# taz.de -- Russische Geflüchtete in der EU: Überall unerwünscht | |
> Für Menschen auf der Flucht ist die Arbeitssuche schwer. Russen erfahren | |
> in der EU derzeit, dass sie angeblich die soziale Ordnung gefährden. | |
Bild: Polizisten in Moskau nehmen einen Mann fest, der gegen den Krieg in der U… | |
Schon vor dem 24. Februar war die Arbeit für unabhängige Journalisten in | |
Russland nicht gerade leicht gewesen, aber jetzt, unter der Kriegszensur, | |
war sie doppelt gefährlich. Die meisten reisten in Länder aus, für die sie | |
kein Visum brauchten. Einige wenige Glückliche bekamen Papiere für Europa. | |
Im März, nachdem die russische Zensurbehörde Roskomnadsor die Website von | |
[1][Bumaga ] blockiert hatte, bei dessen Petersburger Zweig ich Journalist | |
war, bin ich [2][mit meiner Freundin nach Estland gefahren]. Die Idee war, | |
dort ein paar Tage bei Freunden zu bleiben und dann irgendwo legal | |
unterzukommen, in Usbekistan, Kirgistan, in der Türkei. Länder, über die | |
wir fast nichts wissen. | |
Das soziale Kapital wiegt schwerer. Die estnischen Freunde investieren ihre | |
ganze Energie in die Jobsuche für mich. Die ersten Optionen, Dachdecker und | |
Betonplattenleger, passten nicht richtig. Selbst, wenn ein Arbeitgeber dem | |
Reporter diese Arbeit zutraut: Ein Arbeitsvisum für eine schlecht bezahlte | |
Stelle zu bekommen ist fast unmöglich. | |
Und dann ergab sich eine Chance. Die Tallinner Zeitung Delowye Wedomosti | |
sucht einen Autor. Ein Gespräch, ein paar Probeaufgaben – und ich bin | |
Mitarbeiter einer europäischen Zeitung. Aber am 7. April erklärt Estland, | |
dass Jahresvisa und Aufenthaltsgenehmigungen für Russen nicht mehr erteilt | |
werden. Nach der Freude kommt der Schock. Es folgen Klärungen: man kann es | |
versuchen, wenn man schon im Land ist und eine Arbeitsgenehmigung hat. | |
Die Polizistin, die meine Unterlagen entgegennimmt, begrüßt mich streng: | |
„Wir geben keine Visa an Russen aus. Warum sind Sie hier?“ Ich bleibe | |
beharrlich, und zwei Wochen später erhalte ich ein Visum D. Ein riesiger | |
Erfolg. Die meisten Russen und Belarussen, die von einheimischen Firmen | |
einen Job angeboten bekommen, werden abgelehnt. „Sie stellen eine Bedrohung | |
für die gesellschaftliche Ordnung, die innere Sicherheit, die | |
internationalen Beziehungen und die Gesundheit der Bevölkerung dar.“ Einige | |
haben Pech und erhalten gleich Berufsverbot, andere werden aufgefordert, | |
das Land zu verlassen. | |
Am 28. Mai entschied Estland, dass Arbeitskräfte mit Visum D künftig nicht | |
mehr einen entsprechenden Status für Ehepartner beantragen können. Das | |
geht nur noch für die mit einem Aufenthaltstitel. Da Russen ebendiesen gar | |
nicht bekommen können, führt das mit ziemlicher Sicherheit zur Trennung von | |
Familien. | |
Für Journalisten ist es doppelt schwer. In Russland erwartet sie im | |
besten Fall erzwungenes Schweigen, im schlimmsten Fall Haft. Zwischen dem | |
geliebten Menschen und der Berufung wählen? Die Aussichten verschwinden im | |
Nebel des Krieges. | |
Aus dem Russischen von [3][Gaby Coldewey] | |
Finanziert wird das Projekt von der [4][taz Panter Stiftung]. | |
Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA | |
im September heraus. | |
21 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://paperpaper.ru/ | |
[2] /Emigration-aus-Russland/!5851380 | |
[3] /Gaby-Coldewey/!a23976/ | |
[4] /!p4550/ | |
## AUTOREN | |
Alexey Schischkin | |
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