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# taz.de -- Neuauflage der Serie „Queer as Folk“: Woke mit Witz
> Der neue Ableger der Kultserie „Queer as Folk“ bleibt dem Original treu.
> Zugleich passt er mit seinem neuen, diversen Cast perfekt in unsere Zeit.
Bild: Brodie (Devin Way) mit seinem Ex Noah (Johnny Sibilly), mit dem er noch n…
Der Sex-Kram ist nicht bloß Sex-Kram“, sagt Ruthie (Jesse James Keitel),
eine trans Frau, im neuen „Queer as Folk“. Und bringt damit auf den Punkt,
worum es bei „Queer as Folk“ immer auch ging – im britischen Original
(1999–2000) wie auch im amerikanischen Remake (2000-2005) und nun wieder in
der neuesten Re-Inkarnation (oder Re-Imagination, wie es offiziell heißt)
der Kultserie, die am 31. Juli auch hierzulande startet: Zur Repräsentation
von Queerness in der Popkultur gehört es eben auch, queere Körper beim
Küssen und beim Ficken zu zeigen – und nicht verschämt mit der Kamera in
den Garten wegzuschwenken, wie etwa [1][im Kino-Kassenschlager „Call Me by
Your Name“] noch 2017, als Elio und Oliver es miteinander treiben.
„Queer As Folk“ hatte nie Scheu vor Sex – nicht um Queerness darauf zu
reduzieren, aber eben doch zu signalisieren: Wenn Queers Sex haben, ist das
nichts, wofür sich irgendjemand schämen sollte. Es ist Teil dessen, dass
queere Menschen einander begehren, und das ist auch schön so.
Eine frontal gefilmte schwule Analsex-Szene wie im Jahr 2000 in der ersten
Folge der US-Version von „Queer as Folk“ hatte das amerikanische
Fernsehpublikum bis dato nicht gesehen, zumindest nicht im Fernsehen. Und
so ist es nur konsequent, wenn auch das neue „Queer as Folk“ mit einem
Arschfick beginnt – allerdings mit einem Twist, der es in sich hat.
Erst sehen wir neonlichtbeflutete Gogo-Tänzer, die sich zu
Spätneunziger-Eurodance räkeln. Schnell wird klar: Diese Bilder laufen bloß
im TV. Die Kamera schwenkt vom Fernseher weg, und wir sehen zwei Männer,
[2][die miteinander bumsen]. „Bestrafe meinen weißen Arsch! Meinen weißen
privilegierten Arsch, der immer so viel Raum einnimmt“, sagt der weiße Typ
zu einem man of color, Brodie (Devin Way), der sich bald schon als
wichtigste Hauptfigur im neuen, sehr diversen „Queer as Folk“-Cast
herausstellt.
## Der Awareness-Twist
Und obwohl das nur eine kleine Sexszene ist, steckt da schon sehr viel
drin, wofür das neue „Queer as Folk“ steht: eine neue Awareness für
Rassismus und andere Diskriminierungsformen, für die die vorigen „Queer As
Folk“-Versionen noch blind waren, sehr weiß, sehr cis, sehr gay statt
queer.
Der Awareness-Twist der besagten Analsex-Sequenz ist deshalb so klug, weil
er die Fallstricke ausgestellter Awareness mitreflektiert, die sich
potenziell auch der neuen Serie, die sehr aware sein will, stellen könnten:
Der weiße Typ, der Brodie auffordert, seinen „weißen, privilegierten Arsch�…
zu bestrafen, ist ja kein ernstzunehmender ally von people of color,
sondern sein von ihm dahinbehaupteter Antirassismus entpuppt sich als
Fetisch, an dem er sich aufgeilt – und ist damit im Kern rassistisch.
