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# taz.de -- EU-Beitrittsantrag Moldau: Wenige Hoffnungsschimmer
> In Moldau bekommen die Menschen die Folgen der Inflation zu spüren. An
> das Versprechen des europäischen Wohlstands glauben nur die wenigsten.
Bild: Die Benzin- und Strompreise können sich viele Moldauer nicht mehr leisten
Wenn man versucht, das heutige Moldau mit einem Wort zu beschreiben, würde
„Chaos“ wohl am ehesten zutreffen. Die Inflation beträgt fast 30 Prozent.
Für ausnahmslos alle Dinge sind die Preise ins Astronomische gestiegen,
besonders aber für Benzin und Strom.
Und das alles vor dem Hintergrund einer völligen Tatenlosigkeit der
Regierung. Präsidentin [1][Maia Sandu] versucht schon gar nicht mehr, das
zu verbergen, und sagt offen, dass es keine Perspektive gibt, die Inflation
zu verringern. Im Land schlagen die Protestwogen hoch, die Menschen fordern
den Rücktritt der Regierung. Und jetzt wurde die Republik Moldau als
EU-Beitrittskandidat anerkannt.
Den Antrag hatte Moldau gleich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine
gestellt. Und er wurde angenommen. Es könnte wie ein Hoffnungsschimmer auf
ein Happy End aussehen. Doch nicht alles läuft ab wie das Drehbuch für
einen Hollywoodfilm: Die Aussicht auf einen EU-Beitritt stößt in der
Bevölkerung auf wenig Begeisterung. Als Antwort auf die Anerkennung als
Kandidatenstaat hat Sandu verkündet, dass der [2][EU-Beitritt] ein
wichtiges Ziel für das Land sei und „wir sind bereit, jeden beliebigen
Preis zu zahlen, wir sind bereit, alles dafür zu geben“.
Doch die Bürger des Landes meinen, dass für alles schon sehr viel bezahlt
wurde. Die schönen Versprechungen, dass die Europäische Union den Moldauern
mehr Wohlstand bringen könnte, werden hier niemanden täuschen. Die von der
Realität erschöpften Menschen sind skeptisch gegenüber allem.
## Bewohner, die von einem besseren Leben träumen
In den letzten paar Monaten sind die Schlangen für die Beantragung von
Reisepässen immer länger geworden. Und in diesen Schlangen stehen die
Bewohner des kleinen Agrarlandes, die von einem besseren Leben träumen:
Euros verdienen, an den besten europäischen Hochschulen studieren und sich
in europäischen Ferienorten erholen. Aber bis jetzt sind das einzige
Europäische bei uns die Preise.
Es gibt noch einen zweiten Aspekt in dieser Frage: Der EU beizutreten
bedeutet, die Hoffnung auf Selbständigkeit und Unabhängigkeit zu begraben.
Und außer den Träumen von europäischen Ferienorten und ebenen Wegen lebt in
den Herzen der Moldauer noch ein anderer, süßer Wunsch – ihr Land weder von
Russland noch von der EU abhängig zu sehen.
Aber seien wir Realisten: dafür benötigen wir Dutzende von Jahren, und die
Armut breitet sich gerade jetzt und mit noch nie da gewesener
Geschwindigkeit aus. Und je schneller die Armut zunimmt, desto nötiger
braucht die Regierung politische Anreize. Die Machthaber versuchen noch,
sich an ihre Sessel zu krallen, während die Traktoren mit leeren Tanks auf
den Feldern stehen und auf Treibstoff warten, für den die Bauern einfach
kein Geld haben. Und gleichzeitig hören die Traktoristen im Radio die
schönen Märchen darüber, wie reich und sorglos unser Leben in der EU sein
wird. Irgendwann.
Aus dem Russischen: Gaby Coldewey
Finanziert wird das Projekt von der [3][taz Panter Stiftung].
Einen Sammelband mit den Tagebüchern bringt der Verlag edition.fotoTAPETA
im September heraus.
18 Jul 2022
## LINKS
[1] /Neue-Praesidentin-von-Moldau/!5725349
[2] /EU-Kandidatenstatus-fuer-die-Ukraine/!5863018
[3] /!p4550/
## AUTOREN
Alla Bjuk
## TAGS
Moldau
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Inflation
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Osteuropa – ein Gedankenaustausch
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