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# taz.de -- Die Wahrheit: Mit Betonung auf dem A
> Die Spanien-Woche der Wahrheit: Übersichtlich scheint dem Fremden die
> Sprache, doch bei der korrekten Aussprache andalusischer Städte hapert
> es.
Das Beste an Spanien ist zweifelsohne die Erfindung der Tapas: eine Scheibe
Serrano-Schinken, ein Stückchen Manchego-Käse aus der kastilischen Heimat
Don Quixotes, eine Handvoll grob gewolfter Oliven, dazu ein paar Brotkrümel
auf Knoblauch und Meersalz drüber – fertig sei das Fiesta-Mahl!
Am zweitbesten indes, so stimmen alle überein, dürfte wohl die spanische
Sprache sein. Sie lässt sich recht angenehm weghören und ist, soweit ich
informiert bin, auch nicht schwer dahinzusprechen. Man muss sich halt beim
Lispeln ein bisschen Mühe geben und darf sich beim leidenschaftlichen
Rollen des R nicht allzu zaghaft anstellen.
Für den Einsatz dieser linguistischen Spezialeffekte, die direkt aufs Herz
zielen, gibt es, glaube ich, Spezialregeln. Ansonsten aber spricht man im
Spanischen alles so aus, wie es geschrieben wird, und unterscheidet sich
dadurch eminent von Sprechern des Englischen und Französischen, wo ein und
dieselbe Buchstabenkombination auf tausenderlei Weisen ausgesprochen werden
kann und, andersrum, derselbe Laut tausend verschiedene Schreibungen kennt.
Das macht das Spanische so anschlussfähig an die menschliche
Bequemlichkeit, dass ihm ganze Kontinente verfallen.
Besonders konsumentenfreundlich erscheinen mir die spanischen
Betonungsregeln: Die meisten Wörter werden einfach auf der vorletzten Silbe
betont; die, die mit n, s oder einem Vokal enden, dagegen auf der letzten;
und etliche kapriziöse, die es nach einer gesonderten Betonung verlangt,
oder die befürchten, missverständlich intoniert zu werden, tun dies
schriftlich kund, durch einen schlichten Aufwärtsakzent auf der zu
betonenden Silbe.
Um einen solchen Fall handelt es sich bei der andalusischen Hafenstadt
Cádiz, die ausserordentlich hübsch, sehr alt und fast vollständig von
Wasser umgeben ist. Gute Tapas kriegt man dort übrigens auch. Nachdem ich
die Stadt mit meiner damaligen Freundin eines Sommers mal besucht hatte,
gerieten wir bei irgendeinem gesellschaftlichen Ereignis in eine
schwärmerische Konversation mit einem Paar, das Cádiz gleichfalls schon
bereist hatte: Wie schön die Stadt sei! Und so alt! In einem
James-Bond-Film diene sie kurioserweise als Kulisse für alle
Havanna-Szenen.
Und die ganze Zeit sagte unsere Seite außerordentlich betont „Cá-diz“,
während die anderen in lautstarkem Gegensatz verbissen „Ca-DIZ“ sagten, so
wie es Leute eben tun, die sich gegenseitig auf einen Fehler aufmerksam
machen und durch die Blume korrigieren wollen, ohne wie schlimme
Schlaumeier oder offensive Klugscheißer zu wirken. Es ging hin und her, her
und hin. Die einen: „Also Cá-diz!“ Die anderen: „Ja, Ca-DIZ!“ – „A…
Cá-diz!“ – „Jaja, Ca-DIZ!“
Es war fast wie in den grotesken Miniaturen bei Daniil Charms, dem Russen.
Es fehlte nur, dass jemand von der Bank gerutscht wäre. Zum Glück wandten
wir uns irgendwann einem anderen Thema zu.
20 Oct 2022
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Reiseland Spanien
Fortsetzungsgeschichte
Brot
italienisches Essen
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