# taz.de -- Schulessen in Hamburg und Bremen: Hamburg setzt auf billig statt Bio | |
> Die Bioquote beim Hamburger Schulessen liegt bei nur zehn Prozent. Die | |
> Stadt erklärt das mit Bezahlbarkeit. Doch Bremen zeigt, dass Bio günstig | |
> geht. | |
Bild: Hauptsache es kostet nicht viel: ob Bio oder nicht, spielt beim Hamburger… | |
Hamburg taz | Projekttag Klimagerechtigkeit oder Ernährung? Das ist fast | |
schon Standard an Hamburgs Schulen. Aber wenn es um die praktische | |
Umsetzung geht, sieht es ganz anders aus: Die Mindestbioquote beim | |
Hamburger Schulessen liegt mit zehn Prozent deutlich unter der Quote | |
anderer Stadtstaaten – und geht es nach dem Willen der Schulbehörde, wird | |
sich daran auch nichts ändern. In Berlin liegt der Bioanteil bei 50 | |
Prozent, Bremen hat sich für das Essen in Kitas und Schulen das stolze Ziel | |
von 100 Prozent gesetzt und erfüllt aktuell zwischen 40 und 60 Prozent. | |
Die Hamburger Elternkammer kritisiert die bescheidenen Vorgaben der Stadt. | |
Elternkammervorsitzende Alexandra Fragopoulos schreibt auf Anfrage der taz, | |
dass eine Erhöhung der Bioquote „nicht nur notwendig, sondern längst | |
überfällig“ sei. Sie fordert „mindestens 60 Prozent“ und perspektivisch… | |
Prozent Bioanteil beim Schulessen. So lernten die Kinder bereits von klein | |
auf, „wie wichtig gute Ernährung ist und wie eine gute Ernährung aussieht�… | |
Damit wiederholt Fragopoulos das, was auch | |
Ernährungswissenschaftler:innen schon seit Jahren fordern: dass | |
[1][Schulkantinen als Lernorte] verstanden werden, als Chance, | |
Nachhaltigkeit bei jedem Mittagessen neu ganz praktisch zu verstehen. | |
Gerade Hamburg hätte gute Gründe, das umzusetzen: Die Stadt ist bereits | |
2016 dem [2][Bio-Städte-Netzwerk] beigetreten, das sich unter anderem zum | |
Ziel gesetzt hat, bei der Ernährung von Kindern und Jugendlichen auf | |
Bio-Lebensmittel zu setzen und die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Umland | |
zu stärken. Die [3][Bürgerschaft verabschiedete schon 2019 einen Antrag], | |
wonach der Senat prüfen soll, inwieweit der Bioanteil beim Schulessen | |
ausgedehnt werden könne. Passiert ist seither wenig. | |
Der Grund für Hamburgs Zurückhaltung: Das Essen solle „bezahlbar“ bleiben, | |
schreibt die Sprecherin der Schulbehörde, Luisa Wellhausen, auf Anfrage der | |
taz. Derzeit übernimmt bei etwa einem Drittel der Hamburger | |
Schüler:innen Stadt oder Bund die Kosten, bei einem weiteren Drittel | |
gibt es Zuschüsse. Ein Drittel zahlt den vollen Preis von 4,15 Euro. | |
Insgesamt bringt die Stadt jährlich 44 Millionen Euro fürs Schulessen auf. | |
## Fleischkonsum muss runter | |
Doch das Kostenargument überzeugt nicht alle. Schaut man über die | |
Stadtgrenzen hinaus, finden sich durchaus Beispiele, wo hohe Bioquoten mit | |
geringen oder gar keinen Kosten für die Eltern verbunden sind. In Berlin, | |
wo die Caterer seit 2021 pro Mahlzeit 4,36 Euro bekommen, übernimmt die | |
Stadt die gesamten Kosten für Schulkinder von der ersten bis zur sechsten | |
Klasse. In Hamburg tobt dagegen gerade der [4][Streit über die Forderung | |
der Caterer], angesichts der gestiegenen Lebensmittelpreise 4,65 Euro pro | |
Mahlzeit zu erhalten. Bio oder nicht, spielt bislang keine Rolle. | |
In Bremen ist man sich sicher, dass die [5][Umstellung] bezahlbar ist – | |
freilich nicht, ohne etwas an Gewohnheiten zu ändern. „Wenn man alle | |
Stellschrauben dreht, ändert sich nicht so viel am Preis“, meint Jens | |
Tittmann, Sprecher der zuständigen Umwelt- und Landwirtschaftssenatorin. | |
Der wichtigste Ansatzpunkt: die drastische Reduzierung der Fleischmengen. | |
Bei Fleisch fällt der Preisunterschied zwischen konventioneller und | |
Biohaltung besonders groß aus. Nur noch einmal die Woche soll es für Kinder | |
in Bremens Schulen und Kitas Fleisch geben. Praktischerweise entspricht das | |
