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# taz.de -- Affäre um Bezirksbürgermeister: „Ich trete nicht zurück“
> Das Bezirksparlament in Mitte diskutiert am Donnerstagabend über einen
> Antrag zur Abwahl von Stephan von Dassel. Der weist die Vorwürfe zurück.
Bild: Im Bezirksparlament geht es Donnerstag um die Zukunft von Bürgermeister …
Berlin taz | Deutschland und EU-Flagge, Berlins Bären-Fahne und die des
Bezirks Mitte, davor und zur Seite nüchterne Holztische und bodentiefe
Fenster. Das ist das [1][Setting] von Berlins wichtigstem Politiktermin an
diesem Donnerstag, in einem Pavillon hinter dem 14-stöckigen Rathaus Mitte.
Hier trifft sich das örtliche Bezirksparlament um 17.30 Uhr zu einer
Sondersitzung. Einziger Tagesordnungspunkt ist der [2][Antrag mit der
Nummer 0439/VI]: „Abberufung des Bezirksbürgermeisters“. Das ist Stephan
von Dassel, und den wollen nicht bloß die Antragsteller von CDU und FDP
abwählen sowie die Sozialdemokraten, sondern auch seine eigenen
Parteifreunde von der Grünen-Fraktion.
Es ist ein Drama in (mindestens) zwei Akten: Am Donnerstag wird über den
Antrag debattiert, in zwei Wochen am selben Ort abgestimmt.
Anfang August erst war breiter bekannt geworden, dass es im Bezirk seit
mehreren Monaten Ärger um die Besetzung einer wichtigen Leitungsposition im
Bezirksamt geht. Der Vorwurf: Von Dassel soll versucht haben, den im
Auswahlverfahren unterlegenen Bewerber von einer Klage abzuhalten, die eine
Stellenbesetzung möglicherweise auf Jahre verhindert hätte. Im Zentrum
steht eine vom Unterlegenen weitergeleitete SMS von Dassels, die der taz
vorliegt. Darin heißt es: „Ich könnte … mir eine privatrechtliche Einigung
zwischen uns vorstellen, denn ich will das Verfahren endlich abschließen.“
Von Dassel führt darin weiter aus, dass er sich eine Vakanz auf der für
seine Arbeit wichtigen Stelle nicht leisten kann.
Umstritten ist, ob von Dassel für einen Rückzug dem unterlegenen Bewerber
Geld aus seiner eigenen Tasche geboten hat, ihn also quasi privat auszahlen
wollte. Der Bezirksbürgermeister bestreitet das und will über den
prominenten Medienanwalt Christian Schertz rechtliche Schritte gegen jene
einleiten lassen, die das behaupten.
## Grüne Jugend sieht „Ämterkauf“
Dass die Opposition im Bezirksparlament, wo Grüne und SPD zusammen eine
Mehrheit haben, auf von Dassel im besten Fall unkonventionelles Vorgehen
ansprang, überraschte nicht. Anders aber, dass sich, lauter noch als CDU
und FDP, die eigenen Parteifreunde meldeten: [3][„Ämterkauf, Klüngelei &
Bestechung“] hielt ihm die Grüne Jugend via Twitter vor. Die eigene
17-köpfige Fraktion beschloss – offenbar mit acht zu sechs Stimmen, bei
zwei Enthaltungen und einer Nichtbeteiligung – [4][einen Abwahlantrag zu
stellen oder zu unterstützen].
Das [5][Disziplinarverfahren bei der Regierenden Bürgermeisterin]
abzuwarten, das von Dassel vor eineinhalb Wochen gegen sich selbst
beantragte, wie es der Kreisvorstand der über 2.000 Grünen-Mitglieder in
Mitte fordert? Die Fraktion – genauer: die gar nicht mal absolute
Anti-von-Dassel-Mehrheit darin – will das anders als die Kreisspitze nicht
und hat dafür Rückendeckung vom Landesvorstand bekommen.
Das wirft die Frage auf: Geht es gar nicht um den konkreten Fall, sondern
nur darum, den eigenen Bürgermeister im zweiten Anlauf doch noch
loszuwerden?
