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# taz.de -- Eiserner Vorhang erfolgreich begrünt: Ein Korridor für die Waldbi…
> Friedenssymbol und ausgezeichnetes Biotop: Das „Grüne Band“ entlang des
> ehemaligen Eisernen Vorhangs soll weiter wachsen.
Bild: Natur und Geschichte: Eiserner-Zaun-Gast im Biotop auf dem einstigen Tode…
In der Mitte Europas: An der Grenze zu Tschechien, [1][wo einst das Salz
von Bayern nach Böhmen transportiert wurde], präsentiert der BUND sein
Projekt „Quervernetzung Grünes Band“. Im Freilichtmuseum von Finsterau wird
dieses BUND-Projekt vom Bundesumweltministerium (BMUV) und vom Bundesamt
für Naturschutz (BfN) als eines der drei besten Best-Practice-Projekte der
UN-Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen in Deutschland
ausgezeichnet.
Hier bei Finsterau im Bayerischen Wald verlief der „Goldene Steig“, ein
Handelsweg, der Böhmen mit der Donau verband. Dabei mussten auf dem Weg
nach Passau der Mittelgebirgszug des Bayerischen Waldes und auf dem Weg
nach Linz der Mittelgebirgszug des Böhmerwaldes, tschechisch Šumava,
überquert werden. Der „Goldsteig“ ist heute ein vom Deutschen Wanderverband
ausgezeichneter Qualitätswanderweg. Er gehört zu den Top Trails of Germany
und zieht sich von Marktredwitz bis Passau.
Lange Jahre war der Grenzgang nach Tschechien bei Todesstrafe verboten. Der
Eiserne Vorhang hatte jahrhundertealte Verbindungen dieser einst belebten
Region gekappt. Genau hier an diesem Grenzstreifen beginnt das Grüne Band
Europa. Seit 2003 arbeiten 24 Länder daran.
Das Grüne Band wurde auf Initiative des BUND Naturschutz in Bayern e. V.
kurz nach dem Mauerfall 1989 zunächst für Deutschland ins Leben gerufen. Es
bezeichnet den Geländestreifen zwischen ehemaliger innerdeutscher Grenze
und den Grenzanlagen auf östlicher Seite. Der 1.393 Kilometer lange
Geländestreifen ist nur 50 bis 200 Meter breit. Er soll als Grüngürtel
erhalten bleiben. Von oben betrachtet schlängelt sich dieser schmale
Streifen an manchen Stellen wie ein grüner Wurm durch die angrenzenden
Felder intensiver Landwirtschaft.
Doch es ist der größte Biotopverbund Deutschlands. Auf seinen Flächen mit
den dazugehörigen über 150 Naturschutzgebieten kommen mehr als 1.200 in
Deutschland bedrohte Tier- und Pflanzenarten vor. Balzende Moorfrösche,
Warzenbeißer, Kiebitze.
## 500.000 Quadratmeter gesichert
Seit dem Projektstart [2][Quervernetzung Grünes Band] 2020 wurden
deutschlandweit rund 500.000 Quadratmeter Fläche durch Ankauf oder
langjährige Pacht gesichert. „Die Idee ist, das Grüne Band mit der
umgebenden Landschaft zu verbinden. Das Grüne Band als Rückgrat und davon
ausgehend naturbelassene Rippen“, sagt Tobias Windmaißer, Projektmanager
vor Ort.
Hier im Grenzgebirge mit seinen Wäldern, Mooren, Bergbächen und einstigen
Hochweiden ist die Querverbindung zum Nationalpark vielversprechend. Dieser
ist ohnehin ein Biodiversitäts-Hotspot.
Der Biologe Windmaißer führt angereiste Naturschützer und Gäste der
Preisverleihung zu einem vom BUND gepachteten Landschaftsstreifen hinter
Finsterau. Dort wurden Arnika und Teufelskralle angepflanzt,
Reptilienriegel für Kreuzotter und Bergeidechse angelegt. Fichten wurden
gefällt. Die alte Kulturlandschaft, beweidete Flächen, soll
wiederhergestellt werden und ein Biotopverbund für die genetische Vielfalt
der Waldbirkenmaus.
Die Flächen sind kleinteilig: manchmal steil, manchmal nass. „Man braucht
oft Spezialmaschinen, um diese zu bewirtschaften. Und dafür muss man erst
einmal jemand finden, der die Bewirtschaftung übernimmt und nicht allzu
weit weg wohnt“, sagt Windmaißer: „Sonst wird es teuer.“
Viele kleine Betriebe mit geeigneten Maschinen hätten aufgehört. „Wir
versuchen, möglichst viele Landwirte einzubinden und ihnen Aufträge zu
geben, damit sie mit der Bewirtschaftung weitermachen. Wir wollen Landwirte
und Landschaftspflege vernetzen. So passiert etwas in der Region.“
In der Nachkriegszeit dämmerte die Grenzregion abgeschieden zwischen Ost
und West dahin. Bis 1970 eine Pionierleistung den [3][Bayerischen Wald] zu
einem neuen Thema machte: Es entstand der erste deutsche Nationalpark.
Ausgetüftelt und propagiert hatten diese Idee der bekannte Frankfurter
Zoodirektor Bernhard Grzimek und Hubert Weinzierl, damals Vorsitzender des
Bundes Naturschutz (BUND) in Bayern. Erster Leiter des Nationalparks wurde
Hans Bibelriether, der sich engagiert der Verwirklichung internationaler
Schutzziele verschrieb.
