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# taz.de -- Drittstaatsangehörige in Deutschland: Kein Zuhausegefühl
> Aus der Ukraine geflüchtete Drittstaatsangehörige erleben in Deutschland
> eine Ungleichbehandlung. In Berlin-Kreuzberg sprachen sie darüber.
Bild: Ukrainer im März am Berliner Hauptbahnhof
Berlin taz | „Seit meinem [1][ersten Tag in Deutschland] wusste ich, dass
es ein Kampf werden würde“, sagt Christiana Adeniyi. Sie sitzt auf einem
Podium im „Raum für solidarisches Miteinander“ im betterplace Umspannwerk
(bUm) in Berlin-Kreuzberg. Adeniyi ist eine der Redner*innen des
zivilgesellschaftlichen Bündnisses [2][CUSBU], das sich gegen die
[3][Ungleichbehandlung schwarzer Geflüchteter] aus der Ukraine einsetzt.
Auf der Veranstaltung am vergangenen Freitag haben sie über deren aktuelle
Lage informiert.
Adeniyi berichtet, dass sie gleich nach Ankunft in Deutschland das erste
Erlebnis einer Ungleichbehandlung hatte. Als sie sich in einem Amt
registrieren lassen wollte, sagte man zu ihr: „Das ist hier nur für
Ukrainer*innen“. Zu diesem Zeitpunkt hatte Adeniyi noch kein Dokument
vorgelegt. Das einzig Offensichtliche: Sie ist schwarz. Daraufhin habe die
Studentin gefragt: „Woher wissen Sie, dass ich keine Ukrainerin bin?“
„Der Krieg in der Ukraine hat einen Scheinwerfer auf die rassistische und
imperialistische Flüchtlingspolitik Deutschlands und der EU geworfen“,
stellt auch Alexander Gorski fest. Er ist Anwalt für Migrationsrecht und
bringt in dieser Funktion die rechtliche Perspektive in die Veranstaltung
ein. Laut einer Meldung der Deutschen Pressagentur vom Juli sind etwa
25.000 Drittstaatsangehörige und 890.000 Ukrainer*innen in Deutschland
registriert.
## Herkunftsland ist kein Zuhause
Menschen, die die ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen oder dauerhaft in
der Ukraine lebten, haben nach [4][der EU- Massenzustromrichtlinie] ein
Recht auf vorübergehenden Schutz. Für Drittstaatsangehörige aus sicheren
Herkunftsländern endet die visumsfreie Übergangsregelung, gemäß derer alle
Flüchtlinge erst einmal Schutz außerhalb der Ukraine fanden, am 31. August
2022.
Das zivilgesellschaftliche Bündnis [5][CUSBU nimmt sich Schwarzer Menschen
und People of Color an]. Zumeist sind das Menschen, die sich in der Ukraine
für ein Studium oder Arbeit aufhielten und eben nicht dauerhaft in der
Ukraine lebten. Für sie ist ihr Herkunftsland allerdings nicht viel mehr
als das, was in ihrem Pass steht. Es gebe für sie dort kein
„Zuhausegefühl“, berichten sie in Kreuzberg. Oft seien sie vor
Chancenlosigkeit und Terror geflohen. In der Ukraine fanden sie eine
Perspektive.
„Wenn ich zurückkönnte, dann würde ich zurückgehen“, sagt auch Collins
Xavier, ein Student aus der Ukraine. Aus seinen Äußerungen ist die Wut über
die Behandlung, die er in Deutschland erfahren hat, herauszuhören. Die
Erklärung der Behörden, dass Menschen wie er, aus sogenannten „sicheren
Herkunftsländern“ stammen und daher mit Ablauf der visumfreien Zeit
zurückkehren müssen, ist für die Betroffenen mitunter eine Katastrophe. „Es
ist keine Fiktion, keine Horrorstory“, macht Collins Xavier deutlich. „Es
ist unser Leben“. Er fühle sich wie ein Mensch zweiter Klasse und will
gegen die Ungleichbehandlung kämpfen. „Dass ich nicht weiß, was passieren
wird und wohin ich gehen soll, macht mir Angst“, sagt Xavier.
## Bürokratie- und Informationsdschungel
Die Zeit seit Beginn der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine war für
Schwarze Menschen und People of Color gespickt mit rassistischen
Erfahrungen und bürokratischen Hürden. Teilweise wurden sie aus Zügen
gedrängt, um weißen Menschen den Vortritt zu gewähren. Aufgrund ihrer
Hautfarbe seien sie vorverurteilt worden und die Verwaltung habe
intransparent und mit ständig neuen Regelungen für permanente Unklarheit
gesorgt. „In Deutschland sind unsere Füße zusammengebunden, wir haben nicht
die gleichen Rechte“, sagt Captain, ebenfalls eine Geflüchtete mit Wurzeln
in einem Drittstaat, die nicht mit vollem Namen genannt werden will.
Energisch vertritt sie an diesem Freitag in Kreuzberg die Interessen der
ehemals Berufstätigen und macht auf deren Not aufmerksam. Egal wie
qualifiziert sie seien, sie bekämen keine Chance in Deutschland.
Anwesend ist auch Edwin Greve vom Migrationsrat in Berlin. Er begleitet
ukrainische Flüchtlinge seit Beginn des Angriffskrieges. Auf der
Veranstaltung beschreibt er den Bürokratie- und Informationsdschungel, den
sie durchlaufen müssen. Es sei schwer gewesen, „selbst die grundlegendsten
Informationen zu bekommen“. Immer wieder seien Dokumente doppelt gefordert
worden oder keiner habe gewusst, wer eigentlich zuständig sei. Greve
fordert den Berliner Senat auf, Drittstaatsangehörigen Perspektiven zu
bieten. Laut Anwalt Alexander Gorski trägt auch die ukrainische Botschaft
eine Teilverantwortung. Von der Botschaft werde systematisch verhindert,
dass Staatsbürgerschaften anerkannt werden. Meist liege das an fehlenden
Dokumenten. „Allerdings kann man schlecht in den Krieg zurückkehren, um die
Papiere aus der Wohnung zu holen“, gibt auch Captain zu bedenken.
Die Initiative Cusbu hat eine Petition gestartet, die ein Bleiberecht nach
Paragraf 24 für alle ukrainischen Flüchtlinge fordert. Der Paragraf 24 des
Aufenthaltsgesetzes regelt die „Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden
Schutz“. Nur [6][wer darunter fällt], darf in Deutschland bleiben,
Leistungen beziehen und arbeiten.
Iman Abdikarim von der Initiative macht klar: „So kann es nicht
weitergehen, dieses Zweiklassensystem muss endlich durchbrochen werden.“
15 Aug 2022
## LINKS
[1] /BiPoC-Gefluechtete-in-Berlin/!5863496
[2] https://www.cusbu.de/home
[3] /Namibische-Gefluechtete-aus-der-Ukraine/!5866680
[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32022D0382&…
[5] /BiPoC-Gefluechtete-in-Berlin/!5863496
[6] https://dejure.org/gesetze/AufenthG/24.html
## AUTOREN
Sean-Elias Ansa
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Flucht
Geflüchtete
Diskriminierung
Sicherer Drittstaat
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