Brodie verpisst sich konsequenterweise und bricht, da er nun kein Obdach
mehr hat für diese Nacht, bei seinen Adoptiveltern ein. Schnell lernen wir
seinen Bruder Julian kennen, gespielt von Ryan O’Connell, den viele schon
aus der Netflix-Serie “„Special“ kennen dürften – und Brodies beste
Freundin Ruthie. Wenn die beiden miteinander rumalbern, sagt Ruthie schon
mal Sätze wie: „Man kann auch trans und toxisch sein. It’s called
intersectionality, Bitch!“ Oha! Auch das ein Paradebeispiel für den woken
Witz des neuen „Queer as Folk“.
Um die Sache etwas komplizierter zu machen, ist Brodie auch noch
biologischer Papa der Kinder von Shar, Ruthies nicht-binärer Partner:in.
Während der ersten Folge kommt es zudem zu [3][einem Attentat im queeren
Nachtclub Babylon], wobei Brodie Mingus (Finn Argus), eine nicht-binäre
Dragqueen rettet, die sich in ihn verliebt. Und dann ist da noch Noah,
Brodies Ex, mit dem er noch nicht richtig abgeschlossen hat.
Ein Anwalt, den psychische Probleme plagen. Gespielt wird er von Johnny
Sibilly, der kubanisch-dominikanische Familie hat und der in der
wunderbaren Netflix-Serie „Pose“ schon Costas gespielt hat, den Liebhaber
von Pray Tell (Billy Porter).
## Teilweise sehr ignorante Kritik
Beim Casting zu „Queer as Folk“, erzählt Johnny Sibilly, habe er schon sehr
gehofft, dass sie jemanden suchen, der aussehe wie er. „Im Original gab es
großteils weiße cis Männer, die Gays spielten. Wir fügen dem weitere
Schichten hinzu. Aber ich möchte auch dem Original nichts absprechen. Die
Gesellschaft war eben noch an einem anderen Punkt.“
Teilweise ist sie das allerdings auch heute noch: Die (übrigens weißen,
cis-männlichen) Kritiker von New York Times und Vanity Fair werfen dem
neuen „Queer as Folk“ sinngemäß vor, es sei zwanghaft intersektional und
lasse seinen Figuren zu wenig Luft zum Atmen. Schon sehr ignorant.
Nicht nur gegenüber dem Bemühen nach besserer Repräsentation, sondern auch
den tatsächlich tollen Dynamiken der Figuren untereinander. „Queer as Folk“
stellt gute Fragen, statt pauschale Antworten zu liefern: Wie ist etwa die
Machtdynamik zwischen Callboy Ali und Marvin, seinem PoC-Freier im
Rollstuhl?
## Menschen aus der Community schreiben für sich selbst
Hinter solchen Überlegungen steckt ein Drehbuch-Team, das so divers ist wie
der Cast. „In Hollywood passiert das oft“, sagt Johnny Sibilly, „dass Leu…
eine queere Figur kreieren, aber dann für sie Dialoge schreiben, wie
[4][eine Person, die selber queer ist], niemals reden würde. Mit
problematischem Vokabular und dem Blick der Mehrheitsgesellschaft auf uns.“
Er finde es prima, dass für „Queer as Folk“ hingegen Menschen aus der
Community schreiben: „Das geht darüber hinaus, braune Haut zu zeigen – es
geht darum, zu wissen, wie es ist, in dieser Haut zu stecken.“
Und in dieser Haut zu stecken bedeutet nicht bloß Party, sondern auch
Trauma. Das neue „Queer as Folk“ ist etwas ernster als die beiden
Vorgänger. Doch selbst nach dem queerfeindlichen Angriff aufs Babylon ist
der Kern von „Queer as Folk“ doch: Hoffnung und Resilienz durch
Zusammenhalt einer (utopischen) Community. Und auch wenn der Sexkram mehr
als Sexkram ist, sieht er eben doch, ganz „Queer as Folk“, verdammt gut
aus.
29 Jul 2022
## LINKS
[1] /Schwuler-Coming-of-Age-Film/!5485639
[2] /Sexszenen-am-Filmset/!5790805
[3] /queerselflove-nach-Orlando/!5314106
[4] /Queer-sein-im-Kapitalismus/!5867128
## AUTOREN
Stefan Hochgesand
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