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# taz.de -- Eigenlob auf Twitter: Der Müller, der zum Aiwanger wurde
> Bayerns Vize-Ministerpräsident sorgt im Netz mal wieder für Aufregung.
> Mancher (t)wittert schon ein Doppelleben des Politikers.
Bild: Es wurde spekuliert, Aiwanger könnte noch weitere Twitter-Accounts bespi…
München taz | Mei, der Hubsi halt! In Bayern hat sich der stellvertretende
Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger längst einen ganz
eigenen Status erarbeitet. Trotz der politischen Bedeutung seiner Ämter
lässt man ihm manches durchgehen, was andere Leute den Ruf kosten würde. Es
ist wie beim Zwergpinscher, der den Dobermann auf der anderen Straßenseite
recht großmäulig ankläfft, solange er bei Herrchen an der Leine ist: Die
eine lacht, der andere ist genervt, aber so richtig ernstnehmen tut ihn
niemand. Und mit dieser Methode setzt Aiwanger schon seit vier Jahren seine
Karriere in der bayerischen Landespolitik recht ungeniert fort.
Beim Politischen Gillamoos holt er sich einen Winnetou-Darsteller auf die
Bierzeltbühne, allen „Anständigen“ empfiehlt er, ein Messer in der Tasche
zu haben. Und Aiwanger ist mit seinen Freien Wählern noch näher dran an den
Problemen der kleinen Leute im Freistaat und damit sogar noch ein bisschen
– gut, wir lehnen uns dann mal weit aus dem Fenster – populistischer als
die CSU.
Fettnäpfchen gegenüber hatte Aiwanger noch nie unnötige Betretungsängste.
Und in ein solches hat er sich nun wieder begeben. So jedenfalls die
aktuell naheliegende Betrachtungsweise. Auf Twitter freilich machen ganz
andere Tweet-Exegesen die Runde, wonach Aiwanger auf dem
Kurznachrichtendienst ein zwielichtiges Doppelleben führt.
Aber der Reihe nach: Am Donnerstagabend lieferte sich Aiwanger auf Twitter
ein kleines Wortgefecht mit dem Klimaforscher Christian Scharun. Der warf
dem Politiker vor, auf Bild TV „einen Quatsch nach dem nächsten
rauszuhauen“; Aiwanger wiederum hielt dem „Bub“ entgegen, nach vier Jahren
Forschung den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen. Zuvor allerdings
schrieb er Scharun recht unvermittelt: „Herr Aiwanger, wir bräuchten mehr
Politiker wie sie, mit Verstand und Pragmatik. Mit dem Ohr am Bürger. und
nicht wie viele andere weltfremd im Wolkenkuckucksheim! Sie sind ein
Kämpfer und haben sich ihren Posten als bayr. Wirtschaftsminister hart
erarbeitet gegen Widerstände!“
Wie meinen? Warum wechselt Aiwanger plötzlich in einen inneren Monolog, der
auch noch vor Selbstlob nur so strotzt? Der Verdacht war schnell in der
Welt: „Hoppla, haben Sie vergessen für das Eigenlob auf ein
Sockenpuppen-Konto zu wechseln, Herr Aiwanger?“ fragte ein anderer
Twitternutzer, und schnell war für viele klar: Hubert Aiwanger ist niemand
anderes als Peter Müller. Und um keinem Peter Müller zu nahe zu treten, sei
präzisiert: Gemeint ist @PeterMl64582938. Es wurden Screenshots von
früheren Müller-Tweets rumgereicht und kommentiert – in der Annahme, man
habe es hier mit O-Ton Aiwanger zu tun. Es wurde spekuliert, Aiwanger
könnte noch weitere Twitter-Accounts bespielt haben, in denen er sich
selbst Beifall klatschte.
Und schließlich schaltete sich auch noch Bayerns Grünen-Chef Thomas von
Sarnowski in die Diskussion ein und forderte: „Die Menschen in Bayern haben
ein Recht zu erfahren, in welchem Verhältnis Hubert #Aiwanger zu Peter
Müller steht. Er sollte sich dazu erklären.“
Tat dieser denn auch am Freitagvormittag. Unter dem Hashtag Aiwanger
postete er einen Screenshot einer Antwort, die Müller ihm tags zuvor auf
einen Tweet gegeben hatte und vermeldete dazu: „damit es jetzt alle
kapieren können die es kapieren wollen, wo der Text herkommt“. Der
vermeintliche oder echte Müller hatte genau jene monierte Lobeshymne
abgesetzt. Sprich: Aiwanger wollte nur auf Scharuns Kritik hin
dokumentieren, dass andere seine Kompetenz anders bewerteten als der
Forscher. Dazu habe er Müllers Worte weitergeleitet – allerdings
kommentarlos und ohne Anführungsstriche. „Viele von denen, die mir einen
Zweitaccount andichten wollen“, schob Aiwanger noch nach, „haben
wahrscheinlich selbst einen. Ich hab keinen.“
Der Nachrichtenagentur dpa sagte Aiwanger noch, es sei abwegig anzunehmen,
dass er einen Zweitaccount habe. „So etwas würde ich nie machen.“ Der
Politiker sprach von einer „künstlichen Aufregung“. Aber diese zeige, „m…
welchen Bandagen da mittlerweile auf Twitter gekämpft wird“.
Dass Aiwanger tatsächlich Müller ist, darauf deutet nach dem jetzigen Stand
der Dinge tatsächlich nicht viel hin. Ein Blick in die Müller’sche Timeline
zeigt, dass der Mann, der bei Twitter seit knapp einem Jahr angemeldet ist,
erst seit etwa einer Woche intensiv in verschiedenen Diskussionen
mitmischt. Umfang und Art seiner Kommentare lassen es wenig plausibel
erscheinen, dass ein Wirtschaftsminister einen solchen Account zum
Zeitvertreib bespielt. Zumal Aiwanger nicht nur mit seinen ministeriellen
Verpflichtungen ausgelastet sein dürfte: Auch sein eigener Twitter-Account
dürfte einiges an Zeit fressen.
Und um mal übers Ziel hinauszuschießen, benötigt Aiwanger auch gar keine
weiteren Identitäten. Am Bundestagswahlsonntag 2021 sah sich sogar der
Bundeswahlleiter zu einer Prüfung veranlasst, [1][als Aiwanger noch vor
Schließung der Wahllokale vermeintliche Wahlprognosen in die Welt
hinaustwitterte]. Konsequenzen hatte die Sache dann aber keine. Der Hubsi
halt!
30 Sep 2022
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[1] /Aerger-um-Freien-Waehler-Chef/!5800455
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Hubert Aiwanger
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