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# taz.de -- Journalismus in Belarus: Eingesperrt, blockiert, verboten
> Ein Regimegegner stirbt bei einem Schusswechsel, kritische
> Berichterstattung wird unterbunden. Olga Deksnis erzählt vom Leben in
> Minsk in stürmischen Zeiten. Folge 106.
Bild: Mitarbeiter*innen der Komsomolskaya Pravda vor dem Gefängnis Minsk, Sept…
2011 habe ich die einjährige Journalistenschule des „Belarussischen
Journalistenverbandes (BAJ)“ (eine Nichtregierungs-Organisation, u.a. mit
dem Ziel, die Pressefreiheit zu gewährleisten; Anm. d. Redaktion)
abgeschlossen. Danach kam ich in die Redaktion der Komsomolskaja Prawda in
Belarus (die Zeitung ist eine regionale Ausgabe der russischen
Komsomolskaja Prawda; Anm. der Redaktion) einer Zeitung, bei derviele gerne
arbeiten wollten.
Dort habe ich meine erste Recherche im Bereich „selbst ausprobiert“ gemacht
und zwei Monate in einem vietnamesischen Café gearbeitet. Aufgrund der so
aufgedeckten Probleme wurden 27 von 31 Filialen dieser Kette geschlossen.
Das war meine Meinungsfreiheit. Jetzt ist alles anders. Und journalistische
Arbeit ist gefährlich geworden.
Kürzlich erschien auf dem online-Portal der Komsomolskaja Prawda ein
Artikeldes (belarussischen) Journalisten Gennadi Mosheiko [1][über den
Programmierer Andrei Selzer, der in einer Schießerei mit einem
KGB-Mitarbeiter starb.] Unbekannte Männer waren gewaltsam in die Wohnung
des Mannes eingedrungen wie bei einem gefährlichen Kriminellen. In der
Folge starben der Mitarbeiter des Staatsapparates sowie der
Wohnungsinhaber. Selzer hatte zuvor lediglich ein paar Kommentare mit
weiß-rot-weißer Symbolik (der belarussischen Opposition; Anm. der
Redaktion) in den sozialen Netzwerken gepostet.
Der Journalist Mosheiko wurde in Moskau festgenommen und nach Minsk
gebracht (jetzt sitzt er in Untersuchungshaft in Shodino). Die Machthaber
blockierten die Website der Zeitung und das Informationsministerium
entschied, die Redaktion der Zeitung in Belarus „aus Sicherheitsgründen“ zu
schließen. (Die Printausgabe der Komsomolskaja Prawda war schon 2020
verboten worden; Anm. der Redaktion)
## 130 Menschen festgenommen
Jetzt drohen Mosheiko zwei Strafverfahren: wegen Schüren von Hass und wegen
Beleidigung von Vertretern der Staatsmacht. Obgleich sein Artikel in seiner
ursprünglichen Fassung nur drei Minuten auf der Website stand, und dann
komplett gelöscht wurde. Der Chefredakteur der Komsomolskaja Prawda (und
Generaldirektor des Verlagshauses Komsomolskaja Prawda in Russland, Anm. d.
Redaktion) Wladimir Sungorkin, bezeichnete die Schwierigkeiten, die der
belarussische Regionalausgabe gemacht wurden, als staatliche Willkür. Auch
Wladimir Putins Pressesprecher Dmitri Peskow kritisierte, dass die Website
der Zeitung blockiert wurde. Zu einem ernsten Konflikt zwischen den beiden
Staaten kam es deswegen allerdings nicht.
Der (russische) Journalist und Videoblogger Ilja Warlamow nannte den Fall
Gennadi Mosheikos „eine Entführung eines Menschen auf russischem
Staatsgebiet durch Lukaschenko“. Weil die Frage der Auslieferung vor
Gericht entschieden werden muss, wie das (belarussische) Nachrichtenportal
Zerkalo schreibt.
Als weitere Folge der Schießerei wurde in Belarus mehr als 130 Menschen
wegen Internet-Kommentare zu dem verstorbenen Mitarbeiter der Spezialkräfte
festgenommen. Sie sympathisierten mit der falschen Seite. Die Leute werden
jetzt ebenfalls beschuldigt, Hass zu schüren.
## Repressionen gehen weiter
[2][„Die Machthaber haben damit eine weitere glaubwürdige Zeitung
zerstört“,] kommentiert der Pressesprecher des „Belarussischen
Journalistenverbandes“, Boris Goretzki. „Es ist eine Schande. Wir müssen
standhalten. Und zurückkehren.“
Die Komsomolskaja Prawda in Belarus war die größte nichtstaatliche
Printzeitung des Landes gewesen. Sie hatte eine tägliche Auflage von 31.000
Exemplaren und die umfangreichere Wochenendausgabe von 200.000 gehabt. Am
15. August 2020 hatte die Zeitung Fotos von im Minsker Okrestino-Gefängnis
gestorbenen Menschen gedruckt.
Als Kioske den Verkauf dieser Zeitung abgelehnt hatten, hatten die
Journalist*innen sie selber aus der Druckerei abgeholt und sie auf dem
Land und in den Städten verteilt, wo es keinen Internetzugang gab. Sie
hatten damit diejenigen über die Vorgänge nach der Präsidentschaftswahl
informieren wollen, die nur Zugang zum staatlichen Fernsehen hatten und
nicht erfuhren, was wirklich im Land vor sich ging.
Leider gehen die Repressionen weiter. Und die Zahl der unzufriedenen
Belaruss*innen wächst.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
23 Oct 2021
## LINKS
[1] /Toedliche-Schiesserei-in-Belarus/!5803451
[2] /Repressionen-in-Belarus/!5758673
## AUTOREN
Olga Deksnis
## TAGS
Belarus
Protest
Kolumne Notizen aus Belarus
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Minsk
Alexander Lukaschenko
Kolumne Krieg und Frieden
Belarus
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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