# taz.de -- Parlamentswahl in Schweden: Pragmatiker oder Opportunist? | |
> Der konservative Ulf Kristersson will sich mit den Stimmen der rechten | |
> Schwedendemokraten zum neuen Regierungschef Schwedens krönen lassen. | |
Bild: Ulf Kristersson | |
STOCKHOLM taz | Einen Preis gewann Schwedens [1][mutmaßlicher neuer | |
Regierungschef] schon vor dem Wahlabend – den für das lächerlichste | |
Wahlplakat. Auf diesem sitzt der 58-jährige Ulf Kristersson von der | |
Moderaten Sammlungspartei in Jagdkleidung mit tiefen Sorgenfalten auf einem | |
saftig grünen Waldboden und streichelt seinen Hund. Dazu die Botschaft: | |
„Nun bringen wir das Klima in Ordnung.“ | |
Durch Herumsitzen im Wald? Es gab eine ganze Serie dieser Plakate, auf | |
denen zwar nicht der Hund, aber die Sorgenfalten immer wiederkehrten – | |
ebenso wie die Botschaft, was seine Partei noch alles „in Ordnung“ bringen | |
will. Oder, wie er in Wahldebatten stets betonte, „meine Seite“. Seine | |
Seite – das ist die, die sich nun anschickt, mit ganz Rechts-Außen | |
zusammenzuarbeiten. | |
Wer ist der Mann, der ein jahrzehntelanges Tabu brach und sich mit Hilfe | |
einer Partei mit [2][neonazistischen Wurzeln und rassistischer Politik] ins | |
höchste Regierungsamt wählen lassen will? Seit 1994 ist er | |
Reichstagsabgeordneter der konservativen Moderaten und, obwohl er vier | |
Jahre lang Sozialversicherungsminister gewesen war, bis zur Wahl zum | |
Parteivorsitzenden im Herbst 2017 einer breiten Öffentlichkeit eher | |
unbekannt. | |
Was ihm auch seine politischen GegnerInnen zugestehen: Er ist belesen, | |
schlagfertig und schneidet, wenn TV-Debatten rezensiert werden, meist als | |
Gewinner ab. Bei der Bewertung des Vertrauens der Bevölkerung in | |
PolitikerInnen sieht es für ihn deutlich schlechter aus. | |
## Ulf Krirstersson ist voller Widersprüche | |
Da liegt ein Schatten auf ihm: dem „korrupten Uffe“. In einem 1994 | |
erschienenen Buch forderte er, den schwedischen Sozialstaat zu | |
verschrotten. Der sei viel zu großzügig und lasse die Menschen passiv | |
werden. Die Gewerkschaften klagte er an, aus dem Land einen | |
„Apartheidstaat“ gemacht zu haben. Zehn Jahre später, als Stockholmer | |
Kommunalpolitiker, fand er dann aber gar nichts dabei, persönlich eben | |
diesen Sozialstaat sowie seine beruflichen Beziehungen auszunutzen, um | |
jahrelang in einer Wohnung zu wohnen, die ausdrücklich für Schwerkranke und | |
Hilfsbedürftige reserviert war. Zeitweilig ermittelte die | |
Staatsanwaltschaft auch wegen Beschäftigung von schwarzer Arbeitskraft | |
gegen den Ökonomen. | |
Als Gesundheitsminster versuchte er, Verschärfungen beim Krankengeldbezug | |
durchzusetzen, scheiterte aber im Parlament. Auch seine Aussage, psychisch | |
Kranke sollten gefälligst arbeiten, statt zuhause auf dem Sofa | |
herumzuliegen, hängt ihm seither nach. | |
Als Jungpolitiker plädierte er für freie Einwanderung nach Schweden. | |
Zusammen mit seiner Frau Birgitta hat er drei Adoptivkinder aus China. „Die | |
Bekämpfung von Rassismus nimmt einen Großteil meiner wachen Zeit ein“, | |
sagte er vor 15 Jahren. | |
Nun ohne Bedenken nicht nur mit den [3][Schwedendemokraten] | |
zusammenzuarbeiten, sondern deren Rassismus auch noch zu verharmlosen und | |
geradezu zu entschuldigen, um an die Macht zu kommen, ist einer der | |
Widersprüche dieses Ulf Kristersson. | |
15 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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