| # taz.de -- Gipfel in Usbekistan: Xi Jinpings neue Weltordnung | |
| > Xi Jinping und Wladimir Putin üben den Schulterschluss – und präsentieren | |
| > ihre Vision einer alternativen Staatengemeinschaft. | |
| Bild: Freundliche lächelnde Einigkeit: Die Staatsoberhäupter Russlands, China… | |
| Peking taz | Xi Jinpings erste Schritte außerhalb der eigenen Landesgrenzen | |
| waren auffallend holprig. Als der 69-Jährige nach knapp tausend Tagen | |
| Isolation seine Heimat verließ, stolperte er am Flughafen von Nur-Sultan | |
| beinahe von der Gangway hinunter. Die vom kasachischen Lokalfernsehen | |
| gefilmten Videoaufnahmen zeigen einen Staatschef, der sich erst wieder auf | |
| dem internationalen Parkett zurechtfinden muss. | |
| Doch bereits am Donnerstag konnte Xi bereits mit überaus symbolträchtigen | |
| Bildern aufwarten: Chinas Staatschef posiert im usbekischen Samarkand beim | |
| Gipfeltreffen der [1][Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit] (SCO) | |
| mit den Staatschefs aus Indien, Pakistan, Iran und Russland. Ursprünglich | |
| wurde das SCO Anfang der 2000er Jahre als eurasische Organisation im Kampf | |
| gegen den Terrorismus gegründet, mittlerweile ist es jedoch zu einer Replik | |
| auf westliche Sicherheitsbündnisse herangewachsen. | |
| Substanzielle Ergebnisse sind zwar von dem Gipfel nicht zu erwarten. Doch | |
| allein die Symbolik des Treffens sollte in Brüssel und Washington die | |
| Alarmglocken zum Schrillen bringen. Denn was Xi und Putin unter ihrer | |
| Federführung präsentieren, ist nicht weniger als die Vision einer neuen | |
| Weltordnung – mit dem Ziel, die Dominanz der westlich dominierten | |
| Wertegemeinschaft zu durchbrechen. | |
| Ihr Bündnis besteht bislang aus acht Mitgliedern, welches nun jedoch um den | |
| Iran erweitert wird. Belarus und die Mongolei halten zudem einen | |
| sogenannten Beobachterstatus inne, weitere Partnerländer sind unter anderem | |
| Aserbaidschan und die Türkei. | |
| ## Die USA und Nato hätten Russland bedroht, so Li Zhanshu | |
| Mit Russland und China als Hauptakteure richtet sich die mediale | |
| Aufmerksamkeit in Samarkand vor allem auf das Treffen von Xi und Putin. | |
| Beim gemeinsamen Gespräch soll es laut Angaben russischer Staatsmedien um | |
| den Ukraine-Krieg gehen, der mittlerweile auch in China offen unterstützt | |
| wird. Li Zhanshu, drittmächtigster Parteikader Chinas, sagte letzte Woche | |
| bei seinem Besuch in Moskau: „Die USA und die Nato haben Russland vor | |
| seiner Haustür bedroht und in eine Ecke gedrängt.“ Man verstehe die | |
| „Notwendigkeit der Maßnahmen“ Russlands, „um seine nationalen Interessen… | |
| sichern“, und biete Unterstützung an. | |
| Solche Stellungnahmen verdeutlichen, wie weit der chinesisch-russische | |
| Schulterschluss reicht. Dabei ist die wirtschaftliche Win-win-Situation | |
| bedeutend: Pekings Staatsunternehmen füllen das Vakuum, welches die | |
| [2][westlichen Handelsboykotte] hinterlassen haben – und importieren en | |
| masse russisches Gas und Öl zu vorzüglichen Konditionen. Es wird zudem | |
| erwartet, dass beide Länder bald den Bau einer zweiten Gaspipeline formell | |
| besiegeln. | |
| Die zunehmende Kooperation spiegelt sich auch in Zahlen wider: Chinas | |
| Importe aus Russland haben allein im ersten Halbjahr um knapp 50 Prozent | |
| zugelegt, Tendenz steigend. Zudem kauft das Reich der Mitte nach wie vor | |
| seine Rüstungstechnologie in Russland. Die Armeen beider Länder haben | |
| unlängst gemeinsame Militärübungen auf chinesischem Boden abgehalten. Nicht | |
| zuletzt kann sich Moskau auf steigende Direktinvestitionen aus China | |
| verlassen. | |
| Doch der tatsächliche Kern des bilateralen Zweckbündnisses ist politischer | |
| Natur. Xi Jinping braucht einen Partner an seiner Seite, mit dem er eine | |
| Front gegen die USA aufbauen kann. Im Antagonismus gegen den Westen sind | |
| die zwei Staatschefs geeint. Beide sehen die von den USA angeführte | |
| Werteordnung im Untergang begriffen. Xi und Putin zelebrierten wenige | |
| Wochen vor der Invasion der Ukraine ihre „grenzenlose Freundschaft“ in | |
| einem 5.300 Wörter langen Manifest. | |
| ## Grenzenlos ist das Vertrauen aber nicht | |
| Doch „grenzenlos“ ist das Verhältnis der zwei Staaten, das jahrzehntelang | |
| vor allem durch gegenseitiges Misstrauen geprägt war, nur in der | |
| offiziellen Propaganda. Tatsächlich wird sich Peking wohl hüten, selbst | |
| aktiv Waffen nach Russland zu liefern. Dies käme de facto einem Bruch mit | |
| Europa gleich, den sich die Volksrepublik ökonomisch nicht leisten kann. | |
| Für 2022 scheint angesichts der [3][anhaltenden Corona-Lockdowns] maximal | |
| eine Expansion des Bruttoinlandsprodukts um drei Prozent in Reichweite. Was | |
| solide klingt, ist jedoch nur die Hälfte dessen, was die aufsteigende | |
| Weltmacht benötigt, um ihre wachsende Mittelschicht bei der Stange zu | |
| halten. | |
| Die Europäische Union ist gut beraten, die Ereignisse in Usbekistan mit | |
| Argusaugen zu verfolgen. Die zunehmende Verbrüderung zwischen China und | |
| Russland avanciert immer mehr zu einem volkswirtschaftlichen Risiko. Das | |
| gilt insbesondere für Deutschland, dessen Unternehmen überproportional vom | |
| Zugang zum chinesischen Markt abhängen. Der Ernstfall scheint schließlich | |
| nicht mehr ausgeschlossen: Dass sich die heimischen Betriebe aufgrund von | |
| Sanktionen aus der Volksrepublik zurückziehen müssen. | |
| 15 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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