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# taz.de -- Gas, Klima und der Kanzler: Scholz walkt in Richtung Winter
> Die Rhetorik von Kanzler Scholz erinnert an „Der Pate“. Unsere Autorin
> ist trotzdem wütend: Entlastungspakete sind dringend nötig.
Bild: Olaf, du musst mehr Empathie zeigen: Der Kanzler bei der Sommer-Pressekon…
Olaf, du musst mehr Empathie zeigen, müssen seine Berater dem Kanzler vor
dem [1][Auftritt bei der Bundespressekonferenz] am Donnerstag eingeschärft
haben. Schließlich wird es bald, auch wenn das angesichts der
Außentemperaturen kaum zu glauben ist, recht kalt werden in Deutschland.
Und teuer – zumindest für diejenigen, die nicht zufällig 200.000 Euro in
bar für exorbitant steigende Energiekosten zu Hause rumliegen haben, wie
SPD-Genosse Johannes Kahrs. Oder über ein sattes Ruhegehalt und beste
Drähte nach Moskau verfügen, wie Noch-Genosse Gerhard Schröder. Für alle
Normalbürger:innen ohne Extrapolster hatte Olaf Scholz jedenfalls eine
tröstliche Botschaft parat: „You’ll never walk alone!“
Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, aber mir hat diese in hanseatischem
Pathos vorgetragene Fußballweisheit (Scholz hat sich bei der
[2][Stadionhymne des FC Liverpool] bedient, das Original ist eine
Broadway-Schmonzette aus den 1950ern) den Blutdruck in die Höhe getrieben.
Was, bitte soll das heißen: Du wirst niemals alleine gehen? Der Weg, lieber
Olaf (ich duze jetzt einfach mal zurück), den Du, Deine Partei und Deine
langjährige „große“ Koalitionspartnerin vor längerer Zeit eingeschlagen
habt, der uns in die energiepolitische Abhängigkeit von einem
expansionsgierigen Autokraten geführt hat, auf dem willst du mich jetzt
freundlich begleiten? Das hat, mit Verlaub, etwas von „Der Pate“: Du machst
mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann – denn ich hänge ja mit drin:
Als Steuerzahlerin, Mieterin und Mutter werde ich sie brauchen, Deine
Entlastungspakete.
Was aber nicht heißt, dass ich nicht wütend bin. Wütend auf den
FDP-Finanzminister, [3][der heldenhaft die „kalte Progression“ bekämpft],
als ob das den vielen etwas helfen würde, die gar nicht erst eine
Gehaltserhöhung bekommen, die von der Inflation gefressen wird.
Aber vor allem bin ich wütend auf diese Rhetorik, die schon darauf
vorbereitet, dass vor lauter Krisenauffangleistungen wieder zu wenig Geld
für Klimaschutz und Mobilitätswende da sein wird. Schließlich müssen wir ja
ums Verrecken, trotz Ukrainekrieg und Inflation, die Schuldenbremse
einhalten, weil sonst die FDP ihr Gesicht verliert. Dabei müssen wir doch
dringend runter von unserem Energieverbrauch, doch ohne politische Lenkung
und massive Investitionen wird das nix. Selbst wenn Du, Olaf, der Du bei
deinem Auftritt so viel von Paketen und vom Liefern gesprochen hast, dass
man sich auf der Pressekonferenz eines Logistikunternehmens wähnte, jeder
Bürgerin einen Sparduschkopf zuschicken würdest und einen
Nahverkehrsgutschein obendrauf, es würde nicht reichen.
Ich bin gerade zurück aus Bayern, dem noch schönsten Bundesland der Welt,
wo gerade die Isar verlandet und der Pegelstand der Seen gefährlich sinkt.
Wo man allerorten die in Beton gegossenen Denkmäler dreier
CSU-Verkehrsminister in der Landschaft besichtigen kann: Mächtige
Betontrassen, die zur Not auch durch sensibles Moorgebiet getrieben werden,
überdimensionierte Umgehungsstraßen. Und kaputtgesparte Regionalbahnnetze,
die erst nach einem [4][Unglück mit fünf Toten] nach und nach instand
gesetzt werden. Was bedeutet: wochen- bis monatelang gesperrte
Streckenabschnitte, katastrophaler Schienenersatzverkehr. Was, zusammen mit
dem baldigen Auslaufen des 9-Euro-Tickets, dazu führen dürfte, dass sich
viele doch wieder lieber ins Auto setzen – wenn schon teuer fahren, dann
wenigstens mit funktionierender Infrastruktur.
Gut, dass ich beizeiten aus Bayern weggezogen bin, sonst wäre ich
mittlerweile bestimmt Vollzeitwutbürgerin. Oder Kabarettistin.
Denn was gibt es Absurderes, als durchs Zugfenster auf die von Straßen,
Einfamilienhaussiedlungen und Gewerbegebieten (aber kaum von
Stromtrassen oder Windrädern) durchzogene Landschaft zu schauen und dabei
diese Nachricht zu lesen: Ministerpräsident Markus Söder regt an, die
Potenziale von Fracking zu untersuchen – natürlich erst mal in
Norddeutschland.
Mal sehen, wer zuerst „alone walkt“ nach diesem Winter.
13 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.tagesschau.de/inland/scholz-bundespressekonferenz-103.html
[2] https://www.youtube.com/watch?v=OV5_LQArLa0
[3] /Lindners-Plan-zum-Inflationsausgleich/!5870587
[4] /Zugunglueck-in-Garmisch-Partenkirchen/!5858991
## AUTOREN
Nina Apin
## TAGS
Verkehrswende
Schwerpunkt Klimawandel
Gas
Fracking
Olaf Scholz
Kolumne Der rote Faden
Gaspreise
wochentaz
Energiekrise
Hartz IV
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Schwerpunkt Armut
Inflation
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