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# taz.de -- Grüner Bezirksbürgermeister unter Druck: Tritte in Mitte
> Mittes Bürgermeister von Dassel ist nach einer fragwürdigen
> Stellenbesetzung in Erklärungsnot. Giffey (SPD) fordert Aufklärung, CDU
> und FDP Konsequenzen
Bild: Stephan von Dassel (Grüne) gilt manchen als Boris Palmer von Berlin
Berlin taz | Der grüne Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel,
ist angezählt: Nun verlangt auch Berlins Regierende Bürgermeisterin,
Franziska Giffey (SPD), Transparenz nach einer fragwürdigen
Stellenbesetzung durch sein Bezirksamt. „Die Regierende Bürgermeisterin
erwartet eine zügige Aufklärung der erhobenen Vorwürfe“, sagte die
Sprecherin Lisa Frerichs auf taz-Anfrage. Giffey ist für die Dienstaufsicht
über die Bezirksbürgermeister verantwortlich. Ob hier rechtlich gesehen
tatsächlich ein Eingreifen in Frage kommt, konnte die Senatskanzlei jedoch
zunächst nicht beantworten.
Im Raum steht ein mögliches Dienstvergehen von Dassels. Nachdem dessen
Vertrauter aus dem Parteivorstand in Mitte einen Leitungsposten in seinem
Bezirksamt bekommen haben soll, klagte ein Mitbewerber. Daraufhin soll von
Dassel mit dem Kläger verhandelt haben, die Klage zurückzuziehen. Das
Bezirksamt bestätigte, dass „sowohl eine öffentlich-rechtliche als eine
privat-rechtliche außergerichtliche Einigung geprüft und verworfen“ worden
sei.
Weder das Bezirksamt noch von Dassel wollten sich auf taz-Anfrage über
dessen Twitter-Statement hinaus äußern. Dort kritisierte der
Bezirksbürgermeister die Berichterstattung und behauptete, dass die
Forderung nach einer Geldzahlung zunächst vom Kläger vorgeschlagen worden
sei. Belege dafür blieb er allerdings schuldig, zumal er dort selbst
einräumte, den Kläger gefragt zu haben, ob für ihn auch eine
„privatrechtliche Einigung“ in Frage käme.
## Der Druck auf von Dassel steigt
Rückblickend war es laut von Dassel ein Fehler, der Geldforderung nicht
gleich eine Absage zu erteilen. Demgegenüber fragte von Dassel in einer
auch der taz vorliegenden SMS allerdings den Kläger direkt: „Wären Sie auch
zu einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen uns als Privatpersonen
analog der skizzierten Rahmenbedingungen bereit?“ Neben Tagesspiegel
zitierte auch die CDU Mitte gleichlautend aus dem SMS-Verlauf.
Der Druck auf von Dassel steigt entsprechend: Die CDU Mitte sprach von
„Verquickung von privaten und dienstlichen Interessen“, die Linke von einem
„Skandal“, die FDP von „unlauterem Verhalten“. CDU und FDP hatten zuvor
bereits das [1][Eingreifen von Giffey gefordert].
Die Grünen in Mitte hüllen sich bislang in Schweigen dazu. Auf taz-Anfrage
wollte weder der Kreisverband noch die Grünen-Fraktion der
Bezirksverordnetenversammlung Fragen beantworten. Man berate sich derzeit
noch gremienübergreifend, hieß es aus der Fraktion. Man nehme die Vorwürfe
sehr ernst und sei im Austausch mit von Dassel, hieß es aus der Partei.
Am Montagabend sollte zunächst eine Fraktionssitzung stattfinden.
Interessant: Die Grünen-Fraktion hatte bereits im Dezember [2][explizit die
Stellenbesetzung] kritisiert, die von Dassel jetzt um die Ohren fliegt.
Damals stellte die Fraktion das „Verhalten des Bezirksbürgermeisters stark
in Frage“ und forderte Aufklärung.
## Berlins Boris Palmer
Unbeliebt macht sich von Dassel, der seit 2016 Bezirksbürgermeister ist,
auch immer wieder mit provokanten Thesen und restriktiver Politik – manchen
[3][gilt er als Berlins Boris Palmer]. So verhängte er im Juli ein
Alkoholverbot ab 22 Uhr im Monbijou- und James-Simon-Park – als Antwort auf
nächtliche Partys, Vermüllung und Wildpinkelei. Obdachlose lässt er immer
wieder von Plätzen und aus Parks räumen.
Auch sonst mutet seine Politik oft repressiver an, als es vielen
Parteifreunden lieb sein dürfe; etwa beim Thema Obdachlose, die er immer
wieder samt ihrem Habe von Plätzen und aus Parks räumen lässt. Die Berliner
Obdachlosenhilfe war über Dassel, auch wegen dessen Tiraden gegen
„aggressive osteuropäische Obdachlose“, die er abschieben lassen wollte, so
erbost, dass der Verein 2019 den Ehrenamtspreis des Bezirks Mitte ablehnte.
Gleichzeitig werfen manche dem Politiker vor, dass er
Immobilien-Spekulanten und -investoren mit Samthandschuhen anfasse. Mit dem
Eigentümer der Häuser Habersaathstraße 40-47 etwa verhandelt er seit
Monaten über den Abriss des erst vor rund 40 Jahren mit öffentlichen
Mitteln errichteten und 2008 energetisch sanierten Plattenbaus mit rund 120
Wohnungen. Die ehemaligen Obdachlosen, die dort Wohnungen besetzt haben,
fühlen sich von ihm im Stich gelassen.
Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde nachträglich geändert.
15 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.cdu-fraktion-mitte.de/news/lokal/577/Gemeinsame-Presseerklaerun…
[2] https://twitter.com/GrueneBVVMitte/status/1472632143088164876
[3] /Interview-mit-Stephan-von-Dassel/!5520984
## AUTOREN
Gareth Joswig
Susanne Memarnia
## TAGS
Stephan von Dassel
Grüne Berlin
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Alkoholverbot
Stephan von Dassel
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