# taz.de -- Ukrainische Flüchtlinge auf der Krim: Angefeindet von beiden Seiten | |
> Viele Ukrainer sind mangels Alternativen nach Russland geflohen. Zum | |
> Unmut anderer Ukrainer, aber auch vieler Russen. Unterstützung gibt es | |
> kaum. | |
Bild: Menschen im ostukrainischen Bakhmut vor ihrer Evakuierung | |
Viele Menschen, die aus der Ukraine nach Russland kommen, sind in einer | |
schrecklichen Lage: [1][Ihre Häuser und Wohnungen wurden durch | |
Raketenangriffe zerstört], und sie sind geflohen, irgendwohin, einfach, um | |
ihr nacktes Leben zu retten. Viele von ihnen hatten keine Möglichkeit, | |
innerhalb der Ukraine oder in den Westen zu fliehen. In Russland | |
angekommen, sind diese Menschen nicht nur mit den bürokratischen Abläufen | |
eines ihnen unbekannten Landes konfrontiert, sondern auch mit einer nicht | |
eindeutigen Haltung vieler Russen zu ihrer großen Not. | |
Schon vor einigen Monaten habe ich erfahren, dass [2][Menschen, die aus dem | |
Gebiet Donezk fliehen mussten], auf die Krim gekommen sind. Dort befinden | |
nach offiziellen Angaben 4.788 Geflüchtete aus den von Russland anerkannten | |
Volksrepubliken Donezk und Luhansk und aus der Ukraine. | |
544 von ihnen leben in der Stadt Sewastopol, dem Heimathafen der russischen | |
Schwarzmeerflotte. Menschen, die humanitäre Hilfe leisten, berichten von | |
erheblichen Schwierigkeiten. Die staatlichen Hilfsstellen seien so | |
eingerichtet, dass sie Lebensmittel nur an diejenigen verteilen, die sie | |
selbst abholen können. Essen gebe es dort aber nur unregelmäßig. | |
In Chats wird täglich darüber diskutiert, ob und wo Essen ausgegeben wird | |
und wo man Hilfe und Unterstützung bekommen kann. Das klingt dann so: | |
Igor: „Wir kommen aus Mariupol. Wir sind zu fünft: Oma, Opa, die | |
sechsjährige Tochter, meine Frau und ich (Ehemann). Wir brauchen humanitäre | |
Hilfe.“ | |
Tatjana: „Hat jemand die Telefonnummer vom Immigrationsdienst, Abteilung | |
für die Arbeit mit Flüchtlingen? Mein Kind ist krank geworden (wir haben | |
eine onkologische Diagnose erhalten).“ | |
Swetlana: „Ich bin mit zwei Kindern aus dem Gebiet Donezk gekommen. | |
Vielleicht hat jemand einen einfachen Wasserkocher, 2–3-Liter-Kochtöpfe und | |
eine Bratpfanne (am liebsten mit Deckel)“. | |
Viele Russen bringen nur wenig Verständnis für die Unterstützung dieser | |
Menschen auf. Stattdessen fordern sie, die Flüchtlinge sollten in ihrer | |
verzweifelten Situationen klar und deutlich ihre politischen Meinungen | |
äußern. Ukrainer fordern sie auf, [3][dass sie schnellstens von der Krim in | |
ein EU-Land reisen sollten] (obwohl viele von ihnen diese Möglichkeit gar | |
nicht haben und es nicht einmal jemanden gibt, der solche Fahrten | |
organisiert). Sie werden als Verräter gebrandmarkt, weil sie, um ihr Leben | |
zu retten, auf die Krim gekommen sind und nicht etwa nach Berlin. | |
Niemand hat sich Gedanken über die Ethik solcher Forderungen gemacht oder | |
gar über die Botschaften, die damit bei verzweifelten Menschen ankommen. | |
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey] | |
Finanziert wird das Projekt von der [5][taz Panter Stiftung]. | |
Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA | |
im September heraus. | |
7 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Xenia Babich | |
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