# taz.de -- Fluchtziel Georgien: Belarussische Insel der Sicherheit | |
> In der georgischen Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer treffen sich | |
> geflüchtete Belarussen, Ukrainer und Russen – und verstehen sich bestens. | |
Bild: Batumi am Schwarzen Meer – Insel der Sicherheit | |
Seit September 2021 lebe ich in Batumi. Ich kam damals aus dem | |
herbstlich-kalten Belarus in eine Stadt, in der man bis Neujahr im Meer | |
baden konnte. Außer viel Sonne gibt es hier auch tropische Regenfälle, | |
Erdbeben, Schnee unter Palmen und viele Bekannte. Die Georgier witzeln, | |
dass durch den ständigen Zuzug von Belarussen auch Kälte ins Land gebracht | |
wurde. | |
Ich fühle mich hier zu Hause und habe keine Angst, dass sie mich „holen“ | |
könnten, denn ich arbeite als Journalistin. Batumi ist nicht einfach nur | |
ein Kurort, sondern wirklich eine Insel der Sicherheit. Wenn ich hier am | |
Strand spazieren gehe, treffe ich [1][Kollegen aus Charkiw, Sibirien, | |
Sotschi und aus ganz Belarus]. Ich begrüße sie dann, umarme sie, verabrede, | |
dass wir uns mal treffen. Es sind Aktivisten oder Menschen, die vor dem | |
Krieg geflüchtet sind. | |
Batumi – das ist, wenn man sich einen Kaffee holt und weiß, dass der Laden | |
von einem Belarussen eröffnet wurde. Oder wenn man ein Interview mit dem | |
Kurator eines Hilfsfonds für die Ukraine macht und sich herausstellt, dass | |
der ein Verwandter eines Minsker Programmierers ist, [2][der in seiner | |
Wohnung von KGB-Leuten ermordet wurde.] | |
Oder wenn man auf der Straße einen Marathon für die Ukraine sieht. Und dann | |
erfährt, dass der Organisator ein Mann aus Minsk ist, über den man gerade | |
einen Artikel geschrieben hat. Er musste das Land sehr plötzlich verlassen, | |
weil sie ihn holen wollten. | |
Oder wenn man zu einem Kurs übers Bloggen geht. Und dort erfährt, dass der | |
Kursleiter früher [3][im Stab der belarussischen Präsidentschaftskandidatin | |
Swetlana Tichanowskaja war]. Weil er damals Videos produziert hatte, steht | |
der Mann jetzt auf internationalen Fahndungslisten. | |
Ich treffe hier erstaunliche Menschen. Zum Beispiel das Mädchen Sascha. Sie | |
hatte für ein bekanntes Internetportal einen Videokommentar über Alexander | |
Lukaschenko abgegeben. Dann verließ sie Minsk, denn für diesen Kommentar | |
hätte man sie verhaften können. Sascha sehnte sich nach ihrem Land. Sie | |
besuchte einen Kurs zur Schmuckherstellung und ihre ersten eigenen | |
Schmuckstücke hatten die Form einer belarussischen Landkarte mit einer | |
Träne darin. | |
Jetzt hat sie ihre eigene Schmuckwerkstatt und Kunden in der ganzen Welt. | |
Ein Prozent ihres Gewinns spendet sie dem belarussischen | |
Kalinowski-Bataillon und den ukrainischen Streitkräften. Ihre Ringe mit | |
den Umrissen der Ukraine tragen sogar Angelina Jolie und Swetlana | |
Tichanowskaja. | |
Oder ich laufe über einen Platz. Dort gibt es fast jeden Tag | |
Solidaritätsaktionen. Gleich nach ihrer Ankunft waren das zunächst nur | |
Belarussen, dann schlossen sich Ukrainer und Russen an. Jetzt ist es eine | |
Zusammenarbeit aller Nationen „Für den Frieden“. Wir glauben alle an das | |
Gute und wir alle tragen, so gut wir können, unseren Teil zum Sieg bei! | |
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey] | |
Finanziert wird das Projekt von der [5][taz Panter Stiftung]. | |
Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA | |
im September heraus. | |
19 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Olga Deksnis | |
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