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# taz.de -- Streit um käuflichen Sex: Prostitution spaltet Spaniens Linke
> In Spanien findet käuflicher Sex in einer rechtlichen Grauzone statt.
> Linke und Frauenbewegung sind uneins, ob Verbot oder Legalisierung besser
> ist.
Bild: Demonstration von Sexarbeiterinnen gegen ein Verbot der Prostituion im Ju…
Madrid taz | Überall an den großen Fernstraßen stehen „Puticlubs“, wie
Spanier die bunt beleuchteten Bordelle nennen. In den Städten bieten große
und kleine Puffs sowie einzelne Prostituierte per Kleinanzeige in den
Tageszeitungen ihre Dienste an. Parks und Industriegebiete der Großstädte
werden nachts zum Straßenstrich. Das Geschäft mit dem Sex ist in Spanien
weder legal noch illegal, es erfolgt in einem gesetzfreien Raum. Damit soll
bald Schluss sein, wenn es nach den regierenden Sozialisten von
Ministerpräsident Pedro Sánchez geht.
Seine PSOE brachte Anfang Juni einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der
Prostitution im Parlament ein und löste damit heftige Debatten in der
Linken aus. Seitdem tobt der Zwist zwischen denen, die den Entwurf
unterstützen und denen, die vielmehr eine Legalisierung und Regulierung der
Prostitution wollen.
Die Fronten verlaufen quer durch die Koalition aus PSOE und der
linksalternativen [1][Unidas Podemos (UP)] sowie dem Block linker und
regionaler Parteien, die Sánchez’ Minderheitsregierung stützen.
Die sieben UP-Abgeordnete aus Katalonien sind ebenso gegen ein Verbot wie
die in Katalonien regierende Republikanische Linke (ERC) und die
antikapitalistische CUP.
## „Überbleibsel des Sklavenhaltersystems“
„In einer Demokratie werden Frauen weder gekauft noch verkauft. Die
sexuelle Ausbeutung, das Geschäft mit dem Körper der Frauen, ist das letzte
Überbleibsel des Sklavenhaltersystems“, verteidigt die PSOE-Sprecherin
Adriana Lastra den Entwurf, der neben einem Verbot der Zuhälterei auch die
Bestrafung derer vorsieht, die Wohnungen und Zimmer für die Prostitution
vermieten. Auch Freier sollen belangt werden können.
Der in der Linken umstrittene Gesetzentwurf wurde nur Dank der Stimmen der
konservativen Partido Popular auf den parlamentarischen Weg gebracht. Jetzt
muss er durch Ausschüsse, um dann im Herbst dem Parlament zur Abstimmung
vorgelegt zu werden.
Laut Innenministerium arbeiten in Spanien mindestens 45.000 Frauen in der
Prostitution. Andere Quellen sprechen von mehr als doppelt so viel. Laut
Nationalpolizei werden 80 Prozent der betroffenen Frauen zur Prostitution
gezwungen. Ein Großteil von ihnen brachte die organisierte Kriminalität ins
Land. 39 Prozent der spanischen Männer geben an, mindestens einmal für Sex
bezahlt zu haben. Zwischen 4 und 6 Prozent gehen regelmäßig zu
Prostituierten und lassen dort täglich über 10 Millionen Euro. Pro Jahr
sind es mehr als 4 Milliarden – 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
## Ein Verbot „stigmatisiert und kriminalisiert“
Dass gesetzliche Bestimmungen her müssen, darüber sind sich alle auf der
spanischen Linken einig. Doch würde ein Verbot – so die sieben
UP-Abgeordneten aus Katalonien, die der Strömung rund um Barcelonas
Bürgermeisterin Ada Colau angehören – die Frauen stigmatisieren und
kriminalisieren. Diejenigen, die ein Verbot wollten, hätten eine
„paternalistische Haltung gegenüber den Frauen“.
Die Linksalternativen aus Katalonien wollen ein Gesetz, das sexuelle Arbeit
ähnlich wie in Deutschland oder Österreich legalisiert und anderen Arbeiten
gleichstellt. Dahinter verbirgt sich die Idee, dass viele Frauen die
Prostitution selbst gewählt haben und rechtlich abgesichert werden müssen.
Die Sozialisten können dies nicht verstehen. „Was fühlen sie, wenn sie
Bordelle sehen? Denken Sie, dass es dort drinnen irgendeine Freiheit gibt?
Ich sehe nur eines, Konzentrationslager für Frauen“, erklärte Laura Berja,
Psychologin und PSOE-Abgeordnete im Senat. Eigentlich wollten die
Sozialisten das Thema Prostitution in das Gesetz der Garantie der sexuellen
Freiheit“ aufnehmen, das sich ausführlich mit sexueller Gewalt beschäftigt
und im Mai vom Parlament verabschiedet wurde.
Doch der Streit bei Linksalternativen sowie die Haltung von ERC und CUP
ließ befürchten, dass das Gesetz aus der Feder der
Gleichstellungsministerin Irene Montero (UP) dann keine Mehrheit bekommen
hätte. Die Sozialisten zogen ihren Änderungsantrag zurück und stellten
wenige Tage später ein spezifisches Gesetz zur Prostitution vor.
## Frauenbewegung stärker für Abschaffung
Das „Gesetz der Garantie der sexuellen Freiheit“, das sogenannte [2][„Nur
Ja ist Ja“-Gesetz], wurde vor einer Woche endgültig vom Parlament
verabschiedet. Es schafft unter anderem den Unterschied zwischen bisher
leichter bestraftem sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung ab.
„Zustimmung wird nur anerkannt, wenn eine Person diese aus freien Stücken
durch Handlungen demonstriert hat, die im Kontext der Umstände des Falls
klar den Willen der Person ausdrücken“, heißt es darin.
Die Debatte um die Prostitution geht weiter. Spaniens Frauenbewegung ist so
gespalten wie die Linke, auch wenn dort die „abolicionistas“ – diejenigen,
die für eine Abschaffung der Prostitution eintreten – in der Mehrheit sind.
175 Frauengruppen haben sich zur Plattform zur Abschaffung der Prostitution
(PAP) zusammengeschlossen. Sie legten bereits 2020 einen eigenen
Gesetzentwurf vor.
## Aufenthaltsrecht bei Ausstieg gefordert
„Wir wissen, dass die Mehrheit der prostituierten Frauen seit Jahrhunderten
aus Nischen der sozialen Ausgrenzung stammt, die es in unserer Gesellschaft
gibt“, erklärte PAP-Sprecherin Charo Carracedo. „Wir müssen den Frauen, d…
aus der Prostitution aussteigen wollen, die sozial-arbeitsmäßige
Wiedereingliederung garantieren.“
Außerdem verlangt PAP für den Fall, dass eine Migrantin die Prostitution
verlassen möchte, dass ihr eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. PAP
sieht wie ein Teil derer, die sich im Parlament der Stimme enthielten, als
die Sozialisten das Gesetz einbrachten, an diesen Punkten erheblich
Nachbesserungsbedarf.
1 Sep 2022
## LINKS
[1] /100-Jahre-Kommunistische-Partei-Spaniens/!5810778
[2] /Sexualstrafrecht-in-Spanien/!5855527
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Spanien
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Prostitution
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