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# taz.de -- Gefährdete Menschen in Afghanistan: Viel zu spät
> Deutschland will monatlich 1.000 gefährdete Afghan*innen aufnehmen.
> Eine Reform des Ortskräfteverfahrens ist weiterhin nicht in Sicht.
Bild: Besonders gefährdete Afghan*innen sollen endlich nach Deutschland einrei…
Berlin taz | Es war lange angekündigt, wurde aber immer wieder verschleppt:
Besonders gefährdete Afghan*innen sollen nun Schutz in Deutschland
bekommen. Wie die beteiligten Ministerien am Montag mitteilten, haben sich
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesaußenministerin Annalena
Baerbock (Grüne) auf ein entsprechendes Bundesaufnahmeprogramm geeinigt.
Darüber sollen ab sofort monatlich 1.000 Menschen nach Deutschland kommen
können, die wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte oder ihrer Tätigkeit
für Justiz, Politik oder Medien in Gefahr sind oder die wegen ihrer
sexuellen Orientierung, ihres Geschlechts oder ihrer Religion verfolgt
werden.
„Vor allem Frauen und Mädchen rauben die Taliban seit letztem Sommer jede
Perspektive und Hoffnung, schränken ihre Rechte immer weiter ein, gehen
brutal gegen jede und jeden vor, die sich dagegen wehren“, erklärte
Baerbock am Montag. Besonders an sie richte sich das humanitäre
Aufnahmeprogramm.
Den Ministerien zufolge hat Deutschland bislang 26.000 Ortskräfte und
gefährdete Afghan*innen über humanitäre Visa aufgenommen.
Aufnahmezusagen haben aber rund 38.100 Afghan*innen. Ein
Bundesaufnahmeprogramm hatte die Ampelkoalition bereits im
Koalitionsvertrag versprochen, doch lange passierte nichts. Auch
Initiativen mehrerer Bundesländer für eigene Programme [1][bremste Faeser
zunächst aus].
## Für viele ist das Programm keine Rettung
Dabei ist die Lage in Afghanistan für die betroffene Zielgruppe seit dem
Abzug der internationalen Truppen und der Machtübernahme der Taliban fatal.
Im Oktober hatte die Bundesregierung einräumen müssen, dass mehrere Dutzend
Menschen mit Aufnahmezusage [2][inzwischen nicht mehr am Leben sind].
Für die vielen Menschen, die vor der Verfolgung durch die Taliban bereits
in Nachbarländer wie Pakistan oder den Iran geflüchtet sind, ist das neue
Programm keine Rettung. Denn in Betracht kommt nur, wer sich gegenwärtig in
Afghanistan aufhält. Zunächst soll über das Programm zudem nur evakuiert
werden, wer den meldeberechtigten Stellen bereits bekannt ist. Mit 1.000
Personen monatlich orientiert sich die Anzahl der Aufgenommenen an der
[3][Praxis der vergangenen Monate.] Man sehe „die große Belastung der
Kommunen durch die hohe Anzahl Geflüchteter, die wir in diesem Jahr bereits
aufgenommen haben“, erklärte Faeser.
„Unambitionierter und bürokratischer geht es kaum“, kritisierte die
fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger.
1.000 Plätze im Monat seien eine „enttäuschend niedrige“ Zahl. „Für vi…
Menschen, die in Afghanistan um ihr Leben und ihre Sicherheit bangen, wird
es so absehbar noch Monate oder gar Jahre dauern, bis sie eine
Aufnahmezusage für Deutschland bekommen können.“
Kritik kommt auch von grüner Seite: „Auch wenn jede einzelne Person zählt,
die aufgenommen wird, hätte ich mir einen größeren Umfang gewünscht, der
nicht in der Gesamtzahl begrenzt ist“, sagte der
Grünen-Bundestagsabgeordnete Julian Pahlke der taz. Das Programm hätte
„deutlich früher kommen müssen“, auch brauche es eine Erweiterung auf jene
gefährdeten Menschen, die bereits in die Nachbarländer geflohen seien.
Nachbesserungen am Programm müssten Teil der geplanten Evaluierung sein,
forderte Pahlke.
Grundsätzliche Kritik am Programm kam indes aus dem CSU-regierten Bayern.
Dass die Bundesregierung zusätzlich zu den bereits erteilten 38.000 Zusagen
noch mehr Menschen aus Afghanistan aufnehmen wolle, sei den Ländern und
Kommunen „nicht zumutbar und ein völlig falsches Signal“, monierte
Innenminister Joachim Herrmann.
Kein Wort verloren Faeser und Baerbock am Montag über die [4][versprochene
Reform des Ortskräfteverfahrens]. Noch immer harren mehrere Tausend
ehemaliger Ortskräfte trotz Aufnahmezusage in Afghanistan oder den
Nachbarländern aus. Hinzu kommen all jene, die durchs Raster fallen – zum
Beispiel, weil sie nicht direkt von der Bundeswehr angestellt waren. In
einem [5][FAQ zum Bundesaufnahmeprogramm] auf der Webseite des
Bundesinnenministeriums heißt es schlicht: Das Ortskräfteverfahren sei
„nicht beendet“ und werde „nach den bisherigen Kriterien fortgeführt“.
17 Oct 2022
## LINKS
[1] /Aufnahme-Gefluechteter-aus-Afghanistan/!5886494
[2] /Afghanistan-nach-Machtuebernahme-der-Taliban/!5886573
[3] /Afghanische-Ortskraefte-der-Bundeswehr/!5870801
[4] /Ein-Jahr-Afghanistan-unter-den-Taliban/!5871682
[5] https://www.bundesaufnahmeprogrammafghanistan.de/bundesaufnahme-de/bundesau…
## AUTOREN
Dinah Riese
Tobias Schulze
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