## Der erste deutsche Nationalpark
Nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, erklärte Tschechien 1991 den
angrenzenden östlichen Teil des Waldes zum noch viel größeren Nationalpark
Šumava: ein Ansporn für Bayern, ab 1997 auch seinen Nationalpark
flächenmäßig zu verdoppeln. Gemeinsam ist dieses Gebiet heute das größte
zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas. Hinzu kam, dass mit dem
Niedergang der Holzwirtschaft und der Glaswarenindustrie, die hier mit
Marken wie Schott Zwiesel oder Nachtmann heimisch ist, als neuer
Wirtschaftsfaktor einspringen konnte.
Im Sommer sind es nun die Wanderwege, [4][im Winter die Loipen], die dieses
steinalte Gebirge im Dreiländereck von Deutschland, Tschechien und
Österreich verbinden. Langlauf ist eine Domäne des Bayerischen Waldes. In
den Statistiken hängen die hiesigen Dörfer die Alpengemeinden regelmäßig
ab, sowohl bei den kältesten Temperaturen wie bei der Dauer der
Schneebedeckung.
Der Nationalpark wirkt als Modernisierungsschub. Wie auch das Thema
Wellness: Wo der Luchs wieder jagt, mag man sich auch mit natürlicher
Kräuterkosmetik und entspannter Massage im guten Hotel verwöhnen lassen.
Hotels, die auf Wellness setzen, können sich über immer mehr Besucher
freuen.
Liana Geidezis ist seit 1998 Leiterin des BUND-Fachbereichs Grünes Band.
Die amtliche Auszeichnung ihrer Bemühung um Artenvielfalt hier im
Freilichtmuseum von Finsterau weiß sie zu schätzen. Sie freut sich über die
Anerkennung Best Practice für das Quervernetzungsprojekt, die auch „eine
offizielle Unterstürzung unseres Dauereinsatzes für eine Vision“ bedeutet.
„Was mich bei meinen jahrelangen Bemühungen für das Grüne Band am meisten
überrascht hat, war die positive Entwicklung auf europäischer Ebene. Und
dass wir erreicht haben, dass ab 2003 keine Bundesflächen mehr am
Grenzstreifen verkauft werden durften. Das waren immerhin 50 Prozent des
Grünen Bandes. Es war der Grundstein, dass das Grüne Band erhalten blieb.“
Ihr Ziel heute: das Grüne Band soll „Unesco-Weltnaturkulturebe“ werden.
„Der ehemalige Todesstreifen ist nicht nur als Biotop interessant. Er hat
einen wichtigen kulturhistorischen Hintergrund. Es gibt zwar die
Gedenkstätte Point Alpha in der Rhön oder das Grenzlandmuseum im Eichsfeld
zwischen Thüringen und Niedersachsen, aber die Kulturseite hätte sich
stärker engagieren können. Nicht nur Grenztürme sind verschwunden. Es
sollen nicht nur die Biotope erhalten bleiben, sondern auch die
Erinnerung“, sagt sie.
Wo einst der Schrecken herrschte, grünt neue Hoffnung. Hubert Weiger war
von Dezember 2007 bis November 2019 Vorsitzender des Bunds für Umwelt und
Naturschutz. Das Grüne Band ist auch sein Projekt. Als Gorbatschow 2002 die
Schirmherrschaft des Europäischen Grünen Bandes übernahm, war er wesentlich
beteiligt. Vom Nordkap über Finnland, Baltikum, Deutschland, Österreich,
Slowenien bis zum Schwarzen Meer – am Grünen Band wird überall in Europa
gebastelt. Auf 12.500 Kilometern entsteht ein Lebensraumverbund.
„Die Idee hat Fuß gefasst,“, sagt Weiger im Museum in Finsterau. “Es gibt
einen Verein zum Schutz des Grünen Bandes Europa. Und Initiativen in allen
Ländern. Und wir haben inzwischen eine ganze Reihe von
grenzüberschreitenden Nationalparks. Die EU unterstützt seit letztem Jahr
die Vernetzungsarbeit der Gruppen vor Ort finanziell.“
Weiger betont die Bedeutung des Grünen Bandes in Zeiten des Klimawandels
„als Wanderkorridor für Tiere, die auf kühlere und feuchtere Lebensräume
angewiesen sind“. Das Grüne Band hat zentrale Bedeutung nicht nur, um
vorhandene Lebensräume zu schützen, sondern als Wanderkorridor. Deshalb sei
die Quervernetzung wichtig.
## Grünes Symbol des Friedens
Seine Erfahrung sei, dass man mit dem Grünen Band nicht nur einen
Lebensraum für Tiere und Pflanzen schaffe, sondern auch für Menschen. „Das
Grüne Band hat die Menschen beiderseits der Grenzen zusammengeführt.
Austausch, gemeinsame Aktivitäten. Man wächst zusammen“, sagt Weiger.
Doch es ist ein empfindliches Friedenssymbol. „Russland und Finnland haben
im Naturschutz am Grünen Band hervorragend zusammengearbeitet“, weiß
Weiger. „Nach [5][Kriegsbeginn in der Ukraine] ist alles gestoppt, auf Eis
gelegt.“ Sehr aufmerksam verfolge hingegen Südkorea die Idee des Grünen
Bandes. Die demilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea hat viel
Ähnlichkeiten mit dem Grenzstreifen. Sie könnte auch dort zum
Friedenssymbol werden.
16 Oct 2022
## LINKS
[1] /Im-Grenzgebiet-des-Bayerischen-Walds/!5058221
[2] https://www.bund.net/gruenes-band/quervernetzung/
[3] /30-Jahre-Einheit-im-Bayerischen-Wald/!5716614
[4] /Bayerischer-Wald/!5579651
[5] /Odesa-Photo-Days-in-Hamburg/!5885033
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Umweltschutz
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