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# taz.de -- Russische Propaganda in Moldau: Protest als Waffe Russlands
> Dubiose Politiker in Moldau organisieren Demos. Moskau bezahlt die
> Teilnehmenden. Sie sollen die proeuropäische Regierung destabilisieren.
Bild: Anti-Regierungsdemonstration in Chișinău: „Nieder mit Maia Sandu! Nie…
Russland hat sich auch nach 30 Jahren noch nicht damit abgefunden, dass die
Republik Moldau ein unabhängiges Land ist. Moskau versucht immer wieder,
Moldau in seine Einflusssphäre zurückzuholen. Nehmen wir zum Beispiel die
Region Transnistrien – eine durch einen blutigen Krieg entstandene Enklave,
aus der Russland seine Streitkräfte bis heute nicht abgezogen hat. Übrigens
ist die Region Transnistrien von der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates offiziell als militärische Besatzungszone Russlands anerkannt.
In Moldau gibt es zweifelhafte und korrupte Politiker, die dafür bezahlt
wurden, dort russische Propaganda zu verbreiten. Eine kürzlich von der
Washington Post veröffentlichte Untersuchung zeigt, dass es bis vor Kurzem
vor allem Igor Dodon war, über den der russische Geheimdienst FSB Einfluss
zu nehmen versuchte. Dodon war von 2016 bis 2020 Präsident Moldaus. In den
vergangenen Jahren soll er von Russland rund 45.000 Dollar monatlich
erhalten haben.
Trotz aller Bemühungen Russlands verlor Dodon 2020 die Präsidentenwahl
gegen Maia Sandu, die sich für den Kampf gegen Korruption und eine
Annäherung an Europa einsetzt. Rund 60 Prozent der knapp drei Millionen
Einwohner Moldaus unterstützen den europäischen Kurs des Landes.
## EU-Beitrittskandidat
Im Juni dieses Jahres [1][wurde das Land gemeinsam mit der Ukraine
offiziell Kandidat für einen Beitritt zur EU]. Diese Situation missfällt
Moskau, das versucht, Moldau zu destabilisieren und weiter Kontrolle
auszuüben. So hat Russland eine ernsthafte Wirtschaftskrise verursacht,
indem es Moldaus Abhängigkeit von seinen Gaslieferungen ausnutzt. Nach dem
Einmarsch in die Ukraine [2][hat der Kreml den Gaspreis für Moldau
vervierfacht und die Lieferungen für Oktober um 30 Prozent gekürzt]. Das
Ergebnis: eine Inflation auf Rekordniveau, die bei 35 Prozent liegt. Können
Sie sich vorstellen, was das für das ärmste Land in Europa bedeutet?
Vor dem Hintergrund all dieser Korruptionsschemata und dubioser Politiker,
die sich in den vergangenen 30 Jahren darin überboten, das Land aus
persönlichen Interessen immer mehr verarmen zu lassen, hat sich die
Energiekrise zu einer sozioökonomischen Katastrophe entwickelt. Die
Menschen sind am Rande der Verzweiflung.
Diese Verzweiflung sowie die Krise macht sich jetzt der Skandalpolitiker
und neue Favorit Moskaus, Ilan Shor, zunutze: Er organisiert Proteste gegen
die Präsidentin Maia Sandu. Es wäre vielleicht kein Problem, wenn die
Menschen aus eigenem Antrieb zu den Demonstrationen gingen. [3][Aber diese
Leute, meist aus sozial schwachen Gruppen, werden dafür bezahlt]. Ja, es
wird ihnen sogar vorher gesagt, welche Parolen sie skandieren sollen und
gegen wen.
Kann man das noch als Protest bezeichnen? Wessen Protest ist das?
Strafverfolgungsbehörden in Moldau nahmen unlängst Vertreter und Aktivisten
der Partei von Ilan Shor fest, als diese gerade dabei waren, Geld an
„Demonstranten“ zu überweisen. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte über
200.000 Euro.
## Betrug, Geldwäsche, Korruption
[4][Ilan Shor ist ein umstrittener Politiker und Geschäftsmann in Moldau].
Dort wurde er wegen Betrugs und Geldwäsche zu siebeneinhalb Jahren
Gefängnis verurteilt, weil er an dem bisher größten Korruptionsskandal in
Moldau beteiligt gewesen war: Von den Konten mehrerer Banken war rund 1
Milliarde Dollar verschwunden – das entspricht etwa 13 Prozent des BIP
Moldaus.
Somit ist derjenige, der dazu beigetragen hat, diese Menschen in Armut zu
stürzen, sodass sie gezwungen sind, Geld für „Protestaktionen“ zu nehmen,
auch derjenige, der sie benutzt, um sich seiner Verantwortung zu entziehen,
dieses Geld zurückzugeben. Paradox.
Im Jahr 2019 fand Ilan Shor Aufnahme in Israel, dessen Staatsbürger er ist.
Von seiner 13,2 Millionen Euro teuren Luxusvilla an der Mittelmeerküste
aus, die er gemietet hat, wendet er sich per Skype über einen großen
Bildschirm an die „Protestierenden“. Ende Oktober wurden die Shor-Partei,
ihr Chef Ilan Shor und seine Frau, die russische Sängerin Sarah Shor, sowie
18 weitere natürliche und juristische Personen in die US-Sanktionsliste
wegen Beteiligung an Korruption aufgenommen.
Besagte natürliche und juristische Personen hätten sich zugunsten der
Russischen Föderation in den Wahlprozess in Moldau eingemischt, 2021 für
die Interessen Moskaus im Parlament Moldaus lobbyiert sowie noch im Juni
2022 mit Russland und anderen Oligarchen zusammengearbeitet – mit dem Ziel,
die Republik Moldau zu destabilisieren. Die Recherchen der Washington Post
haben ans Licht gebracht, dass Russlands Geheimdienst FSB Ilan Shor aktiv
dabei unterstützt, das Regime in Chișinău zu stürzen.
Eine wichtige Frage lautet jetzt: Wie können wir das Image von Protesten
wiederherstellen? Proteste sind eine der Grundlagen der Demokratie. Es geht
um Freiheit, um die Freiheit der Menschen, ihren Schmerz und ihre
Unzufriedenheit auszudrücken. Protest ist eine Form des Widerstands und
eine Quelle der Hoffnung auf etwas Besseres. Aber wenn diese
Demonstrationen von finanziellen Vorteilen angetrieben werden, können wir
dann von Freiheit sprechen? In Moldau ist diese Freiheit bedroht. Mehr denn
je.
Aus dem Russischen Barbara Oertel
14 Nov 2022
## LINKS
[1] /EU-Kandidatenstatus-fuer-die-Ukraine/!5863018
[2] /Russlands-Energiepolitik/!5825920
[3] /Bezahlte-Proteste-in-Moldau/!5890842
[4] /Parlamentswahl-in-Moldau/!5784895
## AUTOREN
Daniela Calmîș
## TAGS
Osteuropa – ein Gedankenaustausch
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