Der erste scheiterte an einem feucht-grauen Septembervormittag 2020 im
Poststadion. Dort nominierten die Grünen, Pandemie-bedingt Open Air,
ihren Bürgermeisterkandidaten für die Berlinwahl im folgenden Jahr. Und
von Dassel, seit 2016 im Amt, hatte [6][als Gegenkandidaten den Chef der
eigenen Fraktion] im Bezirksparlament.
Die Kritik am Amtsinhaber: Von Dassel sei zu wenig grün. Besonders
verärgert waren vorrangig Parteilinke über sein Vorgehen gegen ein
Obdachlosencamp und die Forderung, [7][aggressive osteuropäische
Obdachlose abschieben] zu lassen, über ein Alkoholverbot auf dem
Leopoldplatz und Einschränkungen bei der Straßenprostitution. Ein von
anderer Seite durchaus begrüßtes robustes Vorgehen passte manchen nicht
ins grüne Weltbild.
Dabei durfte das alles kaum überraschen. Von Dassels Grundhaltung bildet
schon die Überschrift auf seiner Internetseite ab: „Gute Politik beginnt
mit der Betrachtung der Wirklichkeit“ steht da. Der taz sagte er vor dem
Duell im Poststadion zur Kritik von Parteikollegen: „Leider enden
Wahlprogramme oft da, wo die Probleme anfangen.“ Politisch eng verbunden
war er mit Ramona Pop, der 2021 aus der Landespolitik ausgeschiedenen
langjährigen Fraktionschefin und späteren Wirtschaftssenatorin.
Seine Politik betrieb von Dassel nicht im Stil eines charismatischen
Volkstribuns, sondern eher nüchtern-akribisch. Ein Menschenfänger war er in
seiner ganzen politischen Karriere nicht, die ihn vor dem Bürgermeisteramt
als Geschäftsführer der Grünen-Fraktion in Mitte, Referent in der
Abgeordnetenhausfraktion und ab 2009 als Stadtrat wiederum in Mitte sah.
Im Poststadion wehrte von Dassel nach zwei Wahlgängen und letztlich 127 zu
115 Stimmen den Angriff seiner Kritiker ab. Unter seiner Führung steigerten
die Grünen danach ihr Ergebnis im Bezirk Mitte [8][bei der Wahl am 26.
September 2021] deutlich auf 28,5 Prozent, fast fünf Prozentpunkte mehr als
2016.
Nun aber sieht es nicht danach aus, als ob sich von Dassel im Amt halten
könnte. Bislang hat sich niemand offenbart, der am Donnerstagabend bei der
Debatte für ihn Partei ergreifen will.
Auch von Dassel selbst weiß nach eigenen Worten von keinem, der sich in der
Debatte für ihn einsetzen will. „Keine Ahnung, ich lasse mich da
überraschen.“ Im Gespräch mit der taz knapp 30 Stunden vor Sitzungsbeginn
lehnte er einen freiwilligen Rückzug dennoch weiter ab, weil die Vorwürfe
gegen ihn nicht gerechtfertigt seien: „Ich trete nicht zurück.“
Das Amt selbst bliebe bei einer Ab- und folgenden Neuwahl mutmaßlich in
grünen Händen: Nur eine höchst unwahrscheinliche Koalition aus SPD,
Linkspartei und CDU könnte jemanden gegen den Willen der Grünen [9][als
stärkster Fraktion] wählen.
24 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenver…
[2] https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenver…
[3] https://twitter.com/gjberlin/status/1559496120400859137?cxt=HHwWgsC-0a_duKQ…
[4] https://gruene-mitte.de/meldungen/gemeinsames-statement-bzbm-stephan-von-da…
[5] /!5871844/
[6] /Kandidatenwahl-open-air/!5714349
[7] https://gruene.berlin/nachrichten-lag-migration-flucht/offener-brief-an-ste…
[8] https://wahlen-berlin.de/wahlen/Be2021/AFSPRAES/bvv/ergebnisse_bezirk_01.ht…
[9] https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenver…
## AUTOREN
Stefan Alberti
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