Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine: Monate auf heißen Kohlen
> Drittstaatler aus der Ukraine warten bis heute auf ein Bleiberecht. Der
> Senat plant nun eine Regelung, doch auch die bietet wohl keine
> Gleichstellung.
Bild: Ukraine-Flüchtlinge im Ankunftszelt am Berliner Hauptbahnhof
Berlin taz | Für viele sogenannte Drittstaatler aus der Ukraine wird es
langsam eng: Ende August läuft die Übergangsregelung aus, mit der sich
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ohne Visum in Deutschland aufhalten
können. Gleichzeitig gibt es nach wie vor keine Regelung für Menschen, die
weder die ukrainische noch eine EU-Staatsbürgerschaft haben. Dies sind vor
allem Studierende aus Indien, Pakistan und verschiedenen afrikanischen
Staaten, ebenso Arbeitnehmer*innen, etwa aus Usbekistan, Moldau,
Afghanistan. Ihr aufenthaltsrechtlicher Status ist zumeist ungeklärt,
vielen droht ab September die Illegalisierung und damit letztlich die
Abschiebung.
Der Berliner Flüchtlingsrat und andere zivilgesellschaftliche
Organisationen wie die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD)
fordern daher vom Senat, allen Geflüchteten aus der Ukraine den
Aufenthaltsstatus nach Paragraf 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu
gewähren, den Ukrainer*innen meist längst bekommen haben. „Alle sind vor
demselben Krieg geflohen und müssen denselben Schutz bekommen“, sagt Nora
Brezger vom Flüchtlingsrat.
Auch die Integrationsbeauftragte des Senats, Katarina Niewiedzial, hatte
dies im Juli gefordert. „Drittstaatsangehörige aus der Ukraine benötigen
Klarheit, Rechtssicherheit und eine Perspektive“, sagte sie. Die
„rechtliche Ungleichbehandlung“ empfänden viele „als rassistische
Diskriminierung“. Deshalb forderte sie – wie Flüchtlingsrat und ISD –, d…
alle Betroffenen in Berlin unter Paragraf 24 des Aufenthaltsgesetzes
fallen.
Die Menschen, die [1][oftmals schon auf der Flucht rassistische
Diskriminierung erlebt haben], an Grenzen, in Bussen und Zügen, seien auch
noch in Berlin mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert, berichtet
Tahir Della vom ISD der taz. Neben der Unsicherheit, was ab September
passiert, sei Betroffenen teilweise der Zugang zu Sozialleistungen
verweigert wurden, „was in einigen Fällen zu Obdachlosigkeit führte. Andere
mussten unter Lebensgefahr in die Ukraine zurückreisen, um verlorene,
abgelaufene oder noch gültige Dokumente zu klären“, sagt er. Zudem gebe es
bislang kaum Möglichkeiten zur Fortsetzung des Studiums, auch der
Arbeitsmarkt sei Drittstaatlern de facto verschlossen.
## „Nicht in der Lage zurückzukehren“
Das Problem: Die EU gewährt zwar mit der sogenannten
Massenzustromrichtlinie Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine grundsätzlich
vorübergehenden Schutz, was in Deutschland mit dem genannten Paragrafen 24
umgesetzt wird, der auch eine sofortige Arbeitserlaubnis und das Recht auf
Sozialleistungen umfasst. Ausdrücklich gilt dies auch für Drittstaatler,
die mit Ukrainer*innen verlobt oder verheiratet sind, die unverheiratet
eheähnlich zusammenlebende getrennt- und gleichgeschlechtliche Partner von
Ukrainer*innen sind oder finanziell abhängig im Familienverband mit
Ukrainer*innen leben. Auch Drittstaatsangehörige, die in der Ukraine als
Flüchtlinge anerkannt waren, bekommen den 24er-Status, ebenso solche, die
eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Ukraine hatten.
Viele Studierende und Arbeitnehmer*innen, die oft nur befristete
Aufenthaltsgenehmigungen hatten, fallen da aber raus. Sie sollen nach einer
Verordnung des Bundesinnenministeriums vom März den 24er-Status nur
bekommen, wenn sie „[2][nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr
Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückzukehren“].
Obwohl unklar ist, was dies genau heißt, wurden aufgrund dieses Passus laut
Nora Brezger vom Flüchtlingsrat in manchen Bundesländern – darunter
Brandenburg – bereits Anträge von Drittstaatlern auf Aufenthalt nach
Paragraf 24 abgelehnt. In Berlin sei dies ihrer Kenntnis nach nicht der
Fall. Das Landesamt für Einwanderung (LEA) habe die Anträge von
Drittstaatlern mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung für die Ukraine
bislang nicht bearbeitet, „weil es ja noch keine Regelung für sie gibt“.
Beim ISD sind aber auch schon Berliner Entscheidungen des LEA bekannt,
berichtet Tahir Della. „Wir haben Klienten, die Abschiebebescheide und
Duldungen erhalten haben, sowohl hier in Berlin als auch in anderen
Bundesländern“, sagt er. „Wir haben sogar einen Mandanten, der beides aus
zwei verschiedenen Bundesländern erhalten hat.“
Fest steht: Die meisten Studierenden und Arbeitenden aus Drittstaaten, ob
sie nun einen Antrag auf 24er-Aufenthalt gestellt haben oder noch nicht,
„sitzen seit fast 6 Monaten auf heißen Kohlen“, wie Brezger sagt.
