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# taz.de -- Chef der Schwedendemokraten: Åkesson will kein Nazi sein
> Seit 17 Jahren führt Jimmie Åkesson die Schwedendemokraten. Der Firnis,
> unter dem sich sein Rassismus verbirgt, ist dünn.
Bild: Jimmie Åkesson (rechts) freut sich mit Anhängern über das gute Abschne…
Stockholm taz | „Nennst du mich Nazi?“ Aufgesetzte Empörung über
vermeintliche Nazivorwürfe gehörten bei den diesjährigen
TV-Wahlkampfdebatten der Vorsitzenden der acht schwedischen
Reichstagsparteien zum Ritual des Jimmie Åkesson. Womit der Vorsitzende der
Schwedendemokraten den so Angegriffenen nötigte, jeweils zu erklären, dass
das von ihm gerade verwendete Etikett „braun“ ja nun mal das übliche Label
für eine Partei mit rassistischer Politik und Neonaziwurzeln ist, wie sie
Åkessons Partei eben sei.
Darüber, was er mit solchen Auftritten eigentlich gewinnen wollte,
rätselten Medienkommentare. Aber vielleicht irritierte es Åkesson ja
einfach, dass in diesem Wahljahr mehrere Bücher sich im Detail mit seiner
politischen Vergangenheit und seinem Werdegang beschäftigen.
Dazu gehört die Tatsache, dass er als 15-jähriger Gymnasiast 1994 „als
junger Nationalist“ und nach sorgfältiger Überlegung, wie er es selbst 1997
beschrieb, in eine Neonazi-Partei eintrat. Dass der damalige Vorsitzende
der Schwedendemokraten antisemitische Konspirationstheorien verbreitete,
störte Åkesson dabei offensichtlich ebensowenig wie die Tatsache, dass zur
Parteispitze auch ein Holocaust-Leugner und Freiwilliger von Hitlers
Waffen-SS gehörte.
Åkesson stürzte sich damals sofort mit großem Engagement in die
Parteiarbeit, die nach einem abgebrochenem Studium bis heute sein einziger
Beruf bleiben sollte. Seit 2005, also seit 17 Jahren, steht er an der
Spitze der Schwedendemokraten. Damit ist er länger Parteichef als alle
anderen schwedischen Parteivorsitzenden zusammengenommen.
## Kampf gegen Rassismus als leeres Versprechen
Ein Versuch, die Verantwortung für deren rassistische Politik auf Andere
schieben zu wollen, wäre also von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Nachdem die Partei es 2010 erstmals in den Reichstag geschafft hatte,
kündigte Åkesson eine „Nulltoleranz gegen Rassismus“ an. Ein leeres
Versprechen, ebenso wie im Laufe der Jahre regelmäßig wiederholte ähnliche
Ankündigungen.
Im Vorfeld der diesjährigen Wahl konnte die antifaschistische Stiftung
„Expo“ wieder über 200 KandidatInnen auf den Wahlzetteln der Partei
aufzählen, die Altnazis feiern, Antisemitismus verbreiten, Muslime
„ausrotten“, „Schwarze an den Baum knüpfen“ und „Somalier über den …
fahren“ wollen.
Åkessons Problem ist es, ständig eine Doppelstrategie balancieren zu
müssen. Einerseits muss die Partei radikal genug sein, um ihre
KernwählerInnen zufriedenzustellen, andererseits müssen die schärfsten
Kanten abgeschliffen werden, um WählerInnen aus der Mitte anzuziehen. Der
Firnis, unter dem sich der Rassismus des Jimmie Åkesson verbirgt, ist dünn.
So, wenn er auf die Frage, warum Migranten es schwer hätten, auf dem
Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, erklärt: „Weil sie keine Schweden sind. Sie
passen nicht nach Schweden.“ Muslime nannte er die „größte Gefahr für
Schweden seit dem Zweiten Weltkrieg“.
Der 43-jährige Vorsitzende der nun zweitgrößten schwedischen
Parlamentsfraktion hat einen Sohn aus einer früheren Beziehung und ist Fan
der im rechtsextremen Milieu heimischen Band „Ultima Thule“. 2014 ließ er
sich für ein halbes Jahr wegen Burnout krankschreiben, nachdem eine –
mittlerweile wohl überwundene – Glücksspielsucht öffentlich wurde.
„Unsere Ambition ist, in der Regierung zu sitzen“, verkündete er noch in
der Wahlnacht. Will er auch Regierungschef werden? „Ja, dazu bin ich
bereit.“
12 Sep 2022
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Parlamentswahl
Schwedendemokraten
Rechtsextremismus
Ulf Kristersson
Wahlen
Schweden
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Lesestück Recherche und Reportage
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