# taz.de -- Schulprojekt zu Wasser: „Sie wissen um ihre Möglichkeiten“ | |
> Achtklässler*innen haben ein Jahr lang zu nachhaltiger | |
> Wasserwirtschaft gearbeitet: Eine Form von Empowerment, sagen die | |
> beteiligten Künstlerinnen. | |
Bild: Die Prinzessinengärten in Kreuberg: Das Gartenprojekt baut auch Draußen… | |
taz: Frau Engel, Frau Pierwoss, „Kann Schule Klima retten?“ haben Sie mit | |
einer 8. Klasse gefragt. Wie lautet Ihre Antwort nach einem Schuljahr | |
Projektarbeit? | |
Franziska Pierwoss: Ich glaube, Schule kann und muss das Klima nicht | |
retten. Diese Aufgabe kommt Politik und Wirtschaft zu – die müssen zuerst | |
in Aktion treten, und zwar so radikal wie möglich. Was in der Schule | |
passieren muss: Das Thema Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit muss | |
grundsätzlich als Fokus dort verankert werden, im Unterricht und in den | |
Lehrplänen. Aber die Kinder und Jugendlichen, die jetzt etwa mit Fridays | |
for Future auf die Straße gehen, haben nicht die Verantwortung, das Klima | |
zu retten. Die liegt bei uns, bei den Großen. | |
Aber Schule kann Druck machen, als Teil der Zivilgesellschaft? | |
Pierwoss: Ja. Aber ich glaube, dass man eben im Blick behalten muss, wem | |
man die Verantwortung gibt. | |
Haben Sie gemerkt, dass die Schüler*innen, mit denen Sie gearbeitet haben, | |
eine Verantwortung spüren – dass sie die Generation sind, die den nötigen | |
Druck aufbauen muss? | |
Pierwoss: Ich würde es positiv formulieren: Es gibt eine | |
Selbstverständlichkeit für das Thema, die schon erstaunlich ist. Ich gebe | |
auch an anderen Orten Workshops für Nachhaltigkeit, da muss ich oft mehr | |
erklären. Bei den Jugendlichen nicht: Da war für alle klar, wir sind mitten | |
in der Klimakrise. Da war schon ganz viel Wissen vorhanden. | |
Sie haben konkret zu nachhaltiger Wasserwirtschaft mit den Schüler*innen | |
gearbeitet. Was genau ist da entstanden? | |
Pierwoss: Wir haben im Kunstunterricht angefangen: Die Schüler*innen | |
sollten sich vorstellen, die ganze Schule wird von einem Hochwasser | |
überflutet. Im vergangenen Herbst, als wir angefangen haben, war die | |
Flutkatastrophe im Ahrtal auch noch sehr präsent. Wir haben gefragt: Was | |
würdet ihr tun, wie würdet ihr helfen, wie würdet ihr euch in Sicherheit | |
bringen? Das sollten die Jugendlichen in einem Standbild nachstellen. | |
Jana Engel: Wir sind vom Kunstunterricht ausgegangen, da war die | |
Kooperation mit dem HKW angesiedelt, sind dann aber auch in fast alle | |
anderen Fächer reingegangen und haben quasi … | |
Pierwoss: … den Lehrplan infiltriert. (lacht) | |
Engel: Was nur möglich war, weil die Klassenlehrerin Teresa Reichelt | |
hochmotiviert mit uns zusammengearbeitet hat. Etwa alle drei Wochen waren | |
wir an der Schule. Wir haben im Englischunterricht zum Beispiel über | |
Greenwashing diskutiert. In Geografie haben wir ein Weltverteilungsspiel | |
gespielt: Wie ist die Weltbevölkerung verteilt, wie das Wasser und wie das | |
Geld. Dann haben wir am Beispiel des Kakaoanbaus die Produktionsbedingungen | |
und den Weg der Ressource Wasser nachvollzogen – wo kommen die großen | |
Mengen Wasser zum Einsatz, die in einer Tafel Schokolade stecken? Und wo | |
wird hinterher die meiste Schokolade konsumiert? | |
Sie haben aber nicht nur ein Bewusstsein bei den Schüler*innen für das | |
Thema Wasser geschaffen, sondern sind auch ganz praktisch auf dem Schulhof | |
tätig geworden – richtig? | |
Pierwoss: Es gab ganz konkret den Wunsch, auch an der Infrastruktur der | |
Schule etwas zu verändern. Wir haben mithilfe eines Experten und des | |
Hausmeisters eine Regenwasserbewässerungsanlage gebaut. | |
Engel: An einem Gebäude des Schulgeländes haben wir die Regenrinne, das | |
Fallrohr, angezapft. Das heißt, das Wasser läuft in ein Fass, wird dann mit | |
einer Pumpe durch einen Filter geleitet und in zwei großen | |
1.000-Liter-Tanks gesammelt. Die Kinder können sich das gefilterte | |
Regenwasser dann holen und damit die Bäume auf dem Schulhof oder ihren | |
Schulgarten gießen. | |
Pierwoss: Man kann in weiteren Schritten in der Zukunft diese Anlage auch | |
noch smart machen. | |
Was heißt das? | |
