| # taz.de -- Urteil zu Neonazi-Angriff in Fretterode: Überraschend milde Strafen | |
| > Im Fall des Raubüberfalls auf zwei Journalisten 2018 in Thüringen wurden | |
| > die Angeklagten schuldig gesprochen. Ins Gefängnis müssen sie nicht. | |
| Bild: Puschkinhaus in Mühlhausen/Thüringen am Tag der Urteilsverkündung, 15.… | |
| Mühlhausen taz | Im Saal des Puschkinhauses in Mühlhausen herrscht am | |
| Donnerstagmittag drückende Stille, als die Vorsitzende Richterin im | |
| sogenannten Fretterode-Prozess den Raum betritt und verkündet, dass die | |
| Angeklagten Nordulf H. und Gianluca B. der Sachbeschädigung und | |
| gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen werden. | |
| Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die beiden Neonazis [1][zwei | |
| Journalisten gejagt, attackiert und schwer verletzt haben]. Im Groben | |
| bestätigt die Richterin in ihren Ausführungen die Darstellung der beiden | |
| Journalisten, die in dem Prozess als Nebenkläger auftraten. | |
| Demnach haben die beiden Angegriffenen im April 2018 ein Treffen von | |
| Mitgliedern der rechtsextremen Szene auf dem Anwesen von NPD-Größe Thorsten | |
| Heise im thüringischen Fretterode beobachtet. Nachdem sie entdeckt wurden, | |
| verfolgten Nordulf H. und Gianluca B. das Auto der beiden Journalisten. Der | |
| Wagen kam von der Straße ab, die Neonazis zerstörten die Scheiben des Pkw. | |
| Mit einem Schraubenschlüssel, einem Baseballschläger, einem Messer und | |
| Reizgas griffen sie Insassen an. Einer der beiden erlitt eine | |
| Schädelfraktur und eine Kamera verschwand. | |
| Trotzdem kommen die Angeklagten mit vergleichsweise milden Strafen davon: | |
| Nordulf H. wurde zu einer Jugendstrafe von 200 Sozialstunden, Gianluca B. | |
| zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Damit bleibt das | |
| Landgericht Mühlhausen deutlich hinter dem von der Staatsanwaltschaft | |
| geforderten Strafmaß zurück. | |
| ## „Ein politisch motivierter Raubüberfall“ | |
| Die Ankläger hatten Gefängnisstrafen für beide Angeklagten beantragt. Bei | |
| den Männern handele es sich um Personen mit engen Verbindungen zum | |
| Rechtsextremismus, hatte ein Vertreter der Staatsanwaltschaft in seinem | |
| Plädoyer erklärt: „Es war kein gewöhnlicher Raubüberfall, sondern ein | |
| politisch motivierter.“ | |
| Die Richterin sagte, es sei im Zuge der Verhandlung unklar geblieben, ob | |
| die Angeklagten die beiden Angegriffenen als Pressevertreter erkannt | |
| hätten. Vielmehr hätten die Täter ihre Opfer als Angehörige der linken | |
| Szene identifiziert. Dafür spreche unter anderem, dass während des | |
| Übergriffs das Wort „Zecken“ gefallen sei, so die Vorsitzende Richterin. | |
| Einer der Journalisten verließ aus Protest noch während der | |
| Urteilsbegründung den Saal. Später sagt er der taz, für ihn handele es sich | |
| um ein skandalöses Urteil: „Das ist Enttäuschung durch den Rechtsstaat, ein | |
| unfassbares Zeichen und für Neonazis quasi ein Freibrief, kritische | |
| Journalist*innen anzugehen“, so der Nebenkläger. | |
| ## Als Opfer stilisiert | |
| Über den gesamten Prozess hatten die beiden Angeklagten versucht, sich als | |
| Opfer darzustellen. In einer Einlassung erklärten sie, es sei ihnen nur um | |
| die Verteidigung ihrer Persönlichkeitsrechte gegangen. „Nachvollziehbar“ | |
| findet die Richterin das in ihren Ausführungen zum Urteil – was die Tat | |
| aber nicht rechtfertige. Auch die Bezeichnung „Zecken“ sei ein normaler | |
| Begriff und lasse nicht etwa Rückschlüsse auf die politische Gesinnung der | |
| Täter zu. | |
| Der Angriff in Fretterode war bundesweit als Attacke auf die Pressefreiheit | |
| kritisiert worden. Doch es dauerte mehr als drei Jahre, bis überhaupt | |
| Anklage erhoben wurde. Zwischenzeitlich wurde die Strafkammer | |
| ausgewechselt. | |
| Peter Dinkloh, Verdi-Mediensekretär des Landesbezirks Niedersachsen/Bremen | |
| hat den Prozess beobachtet und kritisiert gegenüber der taz: „Das Urteil | |
| öffnet Neonazis und Verschwörungsideolog*innen Tür und Tor, sich aus | |
| menschenverachtenden Taten herauszureden“, indem sie sich selbst als die | |
| Bedrohten darstellten. „Es handelt sich aber um grundgesetzlich geschützte | |
| Pressearbeit“, so Dinkloh. | |
| 15 Sep 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Trammer | |
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