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# taz.de -- Belarussen im Exil: Jenseits von Krieg und Katastrophe
> Unsere Autorin hilft verfolgten Belarussen bei der Flucht. Sie hoffen,
> dass mit dem Sieg der Ukraine auch in Belarus die Diktatur endet.
Bild: Krakau, Polen, 9. August 2022: Solidarität mit den Gefangenen in Belarus
„Belarussen, wacht auf, von eurem Staatsgebiet werden Raketen
abgeschossen!“, rief der ukrainische Präsident Selenski im Februar den
Menschen in Belarus zu. Aber man bedenke, dass das Land von einem
autoritären Regime beherrscht wird.
Ich arbeite für eine Stiftung, die politisch verfolgten Belarussen hilft.
Sie werden organisiert aus einem Land gebracht, in dem es weder
Kampfhandlungen noch Katastrophen gibt. Das funktioniert in der Regel so:
Ein Mensch oder eine Familie verlässt das Haus mit einem Handy und einem
Rucksack, in den sie ihr gesamtes Leben gepackt haben, ein Mitarbeiter der
Stiftung erklärt ihnen Schritt für Schritt, wohin sie zu gehen haben.
Einige Grenzen später sind die Leute schließlich in Sicherheit. Sie müssen
dann ihr Leben ganz von vorn beginnen, in einem neuen Land, nur mit dem
Wertvollsten von allem: der Freiheit.
Öffentlich zu machen, wie das vor sich geht, ist verboten. Ich schreibe
hier nur über die erfolgreichen Fälle. Hier einige Beispiele: Ruslan ist
Unternehmer. Während seines Wehrdienstes wurde er an die
belarussisch-ukrainische Grenze beordert. Sie gaben ihm eine Waffe und
wiesen ihn an, „Wache zu halten“. Aber der junge Mann desertierte von
seinem Posten, er wollte nicht in diesen Krieg verwickelt werden. Einen
Monat saß er dafür in Untersuchungshaft. Dann wandte er sich an die
Stiftung und konnte nach Georgien fliehen.
Irina ist Gynäkologin, mit dreißig Jahren Berufserfahrung. Gegen sie wurden
mehrere Strafverfahren eingeleitet, nachdem sie an einer Protestdemo
teilgenommen hatte. 2022 wurde ihr klar, dass sie bald inhaftiert würde.
Wie durch ein Wunder konnte sie Belarus verlassen, versteckte sich drei
Monate mit Ukrainern in einem Flüchtlingslager. Jetzt arbeitet sie in Polen
als Ärztin.
## Im Geheimen mit der Ukraine
Oft liest man, dass Belarussen eine „Sklavenmentalität“ hätten. Aber
folgende Zahlen zeichnen ein anderes Bild: In den Gefängnissen des Landes
gibt es aktuell 1.276 politische Gefangene. In den letzten zwei Jahren
wurden mehr als 11.000 Urteile gegen ganz normale Menschen wegen
„Extremismus“ verhängt, aber nicht ein Urteil gegen Silowiki, also
Einsatzkräfte der Armee oder des Geheimdiensts.
Jeden Tag gehen die Verbrechen gegen das Volk weiter. Erst in diesem Monat
wurde eine Sängerin, die ein ukrainisches Lied gesungen hatte, 15 Tage lang
inhaftiert. In der Stadt Gomel wurde ein Teenager zu drei Jahren Straflager
verurteilt, weil er Bewegungen russischer Militärtechnik gefilmt hatte.
[1][Vor diesem Hintergrund erwägt nun Litauen, seine Grenze auch für
Belarussen dichtzumachen].
Dabei sind viele Belarussen im Geheimen davon überzeugt, dass der Sieg der
Ukraine über den Aggressor unser gemeinsamer Sieg über die Diktatur sein
wird. Lasst uns zusammen dafür arbeiten.
Aus dem Russischen [2][Gaby Coldewey]
Das Tagebuch wird finanziert von der [3][taz Panter Stiftung].
Ein Sammelband mit den Texten ist unter dem Titel „Krieg und Frieden. Ein
Tagebuch“ Anfang September im Verlag [4][edition.fotoTAPETA] erschienen und
kostet 10 Euro.
22 Sep 2022
## LINKS
[1] /Grenzzaun-an-europaeischer-Aussengrenze/!5878366
[2] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[3] https://shop.taz.de/product_info.php?products_id=245248
[4] https://www.edition-fototapeta.eu/
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Kolumne Krieg und Frieden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Belarus
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Alexander Lukaschenko
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