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# taz.de -- Journalist über Migration nach Schweden: „Keine Lösungen für j…
> Der schwedische Journalist Diamant Salihu floh 1991 aus dem Kosovo. Er
> beschäftigt sich mit Problemen in Schwedens migrantisch geprägten
> Wohnvierteln.
Bild: Der schwedische Journalist Diamant Salihu
taz: Herr Salihu, Sie sind als Siebenjähriger 1991 mit Ihrer Familie
[1][aus dem Kosovo geflohen]. Wie haben Sie das Ankommen in Schweden
erlebt?
Diamant Salihu: Mein Vorteil war, dass ich in einer damals noch gemischten
Gegend zur Schule gegangen bin. Da waren viele schwedische Kinder und
einige, die ausländischen Hintergrund hatten. Meine Schwester und ich
[2][haben schnell Schwedisch gelernt], so konnten wir uns leicht
etablieren. Für Eltern kann das schwer sein, aber meine hatten Glück: Sie
hatten eine Art Lotsen, einen schwedischen Bekannten. Nils lud uns zu sich
nach Hause ein, und wir luden ihn zu uns ein. Das schaffte eine Verbindung,
die für meine Eltern entscheidend war.
Heute diskutiert Schweden über „exponierte Viertel“, in denen viele
Menschen in relativer Armut und Perspektivlosigkeit leben, die meisten mit
Einwanderungsgeschichte. Was ist seit Ihrer Ankunftszeit passiert?
Wo ich aufgewachsen bin, sind die Familien, die konnten, nach und nach
weggezogen. Neue Einwanderer zogen dann häufig zu Verwandten oder
Bekannten. So sind Gegenden entstanden, in denen sie nicht mehr mit
ethnisch schwedischen Eltern interagieren können, weil es dort keine mehr
gibt.
Was sind die Folgen?
Wenn Menschen in eine solche Wohngegend ziehen und nicht einmal Schwedisch
sprechen, werden sie noch isolierter. Sie verstehen zum Beispiel nicht, wie
die Behörden funktionieren. Das hat viele Folgen. Kinder können ihren
Eltern Angst einjagen, indem sie sagen: „Hier in Schweden können Kinder
machen, was sie wollen. Wenn ihr mich bestraft, können die Behörden mich
dir wegnehmen.“ Davor haben tatsächlich viele Eltern Angst.
Was bedeutet das für die Kinder?
Sie wachsen in einer Gesellschaft auf, in der sich viele ihrer Eltern nicht
etablieren konnten. Gleichzeitig begegnet den Kindern in der schwedischen
Mehrheitsgesellschaft großes Misstrauen, bezogen etwa auf ihre Religion
oder Aussehen. Sie landen in einem Zwischenzustand. In den Gesprächen, die
ich geführt habe, berichteten viele, dass sie nirgendwo wirklich
dazugehören.
Trifft das auch auf Mitglieder verfeindeter Banden zu, die sich seit 2015
tödliche Auseinandersetzungen liefern? Ein Riesenthema in Schweden.
Ja. Auch junge Männer, die sich einem destruktiven Milieu anschließen, sind
auf der Suche nach einer Identität. Diese „Gangsteridentität“ wird ein Te…
ihrer Zugehörigkeit, nach dem Motto: „Meine Kumpels und ich, wir sind in
derselben Gegend aufgewachsen, wir wissen, was wir durchgemacht haben,
lasst uns das Beste daraus machen und Geld verdienen.“ Eine Chance sehen
sie im Drogenhandel, aus dem viele der Konflikte entstehen.
Welche Maßnahmen muss die Regierung ergreifen?
Viele gleichzeitig. Man muss den Wohnungsmarkt verändern – für eine Wohnung
in den Innenstädten steht man gefühlt jahrzehntelang an. Man muss es dem
Sozialdienst leichter machen, mit anderen Behörden zu kommunizieren. Man
muss alleinerziehende Mütter in diesen Gegenden besser unterstützen. Bei
dieser komplexen Problematik muss man mit individuellen Lösungen arbeiten.
Warum gibt es bisher keine erfolgreiche Strategie?
Alle sind sich einig, dass etwas getan werden muss. Aber es fehlt eine
Einigkeit darüber, wie man die Probleme konkret und gemeinsam löst. Die
Debatte darum wird zu einem politischen Kampf, dabei sprechen eigentlich
viele über dieselbe Sache.
Vor den Wahlen sprachen sich die regierenden Sozialdemokraten für eine
Regelung aus, wonach in einer Wohngegend mindestens 50 Prozent Menschen mit
„nordischem Hintergrund“ leben sollen – eine als rassistisch kritisierte
Idee.
Genau das meine ich: Man kritisiert – aber niemand präsentiert eine Lösung,
die für diese Generation junger Menschen in den Vierteln etwas verbessert.
10 Sep 2022
## LINKS
[1] /Kosovo/!t5007964
[2] /Vor-der-Parlamentswahl-in-Schweden/!5876771
## AUTOREN
Anne Diekhoff
## TAGS
Schweden
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