# taz.de -- Ärztemangel in Berlin: Neue Praxis | |
> Im Osten von Berlin fehlt es oft an Ärzten. Deswegen hat die | |
> Kassenärztliche Vereinigung dort eine erste Arztpraxis in eigener | |
> Trägerschaft eröffnet. | |
Bild: Gut gepflastert. Was man in Arztpraxen halt so macht | |
BERLIN taz | Beim Thema Ärztemangel denkt man an abgelegene [1][ländliche | |
Regionen], nicht aber an Berlin. Und doch fehlen in Berlin Hausärzte: in | |
den drei Ostbezirken Lichtenberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf. | |
Wer neu dorthin zieht, wird wahrscheinlich keinen Hausarzt im Kiez finden. | |
Dabei ist Berlin insgesamt betrachtet mit Ärzten gut versorgt, leicht | |
überdurchschnittlich im Bundesvergleich. Aber Ärzte arbeiten lieber dort, | |
wo viele Privatpatienten wohnen und nicht so viele ältere | |
Kassenpatienten. Das sind die gutbürgerlichen Bezirke im Westen der Stadt, | |
die Versorgungsgrade mit Hausärzten bis zu 132 Prozent aufweisen. Aber wer | |
krank ist, will und kann auch oft keine weiten Wege gehen zum Arzt. | |
Da steuert die Kassenärztliche Vereinigung Berlin jetzt dagegen. Im Juli | |
hat sie in einem mit Ärzten unterversorgten Kiez im Bezirk Lichtenberg die | |
erste Arztpraxis [2][in eigener Trägerschaft] eröffnet. Das heißt, der dort | |
tätige Hausarzt arbeitet nicht in eigener Niederlassung, sondern als | |
Angestellter der Standesvertretung. Ihm folgt bald eine Kollegin in | |
derselben Praxis. Weitere solche Arztpraxen werden folgen. Zudem hat die | |
Kassenärztliche Vereinigung Berlin gemeinsam mit den Krankenkassen ein | |
Förderprogramm von 21 Millionen Euro aufgelegt, um die hausärztliche | |
Versorgung in den Ostbezirken zu verbessern. Wer sich dort niederlassen | |
will, wo Ärzte fehlen, kann Zuschüsse beantragen. | |
Ziel der von der Kassenärztlichen Vereinigung eingerichteten Praxen sei es, | |
„die hausärztliche Versorgung zu ergänzen und an den Standorten, wo sich | |
erkennbar keine niederlassungswilligen Hausärztinnen und Hausärzte finden, | |
Praxen aufzubauen“, sagt Vorstandsvorsitzender Burkhard Ruppert. Die | |
Vereinigung folgt damit Beispielen aus ländlichen Regionen in Brandenburg | |
und Sachsen-Anhalt, wo es auch vereinigungseigene Praxen gibt. Nun also | |
erstmals in einer Großstadt. | |
Als vor zehn Jahren in der Berliner Politik die Forderung aufkam, Ärzte | |
gleichmäßiger auf das Stadtgebiet zu verteilen, war es gerade noch die | |
Vereinigung, die sich sträubte. | |
Denn eine bessere Ärzteversorgung mit einer Umverteilung heißt auch, dass | |
gut an Privatpatienten verdienende Ärzte im Westteil der Stadt ihre Praxis | |
nicht mehr in der Regel am selben Ort verkaufen oder vererben können. | |
Innerhalb der Ständevertretung konnten sich solche Ärzte in Wilmersdorf | |
besser Gehör verschaffen als Ärzte in Hellersdorf, die ältere und chronisch | |
kranke Kassenpatienten behandeln und vor lauter Arbeit nicht mehr aus den | |
Augen gucken können. | |
Dass die Kassenärztliche Vereinigung jetzt umdenkt, ist zu begrüßen. Denn | |
warum sollen kranke Menschen in weit entfernte Arztpraxen fahren, statt | |
dass man einfach solche Praxen in unterversorgte Regionen verlegt? | |
Es gibt zudem gute Argumente für Ärzte, im Angestelltenverhältnis zu | |
arbeiten statt in eigener Niederlassung: Sie beziehen ein festes Gehalt und | |
müssen nicht das in sozial schwachen Kiezen schwierige Risiko einer | |
selbstständigen Tätigkeit tragen. Auch mit Verwaltungsarbeit müssen sie | |
sich nicht herumplagen und können sich besser auf ihre ärztliche Tätigkeit | |
konzentrieren. | |
16 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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