ohnehin der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Wie hoch | |
der Anteil an Fleisch aktuell ist, ist schwer zu erfassen: 90 Kitas | |
arbeiten mit eigenen Küchen; auch einige Schulen kochen selbst oder können | |
sich jeweils für eigene Caterer entscheiden. | |
Ein geringer Fleischanteil ist die wichtigste Maßnahme für stabile Preise, | |
Stellschrauben gibt es aber noch mehr: Auch saisonales und regionales Essen | |
sollen sowohl die Umwelt als auch das Küchenbudget schonen. „Bezahlbar“ | |
heißt dabei nicht „kostenneutral“, darauf weisen vor allem die Bremer | |
Catererfirmen hin. Laut Mücella Demir von dem für die Umsetzung zuständigen | |
Projekt „BioStadt Bremen“ geht es um etwa 10 bis 15 Prozent Mehrkosten | |
bezogen auf den Wareneinsatz. Da die Waren am fertigen Preis etwa ein | |
Drittel ausmachen, reduziert sich die Kostensteigerung am Endprodukt auf | |
etwa drei bis fünf Prozent. | |
## Kreativität hilft beim Sparen | |
Momentan kostet das Essen für Eltern von Kindern an Ganztagsgrundschulen im | |
Land Bremen pauschal 35 Euro im Monat, für Geschwisterkinder etwas weniger. | |
Alle Kosten darüber hinaus übernimmt die Stadt ohnehin. An weiterführenden | |
Schulen ist das aber komplizierter: Hier variieren die Preise je nach Küche | |
oder Caterer; der Durchschnitt liegt aktuell bei 3,94 Euro. | |
Wer sich das nicht leisten kann, kann unter Umständen Leistungen nach dem | |
Bildungs- und Teilhabegesetz des Bundes erhalten. „Wir diskutieren gerade, | |
ob man die Kostenübernahme irgendwie einheitlicher gestalten kann“, sagt | |
Maike Wiedwald, Sprecherin der Bremer Bildungssenatorin. | |
Wie aber sieht es praktisch aus, das günstige Bioessen für Bremer Kinder an | |
Kitas und Schulen? Einen Musterspeiseplan für die verschiedenen | |
Jahreszeiten hat die Stadt nicht zur Hand – „das tötet die Kreativität in | |
den Küchen“, begründet Demir von BioStadtBremen. Erfahrungswerte gibt es | |
aber: Erste Einrichtungen haben die Umstellung schon als Projekt erprobt. | |
Empfohlen habe sich etwa, im Sommer große Mengen Erdbeeren einzufrieren, um | |
im ganzen Jahr selber Erdbeerjoghurt machen zu können. „Ein Nachtisch, der | |
besser schmeckt, gesünder ist und auch noch günstiger als das | |
Convenience-Produkt“, so Demir. Auch beim verbliebenen Restanteil von | |
Biofleisch könne man kreativ werden – und etwa die bei vielen | |
Konsument*innen ungeliebten Hähnchenflügel kaufen statt der teuren | |
Hähnchenbrust. | |
Das alles erfordert allerdings gerade in der Anfangszeit viel Aufwand. Es | |
braucht neue Essenspläne, neue Lieferant*innen, neue Absprachen. Eigentlich | |
wollte man in Bremen die Umstellung bis 2022 geschafft haben. Das Ziel | |
wurde jetzt auf 2024 verschoben: „Corona hat uns zwei Jahre gekostet“, sagt | |
Demir. Neue Koch- und Kaufgewohnheiten müssen sich im Alltag einspielen | |
und, nicht zu vergessen: Das Essen muss den Praxistest vor kritischen | |
Kinderzungen bestehen. Als wegen der Schul- und Kitaschließungen selten | |
gekocht wurde, fiel das weg. | |
Um jetzt trotzdem schnell weiterzukommen, hat die Stadt ein | |
Fortbildungsprogramm gestartet. Über die Volkshochschule werden vom | |
[6][„Forum für Küche im Wandel“] seit Juli Weiterbildungen angeboten. Die | |
Online-Kurse richten sich besonders an Küchen- und Kantinenpersonal, sind | |
aber auch für alle Privatpersonen, die teilnehmen wollen, kostenfrei. | |
15 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Ernaehrungsexpertin-ueber-Schulessen/!5711684 | |
[2] https://www.biostaedte.de/ | |
[3] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/67033/biolandbau_in_hambur… | |
[4] /Hamburg-streitet-ums-Schulessen/!5858174 | |
[5] /Billigfleischbremse-in-Bremer-Kliniken/!5827658 | |
[6] https://www.vhs-bremen.de/forumkueche | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
Friederike Gräff | |
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