## Verwaltungen „prüfen“ seit April
Dem Senat ist das bekannt. Schon seit April prüft eine Arbeitsgruppe aus
Innen-, Justiz-, Wissenschafts- und Integrationsverwaltung, wie Berlin ohne
den Bund eine Bleiberechtsperspektive für Drittstaatsangehörige eröffnen
kann. Kommenden Dienstag will die Landesregierung das Ergebnis absegnen.
Wie das aussehen wird, will die Sprecherin der federführenden
Innenverwaltung mit Verweis auf „noch laufende Abstimmungen“ nicht
verraten.
Elif Eralp, Abgeordnete der Linksfraktion und in ihrer Partei zuständig für
das Thema, zeigt sich dagegen auf taz-Anfrage zuversichtlich, dass man sich
auf eine Regelung im Sinne der Geflüchteten einigen wird. „Wir liegen
eigentlich nur noch im Detail auseinander“, sagt sie.
Eine Lösung könnte nach ihrer Darstellung so aussehen, dass Drittstaatler
vom LEA eine sogenannte Fiktionsbescheinigung für ein Jahr bekommen. So
lange hätten sie dann Zeit, ihren „Aufenthalt zu verfestigen“ – etwa ind…
sie Deutsch lernen, um ihr Studium fortzusetzen. Noch sei offen, ob dies
für alle Gruppen – etwa auch für geflohene Arbeitnehmer*innen – gelten
soll, so Eralp. Die Linkspartei strebe das an.
Eine Gleichstellung mit den Ukrainer*innen, wie sie Flüchtlingsrat, ISD und
andere fordern, wäre dies aber nicht.
Wie viele Menschen das Problem betrifft, weiß übrigens niemand. Der Senat
hat kürzlich auf eine Anfrage von Eralp erklärt, da Kriegsflüchtlinge aus
der Ukraine visumfrei einreisen können, gebe es keine statistische
Erfassung von Drittstaatlern. Brezger ist jedoch sicher, „dass viele
Tausend Drittstaatler in Deutschland sind“, in Berlin wohl mehrere Hundert.
Laut Integrationsverwaltung, die sich auf Zahlen des UN-Flüchtlingswerks
beruft, sind von den 8 Millionen Ukraine-Flüchtlingen, die in Europa
Zuflucht gesucht haben, rund 290.000 Drittstaatsangehörige.
11 Aug 2022
## LINKS
[1] /BiPoC-Gefluechtete-in-Berlin/!5863496
[2] https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/bmi_aufenthalt_ukraine…
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Initiative Schwarze Menschen in Deutschland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Krieg und Frieden
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ukraine-Flüchtlinge aus Drittstaaten: Geflohen vor demselben Krieg
Ein aus der Ukraine geflüchteter Nigerianer wurde beinahe aus Bayern
abgeschoben. SPD-Politiker Hakan Demir fordert Lösungen für diese Fälle.
Ukrainische Flüchtlinge in Moldau: Kleines Land, große Herzen
Die moldauische Stadt Edineț hat für ukrainische Geflüchtete ein
„Friedensdorf“ gebaut. Es ist Oase der Sicherheit – und Ort zum Pläne
schmieden.
Regelungen für Drittstaatler aus Ukraine: Senat nur mit halber Lösung
Berlins Landesregierung bleibt hinter ihrem Anspruch zurück. Die
Aufenthaltsreglung für Studierende greift zu kurz, andere Gruppen bleiben
ganz außen vor.
Aufenthaltsrecht: Studierende bekommen 6 Monate
Senat gibt Ukraine-Flüchtlingen aus Drittstaaten, die im Land studiert
haben, ein vorläufiges Aufenthaltsrecht.
Drittstaatsangehörige in Deutschland: Kein Zuhausegefühl
Aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatsangehörige erleben in Deutschland
eine Ungleichbehandlung. In Berlin-Kreuzberg sprachen sie darüber.
Russland-Politik in baltischen Ländern: Kein Visum für Russ*innen
Lettland und Estland erschweren Russ*innen, die ein Schengen-Visum
besitzen, die Einreise. Sie fordern die EU auf, dasselbe zu tun.
SPD-Politiker über Geflüchtete: „Sie fliehen vor demselben Krieg“
Hakan Demir kritisiert die Ungleichbehandlung von Menschen, die ohne
ukrainischen Pass aus der Ukraine fliehen. Er fordert für sie gleichen
Schutz.
Ungleichbehandlung von Geflüchteten: „Das ist Rassismus“
Ukrainische Geflüchtete haben viel mehr Rechte als andere Flüchtlinge. Die
feministischen Zentren Berlins fordern ein Ende dieser Ungleichbehandlung.
Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine: „Ganz klares Racial Profiling“
Noch immer werden Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine in Polen und
Deutschland anders behandelt als weiße, kritisiert Jeff Klein vom Verein
EOTO.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.