# taz.de -- Bildungspolitik in Berlin: Lehrer werden wieder Staatsdiener | |
> Nach fast 20 Jahren verbeamtet das Land Berlin wieder Lehrkräfte. Die SPD | |
> hofft, so die Abwanderung von Lehrer*innen zu stoppen. | |
Bild: Frau Beamtin? Lehrerin in Berlin | |
BERLIN dpa | In Berlin sind nach rund 18 Jahren Unterbrechung erstmals | |
wieder Lehrerinnen und Lehrer verbeamtet worden. Sie erhielten von | |
Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) und Bildungsstaatssekretär | |
Alexander Slotty am Donnerstagnachmittag bei einem Festakt in Kreuzberg | |
ihre Ernennungsurkunden. Verbeamtet werden zunächst rund 220 Lehrkräfte, | |
die neu in den Schuldienst eingestellt worden sind. Weitere sollen schon | |
bald folgen. | |
Berlin hatte die Lehrerverbeamtung 2004 abgeschafft und war zuletzt das | |
einzige Bundesland, das daran festhielt. Mit der [1][Rückkehr zur | |
Verbeamtung] will der rot-grün-rote Senat dem chronischen Lehrkräftemangel | |
entgegenwirken. Bildungssenatorin Busse hatte Ende Mai eingeräumt, dass | |
[2][zum neuen Schuljahr voraussichtlich 920 Lehrerinnen und Lehrer fehlen]. | |
Vor ihrem Wechsel in die Politik hatte Busse als Vorsitzende des | |
Interessenverbands Berliner Schulleitungen (IBS) immer wieder die Rückkehr | |
zur Verbeamtung verlangt. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey | |
(SPD) hatte diese Einschätzung von Anfang an unterstützt. | |
Giffey sagte beim Festakt in der Station Berlin, sie habe in ihrer Zeit als | |
Bezirksstadträtin in Neukölln immer wieder erlebt, dass sich Lehrerinnen | |
und Lehrer aus Berlin verabschiedet hätten mit dem Hinweis, ein paar | |
Kilometer weiter in Brandenburg verbeamtet zu werden. Die Rückkehr zur | |
Verbeamtung in Berlin sei ein Beitrag dazu, dass der Lehrkräftemangel in | |
der Hauptstadt geringer werde. „Das ist eine Riesenaufgabe. Und die werden | |
wir auch nicht von heute auf morgen lösen“, so die SPD-Politikerin. „Aber | |
es ist ein Baustein, um es besser zu machen.“ | |
Dass solche Lehrkräfte, die anderswo verbeamtet wurden, bisher erst nach | |
fünf Jahren zurück nach Berlin kommen durften, sei abstrus gewesen, | |
kritisierte Giffey. Es sei gut, dass das nun geändert worden sei. | |
## Kritik von der FDP | |
Die Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrkräften ist aus Sicht der FDP ein | |
falscher Schritt. „Berlin steht vor dem Scherbenhaufen von 26 Jahren | |
sozialdemokratischer Bildungspolitik – da hilft auch keine Verbeamtung“, | |
kritisierte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Paul | |
Fresdorf. Das Berufsbeamtentum sei nicht mit der Vorstellung der FDP von | |
eigenverantwortlichen und flexiblen Schulen vereinbar. | |
Die bildungspolitische Sprecherin der Berliner CDU-Fraktion, Katharina | |
Günther-Wünsch, sagte dagegen, endlich würden auch in Berlin wieder Lehrer | |
und Referendare verbeamtet. „SPD, Grüne und Linke hatten diesen | |
überfälligen Schritt viel zu lange verweigert.“ Dadurch habe Berlin viel zu | |
viele gut ausgebildete Lehrkräfte verloren. | |
Günther-Wünsch warf Bildungssenatorin Busse vor, sie habe aber immer noch | |
kein Konzept vorgelegt, welche Lehrer in welchen Altersstufen zu welchem | |
Zeitpunkt mit der Übernahme ins Beamtenverhältnis rechnen könnten. „Frau | |
Busse weiß, dass Unsicherheiten nicht dazu beitragen, Lehrer in unserer | |
Stadt zu halten. Sie muss handeln.“ | |
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft warf dem Senat vor, viele | |
Fragen rund um die Verbeamtung von Lehrkräften in Berlin noch nicht | |
beantwortet zu haben. „Nach wie vor gibt es keine Klarheit darüber, nach | |
welchen Kriterien die Verbeamtung der circa 20 000 angestellten Lehrkräfte | |
erfolgen soll“, kritisierte GEW-Vorstandsmitglied Udo Mertens. Auch sei | |
nicht klar, wie die Nachteile für Lehrkräfte, die nicht verbeamtet werden | |
könnten oder wollten, ausgeglichen werden sollen. | |
Berlins GEW-Vorsitzende Martina Regulin kritisierte, es sei nicht die Zeit | |
für öffentlichkeitswirksame Festakte, sondern für Fleißarbeit und | |
politische Verantwortung. „Wir appellieren an den Berliner Senat und die | |
Koalitionsfraktionen, jetzt ihre Hausaufgaben zu machen.“ Die GEW | |
kritisierte außerdem, Berlin bilde nach wie vor zu wenig Lehrkräfte aus. | |
Nötig sei eine Ausbildungsoffensive sowie ein Plan zur Verbesserung der | |
Arbeitsbedingungen an den Schulen. | |
## Giffeys Traumberuf war Lehrerin | |
Giffey sagte, Lehrerin zu werden, sei auch ihr Traumberuf gewesen – bis ihr | |
nach einer Kehlkopfuntersuchung davon abgeraten wurde, weil ihre Stimme die | |
Belastung nicht aushalten würde. „Ich war todtraurig darüber.“ | |
Tatsächlich habe der Politikerberuf viel mit dem der Lehrkräfte zu tun. | |
„Weil man es schaffen muss, in einfachen Worten, in empathischer Art Dinge | |
zu erklären, die sehr kompliziert sind und es zu schaffen, manchmal auch | |
nein zu sagen, weil man weiß, dass es richtig ist und nicht anders geht.“ | |
7 Jul 2022 | |
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