# taz.de -- Trockenheit in den Niederlanden: Mangel an Trinkwasser droht | |
> Die Trockenheit ist vorbei, ihre Folgen noch längst nicht: Die | |
> Wasserversorger der Niederlande schlagen Alarm und fordern sofortiges | |
> Eingreifen. | |
Bild: Nicht nur Häfen sind von der Trockenheit betroffen | |
AMSTERDAM taz | Das niederländische Trinkwassersystem droht in absehbarer | |
Zeit die Grenzen seiner Kapazitäten zu erreichen. Davor warnt die | |
Vereinigung der Wasserversorgungsunternehmen in den Niederlanden (Vewin) in | |
einer Anfang dieser Woche veröffentlichten Analyse. Ohne zusätzliche | |
Maßnahmen könnte dem Land, das weltweit für sein Wassermanagement bekennt | |
ist, innerhalb weniger Jahre ein [1][Mangel] an Trinkwasser bevorstehen. | |
“Alle finden es selbstverständlich, dass Wasser aus dem Kran kommt. Aber | |
dem ist nicht so. Und das ist besorgniserregend“, zitiert das NRC | |
Handelsblad den Vewin-Vorsitzenden Peter van der Velden. | |
Noch vor 2030, heißt es in dem Dokument, müssen alle zehn Betriebe | |
zusätzliches Wasser produzieren, anders könnten sie ihrer gesetzlichen | |
Pflicht der Trinkwasserversorgung nicht nachkommen. Wie brisant die | |
Situation ist, zeigt die Tatsache, dass drei der Betriebe bereits jetzt auf | |
zusätzliche Quellen oder Produktionsweisen von Trinkwasser angewiesen sind: | |
Waterbedrijf Groningen im Norden, Dunea im Westen der Provinz Süd- Holland | |
sowie Vitens, aktiv in mehreren Provinzen im Norden und Osten des Landes. | |
Gefordert wird daher, die bestehenden Quellen von Trinkwasser besser zu | |
schützen und neue Quellen zu erschließen. Wasserbetriebe bräuchten | |
zusätzliche Lizenzen für die Gewinnung, zudem müsste in neue Kapazitäten | |
für Produktion, Säuberung und Verteilung investiert werden. | |
Ursachen für die drohende Notlage sind Trockenheit, die den | |
Grundwasserpegel senkt, Versalzung, Verschmutzung sowie die stetig | |
wachsende Nachfrage durch Bevölkerungswachstum, Wirtschaft und die | |
Ausbreitung von Städten. Mit besonderer Sorge verweist das Dokument hier | |
auf die Pläne der Regierung, bis 2030 900.000 [2][Wohnungen] zu bauen. Eine | |
Karte zeigt, dass deren vorgesehene Standorte häufig mit den Regionen | |
übereinkommen, in denen im selben Zeitraum Maßnahmen erforderlich sind, um | |
die Sicherheit von Trinkwasser zu gewährleisten – ein Problem, auf das die | |
Wasserversorgungsunternehmen schon vorher hinwiesen. | |
## Verschmutzung beeinträchtigt Trinkwasserqualität | |
Das Beispiel zeigt, wie eng das Thema Trinkwasser grundsätzlich mit Fragen | |
der räumlichen Ordnung und, im speziellen Fall der Niederlande, mit der | |
seit Langem schwelenden Wohnungskrise zusammenhängt. Hinzu kommt das | |
komplexe Verhältnis, in dem aktuelle und zukünftige (Grund-) Bedürfnisse | |
zueinander stehen. “Kurzfristige Engpässe“ müssten daher auf eine Art | |
behoben werden, die in die “langfristig gewünschte Transition des Wasser- | |
Systems“ passen, was die Wasser-Betriebe vor ein Dilemma stelle. | |
Ausdrücklich gewarnt wird auch davor, dass zukünftigen Generationen durch | |
landwirtschaftliche und industrielle Verschmutzung womöglich schlechtere | |
Trinkwasserqualität bevorstehe. | |
Regional ist dieses Problem durchaus schon an der Tagesordnung. Der im | |
Südwesten des Landes aktive Wasserversorger Evides etwa gewinnt sein | |
Trinkwasser zu 90 Prozent aus dem Oberflächenwasser der Maas sowie dem | |
Binnenmeer Haringvliet. Durch die jüngste Trockenperiode habe die Qualität | |
abgenommen, denn in einem Fluss mit niedrigem Wasserstand seien darin | |
verklappte verschmutzende Stoffe extra schädlich, so Managerin Maaike van | |
de Ven im Sender Omroep Zeeland. | |
In der benachbarten Provinz Nord-Brabant präsentierte eine eigens | |
eingerichtete Kommission Mitte September einen Bericht namens “Zonder water | |
geen later (´Ohne Wasser kein Später`)“. Sie ruft zu einem radikalen und | |
umgehenden Bewusstseinswandel bei Bürger*innen und Betrieben auf, um | |
2040 über ausreichend Grundwasser zu verfügen. | |
## Ein strukturelles Problem | |
Die Vewin-Analyse unterstreicht nun, dass Trockenheit und ihre Folgen | |
selbst in einem so wasserreichen Land wie den Niederlanden längst kein rein | |
saisonales Problem mehr sind, sondern strukturell. Dass es nach dem | |
dramatischen monatelangen Niederschlagsmangel dieses Sommers derzeit | |
ausgiebig regnet, ändert daran nichts. | |
Das Gleiche gilt für die Ankündigung des Ministeriums für Infrastruktur und | |
Wasserwirtschaft von letzter Woche: die Anfang August ausgerufene Warnstufe | |
2 – “tatsächlicher Wassermangel“ – wurde auf Stufe 1 – “drohender | |
Wassermangel“ zurückgefahren. Das seither im Einsatz befindliche | |
“Managementteam Wassermangel“ ist damit nicht weiter aktiv, wie Minister | |
Mark Harbers dem Parlament schriftlich mitteilte. | |
29 Sep 2022 | |
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[1] /taz-Serie-Nah-am-Wasser/!5876710 | |
[2] /Wohnungskrise-in-den-Niederlanden/!5809311 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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