# taz.de -- Waffenlieferungen an die Ukraine: Schlecht kommuniziert | |
> Erfolgreich unterstützt die Bundesregierung ein angegriffenes Land – und | |
> gilt trotzdem als unsolidarisch. Auch, weil sie bei Hilfe über Gebühr | |
> zögert. | |
Bild: Marderpanzer stehen vor einer Halle des Rheinmetall-Werkes in Unterlüß | |
Es ist phänomenal, was für eine kommunikative Fehlleistung die | |
Bundesregierung seit Beginn des Ukrainekriegs hinlegt: In nie da gewesener | |
Art und Weise [1][unterstützt sie ein angegriffenes Land mit Waffen] – und | |
doch gilt sie im In- und Ausland als unsolidarisch und unnütz. Dieses Bild | |
ist falsch. Es stimmt zwar, dass einige andere Staaten mehr liefern. Die | |
USA, Polen, Großbritannien und Kanada leisten umfangreiche Hilfe, gemessen | |
an Größe und Wirtschaftskraft auch die Balten und einige weitere Länder. | |
Dagegen halten sich Frankreich, Spanien und Italien stärker zurück, ohne | |
dafür vergleichbaren Zorn auf sich zu ziehen. Mit Haubitzen und | |
Flugabwehrpanzern hat die Bundesregierung Waffen gespendet, die bei der | |
erfolgreichen Gegenoffensive um Charkiw eine wesentliche Rolle gespielt | |
haben. Mit der Lieferung von gepanzerten Transportern und weiteren | |
Mehrfachraketenwerfern, am Donnerstag angekündigt, stärkt sie das | |
ukrainische Militär weiter. | |
Dass diese Unterstützung nicht adäquat gewürdigt wird, liegt zum Teil an | |
einem verzerrten Blick auf die deutsche Ukrainepolitik. Die deutschen | |
Fehleinschätzungen vor dem Krieg haben ein hartnäckiges Misstrauen | |
hervorgerufen. Dazu kommen innenpolitische Erwägungen vor allem in Polen, | |
wo die PiS-Regierung traditionell mit Vorwürfen gegen Deutschland zu | |
punkten versucht. Zum Teil hat sich die Bundesregierung aber auch selbst | |
zuzuschreiben, dass das Misstrauen nicht schwindet – wegen [2][der | |
Zögerlichkeit, die jeder neuen Hilfszusage vorausgeht] und deren Maß das | |
einer begründeten Vorsicht schon lange überschreitet. Aktuell gilt das für | |
die Weigerung von Kanzleramt und Verteidigungsministerium, auch Kampf- und | |
Schützenpanzer zur Verfügung zu stellen oder zumindest deren Lieferung aus | |
Industriebeständen zu gestatten. | |
Diese [3][künstliche rote Linie ist an sich schon schwer begründbar]. | |
Deutschland liefert bereits Waffen mit enormer Kampfkraft, die offensiv | |
einsetzbar sind und Ziele in Dutzenden Kilometern Entfernung erreichen | |
können. Leopard- oder Marderpanzer sind im Vergleich dazu keine | |
grausameren, gefährlicheren oder risikoreicheren Waffen, könnten der | |
Ukraine aber bei der Befreiung weiterer besetzter Gebiete helfen. | |
In dieser Woche ist eines der letzten Gegenargumente der SPD zerbröselt, | |
dem zufolge man sich mit den Nato-Partnern darauf geeinigt habe, keine | |
westlichen Kampf- und Schützenpanzer zu liefern. Deutschland solle nicht | |
vorpreschen und nicht aus dem „Geleitzug“ des Bündnisses aussteigen, | |
behauptet seit Wochen unter anderem Olaf Scholz. Blöd nur, dass die Partner | |
von einer solchen Vereinbarung nichts mehr wissen wollen. „So viel | |
Unterstützung wie möglich“ forderte die US-Botschaft am Dienstag via | |
Twitter. Die Entscheidung über die Art der Lieferungen könne jedes Land | |
selbst treffen. | |
## Deutschland dackelt hinterher | |
Die Äußerung wirft zwar die Frage auf, warum die USA dann ihrerseits keine | |
Kampfpanzer zur Verfügung stellen. In Berlin kursiert die Version, die | |
Amerikaner seien derzeit damit ausgelastet, einer Lieferzusage an Polen | |
nachzukommen. Darüber hinaus fehlten ihnen selbst die Kapazitäten. | |
Angesichts der immensen US-Arsenale ist diese Erklärung aber zumindest | |
zweifelhaft. | |
Doch selbst wenn die Angaben aus dem Kanzleramt stimmen sollten und es eine | |
freiwillige Selbstbeschränkung der Nato-Staaten gibt: Unveränderbar wäre | |
sie nicht. Sollte die Bundesregierung es für richtig halten, die Aufrüstung | |
der Ukraine weiter hochzufahren, könnte sie im Bündnis dafür werben, die | |
Haltelinie aufzugeben. Mitstreiter würde sie sicherlich finden. Und gute | |
Argumente hätte sie [4][nach dem ukrainischen Erfolg um Charkiw] auch. | |
Beim ständigen Verweis auf die vermeintliche Haltung der Nato-Alliierten | |
stehenzubleiben, wirkt dagegen seltsam: Warum sollte es der Bundesregierung | |
ausgerechnet in einer solch zentralen Frage nicht gelingen, eine eigene | |
Position zu finden und im Bündnis zu vertreten? Warum macht sie ihr Handeln | |
scheinbar komplett abhängig von Entscheidungen anderswo? Von einer | |
„Führungsrolle“ für Europa spricht die Bundesregierung neuerdings gerne. | |
Klingt gruselig? Keine Sorge. In Wirklichkeit dackelt Deutschland ja doch | |
nur hinterher. | |
16 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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