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# taz.de -- Sabotage der Bahn: Fragiles Netz
> Ein mutmaßlicher Sabotageakt hat den Zugverkehr in Norddeutschland
> lahmgelegt. Jetzt entbrennt eine Debatte um den Schutz kritischer
> Infrastruktur.
Bild: Nichts los am Samstag: Ein verwaister Bahnsteig in Hannover
BERLIN taz | Kaum hatte die Bahn am Samstag bekannt gegeben, dass die
Zugausfälle in Norddeutschland [1][auf einer „Sabotage“ beruhten],
entbrannte die Debatte erneut. Wie sicher ist Deutschlands [2][kritische
Infrastruktur]? Grünen-Chef Omid Nouripour fordert prompt, den Schutz der
Infrastruktur „strukturell und finanziell besser aufzustellen“. Die
bisherigen Mittel „reichen nicht aus“. Auch FDP-Bundesvorstandsmitglied
Franziska Brandmann plädierte für eine „konstruktive Zusammenarbeit aller
Demokraten, um unser Land angesichts solcher Angriffe resilient und
wehrhaft zu machen“.
Am Samstagvormittag hatte die Bahn zunächst eine „Zugfunkstörung“
mitgeteilt und den Bahnverkehr in Niedersachsen, Hamburg, Bremen und
Schleswig-Holstein [3][weitgehend eingestellt]. Betroffen waren neben dem
Personen- auch der Güterverkehr. Später sprach die Bahn von „Sabotage“ an
Kabeln, die für den Zugverkehr „unverzichtbar“ seien.
Nach taz-Informationen waren im Berliner Ortsteil Karow und im
nordrhein-westfälischen Herne Signalkabel durchtrennt worden, die für die
digitale Funkkommunikation zwischen den Leitstellen und den
Zugführer:innen, Bahnbegleiter:innen und Stellwerken unverzichtbar
sind. Gegen Mittag lief der Zugverkehr schließlich wieder an, es kam aber
noch zu Verzögerungen.
Die Bundesregierung positionierte sich da bereits klar. „Die Bahn war heute
Ziel eines Anschlags“, erklärte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Die
Kabel seien „mutwillig durchtrennt“ worden, es handele sich um gezielte
„Sabotageakte“. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, man
müsse von „vorsätzlichen Taten“ ausgehen. Bundesjustizminister Marco
Buschmann (FDP) sprach ebenso von einem „Sabotageakt“. Und betonte: „Soll…
es einen verfassungsfeindlichen Hintergrund geben, wird der
Generalbundesanwalt ermitteln.“
## Die Motivlage bleibt weiter offen
Doch die genauen Hintergründe der Tat blieben auch am Sonntag unklar.
Ermittelte zunächst die Bundespolizei, übernahm am Samstagabend in Berlin
der Staatsschutz des Landeskriminalamts, der für politische Straftaten
zuständig ist. In Nordrhein-Westfalen wurde das Polizeipräsidium Bochum
eingebunden. Ermittelt werde aber weiter in alle Richtungen, betonte eine
Sprecherin der Berliner Polizei.
So hatten in der Vergangenheit wiederholt [4][militante Linksradikale
Bahnkabel attackiert], aus Protest gegen den G20-Gipfel oder gegen die
deutsche Beteiligung am Afghanistankrieg. Anders als diesmal wurden damals
aber Brandsätze eingesetzt, auch fehlt jetzt ein Bekennerschreiben.
In der AfD wurde derweil gemutmaßt, dass Gegner:innen ihrer
[5][Großdemonstration am Samstag] in Berlin hinter dem Angriff steckten.
Auf der anderen Seite hatten zuletzt auch [6][radikalisierte Querdenker]
offen über Angriffe auf Strommasten und kritische Infrastruktur räsoniert.
In Sicherheitskreisen wurde zunächst darauf hingewiesen, dass es durchaus
Insiderwissen brauche, um von diesen beiden neuralgischen Kabelstellen zu
wissen. Zudem seien die Kabel mit Betondeckeln besonders gesichert und
nicht ohne Weiteres zugänglich gewesen. Am Sonntag aber hieß es wieder,
alle Möglichkeiten seien offen, auch schlicht versuchte Kabeldiebstähle.
Eine politische Motivation sei nicht ausgeschlossen, hieß es etwa von
Sicherheitsbehörden aus NRW. Derzeit habe man aber auch keine Erkenntnisse,
die darauf hindeuten würden.
