| # taz.de -- Berliner Übergangs-Ticket kippelt: Bringt eh nicht allzu viel | |
| > Kommt das von Rot-Grün-Rot versprochene günstige ÖPNV-Übergangsticket? | |
| > Die Wahrscheinlichkeit sinkt täglich – der Nutzen wäre ohnehin | |
| > überschaubar. | |
| Bild: Unterwegs sind sie sowieso – aber wie billig ist das in Zukunft? | |
| Der Witz ist ja der: Ob das von Rot-Grün-Rot [1][in Berlin versprochene | |
| „Übergangsticket“] – als Brücke zwischen dem bundesweiten 9-Euro-Ticket… | |
| seinem möglicherweise zum Januar einzuführenden Nachfolger – wirklich | |
| kommt, ist sozial- und verkehrspolitisch eher vernachlässigbar. Dieser | |
| Aspekt geht in der aktuellen Debatte aber ein wenig unter. | |
| Wie die grüne Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch selbst sagt: Bei den | |
| Verhandlungen, die jetzt zwischen Bund und Ländern geführt werden müssen, | |
| geht es um einen langfristigen Systemwechsel in der Finanzierung des | |
| Nahverkehrs, einen, der vor dem 9-Euro-Experiment „schlicht undenkbar“ war. | |
| Wenn der Bund auch noch deutlich mehr Geld für den Ausbau der Infrastruktur | |
| gäbe (Stichwort Regionalisierungsmittel), könnte der Personennahverkehr | |
| tatsächlich in die Rolle hineinwachsen, die es für Verkehrs- und Klimawende | |
| braucht. | |
| Zwar darf bezweifelt werden, dass ein solcher Systemwechsel, der das Auto | |
| im Vergleich deutlich unattraktiver machen müsste, auch noch mit einer | |
| Fahrkarte für monatlich 69 Euro zu bewerkstelligen ist. Aber das ist hier | |
| jetzt nicht das Thema: Es geht um das Versprechen einer Berliner | |
| Übergangslösung – und nichts spricht dafür, dass wegen deren Ausbleiben | |
| eine bundesweite dauerhafte Lösung schlechter angenommen würde. | |
| Verkehrspolitisch betrachtet würde ein Berliner Inselticket, vielleicht | |
| noch plus Speckgürtel, den ÖPNV nicht viel attraktiver machen: Das | |
| 9-Euro-Ticket hat bekanntlich [2][vor allem den Verkehr auf | |
| Regionalverbindungen gepusht], die diesmal kein Teil des Angebots wären. | |
| Und sozialpolitisch? Hat Berlin längst den Tarif S, [3][der noch etwas | |
| günstiger ist als 29 Euro]. Dieser Preis schwebt Jarasch und auch der | |
| Regierenden Bürgermeisterin für ein künftiges Regionalticket in einem | |
| Zwei-Stufen-System vor, und damit markieren sie wohl auch das preisliche | |
| Minimum für ein vorgezogenes Ticket. | |
| ## Der Preis ist nicht alles | |
| Natürlich würden viele KundInnen mit einem 29-Euro-Ticket von Oktober bis | |
| Dezember Geld sparen, insbesondere die AbonnentInnen, die den Nahverkehr | |
| ohnehin regelmäßig nutzen: Sie könnten sich über geringere Abbuchungen bzw. | |
| Erstattungen freuen. Die Mobilitätswende würde das aber nur marginal | |
| voranbringen, denn was die meisten Berliner ÖPNV-SkeptikerInnen mehr als | |
| der Preis umtreibt, sind Angebotsbreite, Zuverlässigkeit, Komfort und | |
| Barrierefreiheit, die immer noch viel zu wünschen übrig lassen. | |
| In Wirklichkeit war die ganze Übergangs-Nummer ein politischer Schachzug | |
| der SPD, um die grüne Koalitionspartnerin in die Bredouille zu bringen, die | |
| beim Thema Mobilität das Sagen hat und gleichzeitig auf dem Geld sitzt. | |
| Viele Argumente, mit denen Jarasch und ihre Partei seitdem auf die Bremse | |
| gedrückt haben – „Erst muss sich der Bund festlegen“, [4][„Nicht ohne | |
| Brandenburg“] – sind nicht wirklich zwingend. Wenn man das Geld tatsächlich | |
| ausgeben will, kann man das allemal tun. | |
| Aber so richtig gewollt ist es von den Zuständigen eben nicht, und schon | |
| munkeln Verkehrspolitiker von SPD und Linken, dass das wohl nichts mehr | |
| werde bis Oktober. Die BVG nennt übrigens als „Richtwert“ für den Vorlauf | |
| eines solchen Angebots zwei Wochen. Sprich: Bis kommenden Freitag müsste | |
| der Senat eigentlich liefern. „Schlicht undenkbar“ ist das nicht, sehr | |
| wahrscheinlich aber auch nicht. | |
| 10 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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