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# taz.de -- Die Wahrheit: Aber bitte mit Sahne!
> Carbonara auf deutsche Art zubereitet, steht für Erfolg im Job und auch
> bei Haustieren. Ein echter kulinarischer Gewinn.
Bild: Fehlt doch einfach die Sahne: Spaghetti ohne Carbonara
Diese kulinarische Erkenntnis ist bahnbrechend: Italienische
Ernährungswissenschaftler haben überwältigende Hinweise darauf gefunden,
dass die klassisch italienische Carbonara der verfemten deutschen Variante
des Nudelgerichts unterlegen ist. Menschen, die Spaghetti Carbonara „alla
tedesca“ essen, also nach Art der Deutschen mit ordentlich Sahne in der
Sauce zubereitet, haben den Forschungen zufolge einen besseren Geschmack
und mehr Erfolg als Menschen, die Spaghetti Carbonara nach traditionell
italienischem Rezept zu sich nehmen.
Zudem wächst messbar ihre Tierliebe, wie auch umgekehrt Haustiere, vor
allem Hunde, diesen Feinschmeckern gegenüber verstärkte Zuneigung zeigen.
Mehrere französische Spitzenköche sehen darin feixend ein klares Indiz für
die generelle Überlegenheit der deutschen Küchenkunst über die
italienische.
„Jahrhundertelang galt es unserer großen Nation als ausgemacht, dass
Spaghetti Carbonara abscheulich ist, wenn sie nicht aus Pasta und exakt
fünf ausgewählten Zutaten besteht“, verkündete beschämt Professor Tullio …
Stefano, Dekan der Ernährungswissenschaftlichen Fakultät der Universität
Turin vergangene Woche auf einer internationalen Pressekonferenz. „Nämlich
Speck aus dem Latium, also Guanciale, oder Pancetta, plus Pecorino oder
Parmigiano-Käse, Eigelb, Pfeffer, Salz und sonst nichts. Also gut, am
Schluss ein paar Löffel vom stärkehaltigen Nudelwasser. Um das Ganze zu
binden und schön cremig zu machen“, bekräftigte Professor de Stefano.
„Sonst aber niente, vor allem keine Sahne! Mamma mia, haben wir uns geirrt
…!“ Anschließend bat der angesehene Wissenschaftler die Fachwelt
tränenreich um Vergebung.
Was der Professor und sein Team in einer zweijährigen Versuchsreihe
herausfanden: Spaghetti Carbonara, die nach den Rezepten deutscher
Pizzerien und vor allem Lieferdienste mit Ei, Kochschinken, Reibekäse und
großzügigen Mengen H-Sahne aus dem Pappkarton hergestellt wurde, schmeckte
den rund 1.000 Probandinnen und Probanden nicht nur doppelt so gut wie ihr
karges italienisches Pendant. Sie versorgte die Versuchspersonen auch mit
etwa 28 Prozent mehr Ich-Energie, geschäftlicher Zuversicht sowie
Erfolgshormonen, von der dreimal so großen Anhänglichkeit ihrer Haustiere
ganz zu schweigen.
Kein Wunder, dass die Teilnehmer der Gruppe mit den „Spaghetti alla
tedesca“ nach zwei Jahren Studiendauer im Schnitt 1,47-mal glücklicher
waren und 14.789 Euro pro Jahr mehr verdienten als die Personen der
Kontrollgruppe mit Carbonara auf italienische Art.
## Halsstarriger Stolz
„Es fühlte sich an wie ein Schlag vor den Kopf“, gibt der Professor zu.
„Dabei war es einfach nur jede Woche ein Teller von den Nudeln. Nach
teutonischer Art – bäh! Aber ich habs überlebt, und die Gehaltserhöhung
gleich zu Beginn hat mich gefreut.“ De Stefanos Ansicht nach hat sich
Italien mit seinem halsstarrigen Stolz auf traditionelle Rezepte in eine
Sackgasse begeben, sei hier im letzten Jahrtausend stecken geblieben.
„Offenes Geheimnis: Bei uns in Italien können auch viele nicht kochen“,
lacht der Forscher laut. „In Deutschland dagegen sind die Köche viel
experimentierfreudiger und offen für die Trends der Zukunft: Sahne zum
Beispiel! In Carbonara! Inzwischen schmeckts sogar mir leidlich.“
Auch Jochen Ladosse, freier Restaurantkritiker für deutsche
Rundfunkanstalten, weiß die verbesserte Rezeptur zu schätzen: „Genau das
Richtige für Siegertypen“ sei die deutsche Carbonara, „mit Sahne als
verschwenderischem Ingrediens, das üppige Tiefe verleiht: Energie für
hochenergetische Führungspersönlichkeiten des 21. Jahrhunderts. Das spüren
auch die Tiere, die diese Menschen noch treuer anschmachten“.
## Verrosteter Denkapparat
Wobei das Schlimmste in Deutschland die typischen Gäste italienischer
Restaurants seien: „Mit ihrem verrosteten Denkapparat hängen sie der
Vorstellung an, sie seien Eingeweihte, Italienreisende à la Goethe, nur
weil sie schon mal nach dem Grappa mit einer italienischen Köchin
geplaudert haben. Lachhaft, dass solche Leute über die richtige Carbonara
urteilen wollen!“
Vielmehr sei es so: Zum Italiener gehe nur noch, wer zu alt für
Vietnamesen, Peruaner oder Royal Donuts sei. Letztlich sei doch
entscheidend, was den Leuten schmecke, nämlich Carbonara mit Sahne. „Dieses
Vertrauen auf den eigenen Geschmack schlägt sich in der Seele nieder,
bestärkt Ego und Leistungsfähigkeit und lässt uns zu besseren Menschen
werden“, zeigt sich Professor De Stefano ebenfalls überzeugt. Immer mehr
Models und Schauspieler bauten mittlerweile ihre Karriere auf
„Carbonara-mit-Sahne-Diäten“ auf. „Trotz ihrer prall gefüllten Bankkont…
wirken sie sympathisch und gewinnend, auch weil ihre anhänglichen Haustiere
sie lieben und vergöttern.“
De Stefano ist sich sicher: „Die Nationalküchen der Welt unterliegen ebenso
einem Ausleseprozess wie alles andere. In drei bis vier Jahren redet keiner
mehr von der altmodischen Carbonara, in 20 Jahren ist es vielleicht mit der
ganzen italienischen Küche aus und vorbei. Tiere spüren so was.“
20 Jul 2022
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
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