesen haben sollte.
Egal. Mir ist jedenfalls neulich in einem thrillermäßigen Schockmoment klar
geworden, dass ich ja einer dieser Millennials bin, von denen immer alle
reden. Eigentlich wollte ich nur eben gucken, ob es nicht doch möglich ist,
den allerdümmsten Artikel über „Generation Y am Arbeitsplatz“ zu finden.
Und stolperte in einem Erklärbär-Nebensatz plötzlich über das hier: „also
die ab 1981 Geborenen“.
Bis dahin war ich mit Herz und Kopf noch Generation X, hatte ja auch an die
„großen Erzählungen“ geglaubt, die richtige Musik gehört und war gegen
verschiedene Sachen sogar auch politisch engagiert gewesen. Gegen
Faschismus und das Vierte Reich zum Beispiel, aber auch gegen kleinere Übel
wie den Atomtod oder die Scheißfressen von der Jungen Union auf dem Land.
Und jetzt das: Millennial by birth 1982.
Dabei hatten sich spätestens seit [2][meinem Umzug raus aufs Land] Hinweise
verdichtet – wie eben in diesen Horrorgeschichten –, die ich aber einfach
nicht hatte sehen wollen. Allein schon diese Fastfoodfresserei aufzugeben
und Sport zu machen kommt mir bei Licht betrachtet sehr millennialistisch
vor. Wertkonservativer bin ich auch geworden und sogar grundsätzlich
bereit, mich konstruktiv an Diskussionen über die Mobilitätswende zu
beteiligen. Das aber eben auf Millennialart und nicht so radikal wie die
ganz Kleinen. Ich würde zum Beispiel niemals (nie!) einen Urlaubsflieger
voller Tourist:innen in die Luft sprengen oder [3][Kartoffelbrei auf
Bilderrahmen] werfen. Das finde ich falsch.
Ich bin ja auch nicht frei von Schuld. Immerhin ist es ganz ohne Auto
wirklich schwer auf dem Land. Und sogar ich habe in meinem Leben schon
Flugreisen unternommen. Zwei sogar: 1988 zwischen Bremen und Berlin, weil
mich die Kontrollen im Auto an der DDR-Grenze als Kind wohl irgendwie
belastet haben – und dann noch mal vor ein paar Jahren nach Prag, weil’s
mir geschenkt wurde. Ich bin also nicht frei von Schuld und gönne das
Rumgejette auch allen, die’s für ihre Bullshitjobs brauchen, ihre Urlaube
und Geschäfte.
Und genau das hätte mich eben misstrauisch machen müssen: diese zahnlose
Arroganz, alles besser zu wissen und dann doch nichts dagegen zu tun. Das
ist Millennialstyle. Der eigentliche Höhepunkt dieser Geschichte liegt
schon ein paar Monate zurück, als ich in Hamburg ein Gespräch über das
Fliegen mitanhören musste. „Wir sollten ja nicht mehr fliegen“, hatte
sich da eine Holzperlenkettendame echauffiert, „aber wir müssen uns doch
kennenlernen – uns begreifen.“ Und da dachte ich ganz kurz voller echtem
Hass: Ja, lasst bloß den Luftraum frei für Brigitte aus Altona, damit sie
die Welt kennenlernt. Und was begreift. Die hätte ich gerne mit Dosensuppe
beworfen und habe es dann eben doch nicht getan. Ich war zu feige, zu alt,
zu wertkonservativ, zu angepasst: wie wir Millennials eben so sind.
30 Oct 2022
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## AUTOREN
Jan-Paul Koopmann
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
Kolumne Speckgürtelpunks
Millennials
Schwerpunkt Fridays For Future
Kolumne Die Nafrichten
Jugend
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