| # taz.de -- Werbung mit Zweifel an Fleischkonsum: Das neue Normal | |
| > Eine Fast-Food-Kette stellt Fleischkonsum als Normalzustand infrage. Eine | |
| > Marketingkampagne, klar. Aber dennoch mehr als nur Provokation. | |
| Bild: „Normal oder mit Fleisch?“, wird man bei Burger King in Österreich z… | |
| Die Frage nach dem richtigen Leben im falschen stellt aktuell ausgerechnet | |
| eine Fast-Food-Kette. Nicht direkt natürlich, schließlich dürfte eine | |
| Portion Adorno zwischen ballaststoffarmen Brötchenhälften deren | |
| Bekömmlichkeit nicht gerade steigern. Aber indirekt eben doch, nämlich mit | |
| der Frage: „Normal oder mit Fleisch?“ | |
| Burger King in Österreich hat diese Kampagne in der vergangenen Woche | |
| gestartet und verbreitet über Social Media Videoschnipsel, die zeigen, wie | |
| das Personal den Kund:innen diese Frage bei der Bestellung stellt und wie | |
| die Kund:innen darauf reagieren. Begeistert, irritiert, verärgert, | |
| verständnislos, alles dabei. | |
| Nun ist diese Frage in ganz vielen Dimension interessant. Da wäre als | |
| Erstes das Wort „normal“, das mittlerweile ja aus vielen guten Gründen | |
| genau das eben nicht mehr ist. Im Kontext der Systemgastronomie lässt sich | |
| der Begriff am ehesten noch übersetzen mit Standard. | |
| Im Sinne von: Die Standardvariante der Zubereitung oder extra Zwiebeln und | |
| Ketchup statt Senf? Aber „Standard oder mit Fleisch“ wäre als Claim | |
| eindeutig weniger Provokation gewesen. Und die Werbeagentur Jung von Matt, | |
| die dahinter steckt, weiß natürlich ganz genau, wann welche Dosis | |
| Provokation die Menschen im gewünschten Maße aufschreckt. | |
| ## Konsum von Fleisch für die meisten üblich | |
| Normal lässt sich aber auch im gesellschaftlichen Kontext lesen. Denn für | |
| Europa, aber auch für andere Weltregionen, gilt: Der [1][Konsum von | |
| Fleisch] ist das, was für die meisten Menschen üblich ist. Laut einem | |
| Report des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom | |
| vergangenen Jahr ernährten sich 10 Prozent aller Menschen in Deutschland | |
| vegetarisch, 2 Prozent vegan. Unterdessen sinkt der Pro-Kopf-Konsum von | |
| Fleisch leicht, aber stetig. Von rund 62 Kilo im Jahr 1995 bis gut 57 Kilo | |
| im Jahr 2020. | |
| Nach einer revolutionären Neuverhandlung des Normalitätsbegriffes sieht das | |
| noch nicht aus. Und man muss gar nicht lange suchen, um im Gastrobereich | |
| Örtlichkeiten zu finden, in denen, wenn überhaupt, das einzige Gericht ohne | |
| Fleisch Milchreis ist. Denn nein, Kartoffelpuffer in Schweineschmalz | |
| gebraten sind halt leider nicht mehr vegetarisch. | |
| Normal in seiner dritten Dimension stellt dann die wirklich unbequeme | |
| Frage: Ist es eigentlich normal, ein Tier zu töten – und dann einen kleinen | |
| Teil davon verarbeitet und in Plastik eingeschweißt ins Supermarktkühlregal | |
| zu stellen? Von den Haltungs- und Schlachtbedingungen mal ganz abgesehen. | |
| Aus dem intuitiven Unbehagen darüber wird sich auch ein guter Teil des | |
| Widerstands von Fleisch-Aficionados gegen jegliche Form der Einschränkung | |
| des Konsums von toten Tieren speisen. | |
| ## Pflanzenbasierte Ernährung ist die bessere | |
| Denn natürlich ist klar, dass pflanzenbasierte Ernährung die bessere ist. | |
| [2][Fürs Klima, da weniger Emissionen] entstehen. Für die Welternährung, | |
| denn je weniger Kalorien an Rinder und Co verfüttert werden, desto mehr | |
| bleiben für Menschen. Für die eigene Gesundheit, weil Fleischkonsum mit | |
| allerhand Krankheiten von Krebs über Diabetes bis Rheuma in Verbindung | |
| gebracht wird – so stufte die Weltgesundheitsorganisation WHO 2015 rotes | |
| Fleisch als wahrscheinlich und verarbeitetes Fleisch wie etwa Schinken oder | |
| Würstchen als sicher krebserregend ein. | |
| Nun sind Fast Food und Fleisch zwei unterschiedliche Probleme, die aber | |
| häufig miteinander zu tun haben und auch einiges gemeinsam. Undurchsichtige | |
| Lieferketten, häufig problematische Arbeitsbedingungen, mitunter | |
| zweifelhafte Produktqualität, eindeutig negative gesundheitliche Effekte | |
| bei regelmäßigem Konsum – das trifft sowohl auf Fast Food als auch auf | |
| Fleisch erstaunlich deckungsgleich zu. | |
| Bringt es die Welt also weiter, wenn ein Unternehmen, und sei es eine | |
| Fast-Food-Kette, Menschen tatsächlich dazu bewegt, ihren Fleischkonsum zu | |
| reduzieren? Oder ist erst dann genug gewonnen, wenn wir alle willens und in | |
| der Lage und ausgestattet mit der nötigen Zeit sind, um selbst ein | |
| Gemüsecurry zuzubereiten? Ja und ja. Adorno zwischen Brötchenhälften wird | |
| die Welt auch nicht retten, leider. Aber am Ende ist es eben doch banal: | |
| Ein Schritt in die richtige Richtung ist immer noch besser als kein | |
| Schritt. Je mehr ihn gehen, desto mehr lässt sich bewegen. | |
| 18 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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