## Streit über Schutz für kritische Infrastruktur
Daneben lief die [7][Debatte über den Schutz kritischer Infrastruktur] in
Deutschland aber bereits wieder auf Hochtouren – wie schon nach den
mutmaßlichen Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines. Nur diesmal mit der
Bahn im Fokus.
„Sicherheit ist für die Deutsche Bahn oberstes Gebot“, erklärte am Sonntag
ein Bahnsprecher der taz. Dazu gehöre auch der Schutz sensibler
Infrastrukturanlagen wie Gleise, Bahnhöfe, Signale oder
Telekommunikationsanlagen. Man befinde sich dafür „im engen
Schulterschluss“ mit den Sicherheitsbehörden. Zentral seien die rund 4.300
Sicherheitskräfte der Bahn, die mit 5.500 Beamten der Bundespolizei
zusammenarbeiteten. Sicherheitsteams würden die Infrastruktur
„systematisch“ kontrollieren. Gleichzeitig räumte der Sprecher ein, dass
bei 34.000 Kilometern Streckennetz „eine lückenlose Überwachung nicht
umsetzbar ist“.
Wissing sagte dazu nur, die Infrastruktur sei für Deutschland
„unverzichtbar“, es gebe dafür „hohe Sicherheitsstandards“. Andere hab…
daran Zweifel. Vor allem die Grünen pochen auf mehr Schutz. „Auch wenn die
Hintergründe der Tat noch unklar sind, ist offensichtlich, dass die
kritische Infrastruktur in Deutschland ein Sicherheitsrisiko ist“, sagte
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz am Sonntag der taz. „Das müssen
wir dringend ändern. Es braucht endlich profunde Sicherheitsanalysen, klare
Zuständigkeiten und ausreichend finanzielle Mittel. Denn das Thema wird uns
noch sehr lange begleiten.“
Die Grünen forderten erneut, Mittel aus dem 100 Milliarden Euro schweren
Sondervermögen Bundeswehr auch für den Schutz der kritischen Infrastruktur
zu verwenden – was an der Union gescheitert war. Und was diese auch am
Sonntag zurückwies. Geld für die Sicherheit kritischer Infrastruktur müsse
aus dem regulären Haushalt kommen, erklärte dort Fraktionsvize Johann
Wadephul. seine Co-Fraktionsvize Andrea Lindholz forderte zudem mehr Geld
für die Bundespolizei und „sofort einen Sicherheits-Check aller sensiblen
Bahnanlagen“. „Von einem Betondeckel darf nicht die Mobilität der halben
Republik abhängen.“
Die SPD blieb vorerst zurückhaltend. Der Staat könne nicht für die
Sicherheit der gesamten kritischen Infrastruktur zuständig sein, sagte ihr
Innenexperte Uli Grötsch der taz. Ob dies für die Bahn zu gelten habe,
müsse nun besprochen werden. Wichtig aber wäre, dass die Bundesanwaltschaft
die Ermittlungen zu dem Vorfall übernehme, um ein politisches Motiv genau
zu prüfen.
## Kommt ein Dachgesetz?
Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag auch ein Dachgesetz für die
kritische Infrastruktur vereinbart, in dem klarere Zuständigkeiten für die
Sicherheit festgehalten sind. Bisher legte Innenministerin Faeser dafür
aber keinen Gesetzentwurf vor. Dabei hatte die Sozialdemokratin bereits
nach den Nord-Stream-Lecks dem Schutz der kritischen Infrastruktur „höchste
Priorität“ eingeräumt. Bereits seit Monaten gebe es „eine abstrakte
Gefährdung“. Ihre Forderung: „Starke Sicherheitsbehörden mit den
notwendigen Mitteln und Befugnissen.“
10 Oct 2022
## LINKS
[1] /Signalkabel-durchtrennt/!5886558
[2] /Sabotage-im-Krieg/!5884176
[3] /Signalkabel-durchtrennt/!5886558
[4] /Bundesweite-Anschlaege-auf-Bahnkabel/!5422726
[5] /AfD-Demo-und-Gegendemos-in-Berlin/!5886557
[6] /Radikalisierung-einer-Bewegung/!5763377
[7] /Infrastruktur-Experte-ueber-Bahn-Sabotage/!5884459
## AUTOREN
Konrad Litschko
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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