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# taz.de -- Urteil gegen Antifaschistin: Beleidigter Tom Schreiber
> Eine linke Demonstrantin wird wegen Beleidigung des SPD-Politikers
> verurteilt. Dass es diese tatsächlich gab, ist jedoch fraglich.
Bild: Immer im Kampf gegen links: Tom Schreiber
Berlin taz | Als der Prozess zu Ende ist, steht die eben verurteilte junge
Frau auf dem Flur des Amtsgerichts Tiergarten und weint. Sie hatte darauf
plädiert, unschuldig zu sein, und kann den Spruch des Richters nicht
verstehen. Eine der Omas gegen Rechts nimmt sie in den Arm und tröstet sie;
auf der Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 Euro bleibe sie nicht alleine
sitzen, so der Trost.
Doch das Unverständnis über den Urteilsspruch bleibt. Staatsanwältin und
Richter sahen es als erwiesen an, dass die Angeklagte auf einer
antifaschistischen [1][Kundgebung gegen den Landesparteitag der AfD im Juni
2021] den SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber beleidigt haben soll. Doch der
Verlauf des Prozesses hatte Zweifel an dem Vorwurf aufkommen lassen. Mit
Verlesen des Urteils entlud sich dann die Enttäuschung im Publikum. Unter
„Schäm dich“-Rufen in Richtung des Richters verließen die etwa zehn
Unterstützer:innen den Saal.
Zu Prozessbeginn hatte die Angeklagte eine Erklärung verlesen und die
Beleidigung abgestritten. Schreiber, in der linken Szene wegen seiner
feindlichen Haltung etwa gegenüber den Autonomen der Rigaer Straße wenig
gelitten, sei ihr vorher nicht bekannt gewesen. Erst auf der Versammlung
habe sie von ihm gehört und nicht verstanden, wieso er nicht ebenso wie die
Jusos mit ihnen für Weltoffenheit demonstriere, sondern mit einer
kugelsicheren Weste hinter der Polizei stehe. Dies habe sie als „absurd“
empfunden.
Von vier geladenen Polizisten schilderten drei die vermeintlich persönlich
an Schreiber gerichtete Beleidigung als „SPD-Nazi“ und „Hundesohn“. Auf
einem Polizeivideo jedoch war die Angeklagte nur mit dem zweiten Begriff
festgehalten, der nach ihrer Aussage jedoch einem Polizisten gegolten
hatte.
## Schreiber verwirrt
Auch der Abgeordnete selbst, mit zwei Justizbeamten erschienen, hielt an
der Darstellung fest, als „Nazi“ betitelt worden zu sein. Ob von der
Angeklagten oder von zwei weiteren Personen, die er ebenfalls an dem
Nachmittag angezeigt hatte, vermochte er aber nicht zweifelsfrei zu sagen.
Im Gegenteil: Seine Erinnerung, die Beleidigung sei aus einer Gruppe heraus
und durch ein Megafon getätigt worden, war durch das Videomaterial nicht
gedeckt. Zu hören war gewesen: „Geh doch zu deinen Nazifreunden.“
In die bis dato völlig friedliche Kundgebung des Bündnisses „Kein Raum der
AfD“ mit lediglich 30 bis 40 Teilnehmenden stürmte die Polizei im Zuge der
Ereignisse mehrfach hinein. Dabei wurden mehrere Personen erheblich
verletzt, der Veranstalter brach die Versammlung schließlich ab, weil die
Sicherheit nicht mehr gewährleistet sei. Zu diesem Einsatz und mehreren
Vorwürfen des Widerstands äußerte sich Schreiber, der den Einsatz als
Abgeordneter beobachtete nicht.
Verteidiger Peer Stolle, der auf Freispruch plädiert hatte, zeigte sich
hernach konsterniert: „Ich hätte erwartet, dass sich Tom Schreiber mehr
Mühe gibt“, sagte er, und: „Polizisten wird vor deutschen Gerichten immer
und oft ungerechtfertigt geglaubt.“ Dabei sei schon in einem anderen
Prozess von jenem Nachmittag ein Mandant vom falschen Vorwurf des
Widerstands freigesprochen worden, den Polizisten erhoben hatten. Was nun
bleibt, ist eine Berufung vor dem Landgericht.
10 Oct 2022
## LINKS
[1] /Klage-gegen-Polizei-Berlin/!5851267
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Repression
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