# taz.de -- Herkunft und Ungleichheit: Erben fördert Gentrifizierung | |
> In Deutschland entscheiden Erbschaften mehr als anderswo über die Chancen | |
> auf Wohneigentum, sagt eine internationale Studie. | |
Bild: Auf den Tod der Eltern müssen die wenigsten Erben warten: Wohneigentum d… | |
BERLIN taz | In den Metropolen in Deutschland erleben junge Erwachsene die | |
Risse im Bekanntenkreis: Die einen müssen weit raus ziehen oder sich mit | |
kleineren Wohnungen zufrieden geben. Die andern kaufen eine | |
Eigentumswohnung oder ein Haus. „Erbvorauszahlung“, heißt es dann oft | |
lapidar von den neuen Besitzer:innen gegenüber ihren weniger begüterten | |
Altersgenoss:innen. | |
„Wir beobachten, dass die jungen Erwachsenen mit mehr Startkapital | |
tendenziell besonders dort investieren, wo die Immobilienpreise hoch sind | |
oder besonders viel Investitionen nötig sind – Stichwort Gentrifizierung“, | |
erklärt der Soziologe Thomas Hinz in einer Mitteilung der Universität | |
Konstanz. Hinz und sein Kollege Or Cohen Raviv haben [1][eine | |
internationale Studie] erstellt zur Frage, wie sich Erbschaften, | |
insbesondere höhere Erbschaften, auf den Besitz von Wohneigentum auswirken. | |
In Deutschland, Österreich und Irland hatten danach junge Erwachsene im | |
Alter von bis zu 40 Jahren, deren Eltern über besonders viel Vermögen | |
verfügten, „viel höhere Chancen“, ein Haus oder eine Wohnung selbst zu | |
besitzen als Altersgenoss:innen mit weniger Geld im Hintergrund. Das | |
ist zwar nicht überraschend, in Ländern wie Südeuropa und Ostmitteleuropa | |
ist der Zusammenhang von elterlichem Vermögen und Immobilienbesitz aber | |
nicht so eindeutig. | |
„Wohneigentum ist bei jungen Erwachsenen in Südeuropa und in | |
Ostmitteleuropa viel gleichmäßiger verteilt als in West- und Mitteleuropa“, | |
schreiben Hinz und Raviv. Die Forscher werteten internationale Daten zu den | |
Finanzen von 70.000 bis 80.000 Haushalten aus 20 europäischen Ländern aus. | |
## Günstige Kredite helfen den Begüterten | |
Aber sorgen flexible und offene Kreditmärkte nicht dafür, dass sich auch | |
junge Leute ohne Erbschaften leichter eine Immobilie kaufen können? Nein, | |
das Gegenteil ist der Fall, stellten Cohen Raviv und Hinz fest. Ein | |
„leichterer Zugang zu Krediten und Hypotheken“ begünstige diejenigen, die | |
„besonders viel Wohlstand aus der Elterngeneration übernommen haben“, so | |
die Forscher. | |
„Erstens sind Immobilien in Ländern mit liberalem Kreditmarkt tendenziell | |
teurer, junge Erwachsene brauchen also immer noch Vermögen, um Wohneigentum | |
zu erwerben“, erläutert Cohen Raviv, „zweitens versetzen leicht verfügbare | |
Hypotheken sie in die Lage, von den Eltern geschenktes oder geerbtes Geld | |
in Immobilien anzulegen.“ | |
Nach diesen Thesen heizen gerade auch Erb:innen mit ihrer Nachfrage die | |
Preisentwicklung in begehrten Lagen an und nicht nur große | |
Immobilienkonzerne. „Sozioökonomische Ungleichheit wird über Generationen | |
festgeschrieben – in Stein und Beton“, erklärt Hinz. | |
In Deutschland liegt die Wohneigentumsquote nach Daten des [2][Instituts | |
der deutschen Wirtschaft (IW)] bei etwa 46,5 Prozent, ein im | |
internationalen Vergleich niedriger Wert. Laut dem Gutachten des IW ist die | |
Wohneigentumsquote bei Menschen unter 45 Jahren von 31 Prozent im Jahre | |
2000 auf 15 Prozent im Jahre 2019 zurückgegangen. | |
7 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0274647 | |
[2] https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/pekka-sagner-michael-voigt… | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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