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# taz.de -- Prozess um Räumungsklage in Bremen: Kaputt saniert und rausgeworfen
> Nach langwierigen Bauarbeiten ist das Bad einer Bremerin schlechter als
> vorher. Sie mindert die Miete – Vonovia reagiert mit der fristlosen
> Kündigung.
Bild: Eine Baustelle im Bad beeinträchtigt das Leben. Besonders blöd, wenn im…
Bremen taz | Die Kündigung kam im Februar – nur eine Woche Zeit gab die
Vonovia ihrer langjährigen Mieterin, dann sollten Martina Wetterich und ihr
Verlobter raus aus ihrer Bremer Wohnung: Mehr als zwei Monatsmieten, so der
Vorwurf, seien die beiden dem Konzern noch schuldig.
Wetterich ist nicht ausgezogen; seit 1999 wohnt sie in ihrer Wohnung im
Stadtteil Woltmershausen und sie hat nicht vor, das Haus zu verlassen. Am
Dienstagmorgen wurde die Räumungsklage des Wohnungsunternehmens Vonovia
vorm Amtsgericht verhandelt; ein Ergebnis steht noch nicht fest – aber der
Richter zeigt seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung deutlich.
1.471 Euro fehlen laut Vonovia in den Mietabrechnungen. Gezahlt hat
Wetterich das Geld tatsächlich nicht – allerdings mit Grund und
Ankündigung: Beraten vom Verein „Mieter helfen Mietern“ hat sie ihre Miete
gemindert, weil sie mehrere Monate lang auf fließend Wasser verzichten
musste und dafür mit einer schlechteren Wohnung belohnt wurde.
Gegen ihren Willen hatte die Vonovia 2021 Wetterichs Bad sanieren lassen –
ein Bad, das erst 2013 auf ihren Wunsch hin vom damaligen Vermieter
barrierefrei modernisiert worden war. Zehn Tage lang sollten die neuen
Bauarbeiten im April 2021 dauern. Aber alleine in ihrer Wohnung waren die
Handwerker einen Monat unterwegs, Lärm und Dreck dauerten noch länger an,
weil nach und nach auch alle benachbarten Wohnungen saniert wurden.
## Zwei Monate ohne Wasser
Zwei Monate lang war bei den Mieter*innen das Wasser abgestellt, Duschen
und Toiletten gab es nur in Sanitärcontainern vor dem Haus, die sich alle
Mietparteien teilen mussten. Über Luken lüften konnte man die Container
nicht. „Und das in der Hochphase der Pandemie?“, fragt Richter Buns.
[1][Nach den Bauarbeiten,] so beschreibt es Wetterich, war nicht etwa alles
gut: Das zuvor funktionale Bad weist jetzt einige schwere Mängel auf. Weil
die Grundfläche von 2,34 m² auf 1,82 m² verkleinert wurde, hängt jetzt das
Waschbecken in die Dusche hinein. „Da fehlt der Platz“, sagt Wetterich auf
Befragung des Richters hin, „und der Duschvorhang hängt jetzt ins
Waschbecken.“ Auch die Fotos, die die Vonovia anbringt, um den „top
Zustand“ des neuen Bades aufzuzeigen, demonstrieren diesen Makel.
Wetterich zählt weitere Probleme auf: Die Dusche ist und war barrierefrei,
also ohne Einstieg. Doch früher hatte der Boden im Bad ein ausreichendes
Gefälle zum Abfluss hin. „Jetzt fließt das Wasser in den Flur, wenn man zu
lange duscht“, sagt Wetterich. Und schließlich hängt der Badezimmerspiegel
seit der Sanierung so hoch, dass Wetterich den Hals recken muss, um sich
überhaupt sehen zu können.
## Vonovia vor Gericht wortkarg
Der für Norddeutschland zuständige Pressesprecher der Vonovia, Christoph
Schwarz, bewertet die Historie ganz anders: Bei den ausstehenden Zahlungen
sei es um nicht gezahlte Heizkosten gegangen. Es habe vor der Räumungsklage
Schriftverkehr inklusive Mahnungen gegeben; und Wetterich habe die
Forderung nach einer Mietminderung gar nicht eingereicht.
„Das stimmt so nicht“, meint Wetterichs Anwalt Holger Gautzsch. „Die
höheren Heizkosten haben wir nie angezweifelt, die Vonovia schiebt das nur
vor, um ihre Kündigung irgendwie begründen zu können.“ Und die
Mietminderung habe Wetterich im Mai 2021 angekündigt – die Vonovia habe das
nur nicht akzeptiert.
Im Gerichtsprozess kommen die Einwände der Vonovia nicht zur Sprache. Der
Anwalt des Konzerns äußert sich zur Sache kaum, stellt wenig Nachfragen und
bittet sich nur eine Frist aus, um erneut Stellung zu nehmen. Drei Wochen
genehmigt Richter Buns; Ende August soll es weitergehen. Buns macht
deutlich, dass er geneigt ist, die Räumungsklage der Vonovia nicht
zuzulassen, sollten nicht neue Fakten auftauchen.
Eine fristlose Kündigung ist nämlich nur möglich, wenn insgesamt zwei
Monatsmieten auf dem Mietkonto fehlen. Aktuell sind es zwar 2,75 – aber
zumindest ein Teil davon wurde wohl zu Recht gemindert, so der Richter.
„Bei all dem beschriebenen Mängeln während der Sanierung und im Nachhinein
eine Minderungsquote von Null anzulegen, ist völlig daneben“, sagt er.
## Kündigung als Einschüchterung?
Wetterich hatte sich schon im Mai 2021 gegen die Sanierungen und die
Kommunikation mit der Vonovia gewehrt und einen [2][Protestmarsch zur
Bremer Zentrale unternommen.] Das Bremer Bündnis gegen Zwangsräumungen
sieht auch aufgrund dieser Vorgeschichte in der fristlosen Kündigung eine
Einschüchterungstaktik. „Für uns steht Martina vor Gericht, weil sie eine
widerständige Mieterin ist, die man so los werden möchte“, sagt Bahne
Michels, Sprecher des Bündnisses.
Oftmals reiche die Drohkulisse schon, um Mieter*innen zu verschrecken
und von Beschwerden abzuhalten, meint er. „Die Menschen haben Angst um ihr
Zuhause und wehren sich nicht.“ Dass die Räumungsklage [3][von Anfang an
wenig Aussicht auf Erfolg] habe – und nebenbei für schlechte Presse sorgen
könnte –, das nehme die Vonovia hin.
„Vonovia legt keinen Wert auf ein soziales Image“, sagt Michels. „Die
Probleme mit dem Unternehmen sind überall bekannt, aber es macht am Ende
einfach keinen Unterschied.“
29 Jul 2022
## LINKS
[1] /Streit-einer-Bremer-Mieterin-mit-Vonovia/!5654098
[2] /Mieterprotest-gegen-Vonovia-in-Bremen/!5770085
[3] /Bremer-Vonovia-Mieter-vor-Gericht/!5834452
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Zwangsräumung
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