Engel: Man könnte einen Schlauch mit Sensoren an die Anlage anschließen und | |
den zu den Beeten führen. Dann würde die Anlage nach entsprechender | |
Programmierung automatisch wässern, wenn der Boden zu trocken wird oder | |
wenn es im Sommer am effektivsten ist, also nachts. | |
Pierwoss: Es ist dabei ja auch immer die Frage, und das gehört zum | |
Nachhaltigkeitsaspekt dazu: Wer kann sich überhaupt dauerhaft um so eine | |
Anlage kümmern? Schule ist ein großer Betrieb. | |
Es ist die Frage, wie man das organisiert. Dafür haben Schulen eigentlich | |
kein Personal. | |
Pierwoss: Momentan gibt es zum Glück die Umwelt-AG. Dann plant die Schule | |
aber ohnehin an einem Projekt Grünes Klassenzimmer, da gibt es auch bereits | |
eine Finanzierung, wo die Anlage integriert werden könnte. | |
Engel: Es geht darum, Unterricht draußen auf dem Schulhof möglich zu | |
machen. Wir haben die Jugendlichen gefragt: Wo braucht ihr Schutz vor der | |
Sonne, wo mehr Grün, wo müssen wir Flächen auf dem Schulhof entsiegeln? | |
Weil es noch dauert, bis die Pläne umgesetzt werden können, haben wir mit | |
den Schüler*innen Modelle für ein temporäres grünes Klassenzimmer | |
gebaut. | |
Pierwoss: Die Kinder haben genialste, auch utopische Ideen entwickelt: Sie | |
haben Klassenzimmer um Bäume herumgebaut und mit der | |
Regenwasserbewässerungsanlage gespielt, einen Wasserfall gebaut. | |
Engel: Konkret realisiert wird jetzt ein temporäres grünes Klassenzimmer, | |
das die Schule gemeinsam mit dem Urban Gardening Projekt | |
Prinzessinnengärten aus Kreuzberg baut: aus Holz gemachte Sitzmöbel für den | |
Schulhof, mit integrierten Beeten. Und die Regenwasserbewässerungsanlage | |
läuft. | |
Mal abgesehen von der Regenwasseranlage und dem grünen Klassenzimmer: Wie | |
nachhaltig ist Projektarbeit, bewegt man damit langfristig etwas in | |
Richtung klimagerechte Schule? | |
Engel: Nachhaltig kann man an einer Schule etwas verändern, wenn an der | |
Schule die Bereitschaft dazu da ist, sich auf das Thema einzulassen. Wenn | |
man bereit ist, nicht nur eine Projektwoche zu machen, sondern Externe wie | |
uns auch längerfristig und regelmäßig fest in den Unterricht zu integrieren | |
– und zwar fächerübergreifend. | |
Pierwoss: Was wir da machen konnten, war quasi wie eine Blaupause, wie man | |
das Thema im Fachunterricht integrieren kann. Ich denke, das wird auch im | |
Kollegium nachhallen. Bestandteil des Projekts ist ja auch eine | |
wissenschaftliche Begleitforschung, aus der heraus Fortbildungen für | |
Lehrkräfte entstehen sollen. | |
Haben die Jugendlichen Forderungen an die Politik? | |
Engel: Ich glaube, sie wissen jetzt besser, was sie selbst tun können, um | |
Gehör zu finden. Am Anfang haben einige mal in einer Unterrichtsstunde, als | |
es darum ging, warum wir das Projekt machen, gesagt: Wir können doch eh | |
nichts ausrichten. Ich glaube, dieses Gefühl hat sich verändert. Sie wissen | |
jetzt: Sie haben Möglichkeiten, nicht nur in ihrem Alltag, sondern auch | |
darüber hinaus. | |
Pierwoss: Sie haben Lösungsansätze aufgezeigt bekommen, zum Beispiel mit | |
der Professorin, die das Schwammstadt-Prinzip erklärt hat. | |
Bei der Schwammstadt geht es um Flächenentsiegelung und die intelligente | |
Nutzung von Regenwasser. | |
Pierwoss: Die Kinder haben sich Wissen erarbeitet, sie haben gelernt, | |
kompetent ihre Meinung zu sagen. | |
Wenn man fragt, was Schule tun kann fürs Klima, dann ist es also: eine Art | |
von Empowerment der Schüler*innen? | |
Pierwoss: Ja. Das war unser großer Wunsch, dass wir da eine Basis schaffen. | |
Das ist auch eine Kapazitätenfrage für die Schule: Der Lehrermangel ist | |
extrem, Schulsenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) hat zu Beginn des | |
Schuljahres gesagt, für Extras sei nur noch wenig Raum. | |
Pierwoss: Nachhaltigkeit muss kein Extraprojekt sein. Man kann im | |
Mathe-Unterricht Co2-Bilanzen ausrechnen. Es geht darum, Nachhaltigkeit in | |
die Schule zu integrieren. Oder warum nicht Fridays for Future in die | |
Schulen mit einbinden? Das ist doch besser, als wenn Unterricht wegen | |
Lehrkräftemangel ausfällt. | |
21 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
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