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# taz.de -- Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China: Jubel unter China-Flagg…
> Chinas Staatschef feiert Hongkongs „Wiedergeburt“. Die Machtverhältnisse
> haben sich geändert. Junge Aktivisten verlassen die Stadt.
Bild: Chinas Präsident Xi Jinping am 1. Julin in Hongkong
Berlin taz | Mit der Vereidigung des [1][neuen Regierungschefs John Lee]
hat die einstige britische Kronkolonie Hongkong am Freitag den 25.
Jahrestag ihrer Rückgabe an China gefeiert. Der ehemalige Sicherheitschef
der Millionenmetropole – ein treuer Gefolgsmann der kommunistischen Führung
in Peking – gelobte, die Eingliederung ins System des Festlands
voranzubringen.
Die Zeremonie in Anwesenheit des chinesischen Präsidenten Xi Jinping
konnten die Hongkonger auf Großbildschirmen an Häuserwänden live mit
verfolgen. Zuvor war Xi Jinping auf den Hongkonger Bahnhof von hunderten
jubelnden Schulkindern mit schwenkenden China-Flaggen begrüßt worden.
Seit knapp zweieinhalb Jahren hat der 69jährige Staatschef nun erstmals die
Grenzen seiner „Null Covid“-Bastion verlassen, und dementsprechend streng
sind auch die epidemiologischen Sicherheitsvorkehrungen: Trotz FFP2-Masken
hielt Xi sichtbar Abstand zu seinen Gastgebern aus Hongkong, obwohl diese
sich alle zuvor hatten isolieren müssen.
Seine erste Rede am Donnerstagmittag fiel dafür umso herzlicher aus: „Nach
Wind und Regen wurde Hongkong aus der Asche wiedergeboren“, sagte der
Parteichef wenige Minuten nach seiner Ankunft. Was in den Ohren vieler
Hongkonger zynisch klingen mag, trifft doch einen wahren Kern. In den
vergangenen Jahren hat Peking schließlich die internationale
Finanzmetropole grundlegend nach den eigenen Vorstellungen verändert.
## Leere Worthülse
Die Autonomie, die man vor 25 Jahren bei der Übergabe Hongkongs von
Großbritannien an Festlandchina per Vertrag zugesichert hatte, ist längst
nur noch eine leere Worthülse. Als Xi am Freitag nun das erste
Vierteljahrhundert nach der Machtübernahme feierte, herrschte kein Zweifel
mehr, dass Hongkong seine relativen Freiheiten längst aufgeben musste.
Um die grundlegende Transformation zu verstehen, muss man einen Blick in
die Vergangenheit werfen. Vor fünf Jahren besuchte Chinas Staatschef zum
letzten Mal die Finanzstadt, in der zu jener Zeit die Öffentlichkeit mehr
als kritisch gegenüber Peking gestimmt war.
Xi sandte damals eine unmissverständliche Botschaft aus: Während der
Flugzeugträger „Liaoning“ vorm Hafen Hongkongs schipperte, besuchte er die
die örtliche Garnison der chinesischen Volksbefreiungsarmee, ließ sich im
offenen Militärjeep durch die Straßen kutschieren und warnte die
Bevölkerung, dass jeder Versuch der „Infiltrierung oder Sabotage gegen das
Festland“ eine rote Linie überschreiten würde.
2019 schließlich brachen, ausgelöst durch ein geplantes
Auslieferungsabkommen zwischen Hongkong und China, die bislang
schwerwiegendsten Anti-Regierungsproteste aus, die jeden Samstag
hunderttausende Menschen auf die Straße trieben.
## Gewalt eskaliert
Anfänglich friedlich, eskalierte die Gewalt schon bald auf beiden Seiten:
Die meist jungen Aktivisten radikalisierten sich, die Polizei griff
ebenfalls zunehmend brachialer durch. Die Pandemie 2020 brachte den
Konflikt zwar zunächst zum Erliegen, doch es war nur eine Frage der Zeit,
bis Peking zur endgültigen Machtdemonstration ausholte.
Diese folgte in Form des hastig ausformulierten nationalen
Sicherheitsgesetzes, welches die Kommunistische Partei der einstigen
Kolonie im Sommer 2020 aufzwang. Seither haben sich die Machtverhältnisse
vollkommen geändert.
[2][Fast sämtliche kritischen Zeitungen wurden eingestellt und deren
Herausgeber verhaftet]. Demokratie-Aktivisten gingen ins Ausland oder zogen
sich ins Privatleben zurück. Das Wahlsystem wurde auf Druck Pekings
endgültig zur Farce. Die Opposition trat bereits zuvor geschlossen zurück.
Vielen Hongkongern bleibt nur noch die Option, ihren Missmut mit den Füßen
auszudrücken.
Daten von Fluganbietern belegen, dass etliche Bewohner in den vergangenen
zwei Jahren ihre Heimat verlassen haben. Laut der Menschenrechts-NGO „Hong
Kong Watch“ haben allein mehr als 120.000 Hongkonger Visa für
Großbritannien beantragt. Die politische Situation ist dabei nur ein Grund
für den Exodus.
## Regelrechte Identitätskrise
Auch wirtschaftlich steckt Hongkong in einer regelrechten Identitätskrise.
Seit der Pandemie nämlich ist die einst internationalste Stadt Asiens
aufgrund der strengen Einreisebestimmungen zunehmend isoliert, etliche
Firmen haben bereits ihre regionalen Zentralen abgezogen und etwa nach
Singapur verlegt.
Doch nicht wenige Hongkonger erhoffen sich durch die nun engere Anbindung
an Festlandchina eine langfristige Perspektive, um den während der letzten
Jahrzehnte aufgebauten Wohlstand nicht zu verlieren. Und auf dem Papier
klingen die Pläne, die Peking für Hongkong bereithält, durchaus verlockend.
Man möchte eine sogenannte „Greater Bay Area“ kreieren, die die einst
britische Kolonie mit den Metropolen Shenzhen und Guangzhou verbindet. Mit
86 Millionen Einwohnern wäre es die wohl weltweit größte Wirtschaftsregion.
Dabei gäbe es eine nahezu vollständige Wertschöpfungskette auf wenigen
Quadratmetern: Die Finanzfirmen sitzen in Hongkong, die Tech-Unternehmen in
Shenzhen, die Händler in Guangzhou und die Produktionsfabriken in den
umliegenden Vororten.
## Reisen weiterhin heikel
Doch die Pläne liegen derzeit Pandemie-bedingt auf Eis. Denn derzeit ist
nicht nur der Grenzübergang zwischen Hongkong und Festlandchina auf gerade
einmal 3.000 Personen pro Tag beschränkt, selbst Reisen innerhalb Chinas
sind nach wie vor aufgrund der ständigen Lockdowns heikel. Von Integration
ist also nach wie vor wenig zu spüren, stattdessen ist Hongkong weiterhin
isoliert.
Wie sehr die Pandemie den dortigen Alltag bestimmt, ließ sich auch bei der
Flaggen-Zeremonie am Freitag beobachten. Xi Jinping nutzte Corona als
Vorwand, kritisch Stimmen für die historischen Feierlichkeiten bereits im
Vorhinein zum Verstummen zu bringen. Sämtliche Lokalitäten wurden
flächendeckend abgeriegelt, kritischen Medien der Zugang verwehrt, Parks
für Demonstranten gesperrt und Drohnen im gesamten Stadtgebiet verboten.
Nun hat sich auch Chris Patten, der als letzter britischer Gouverneur
Hongkong bis 1997 regierte, zu Wort gemeldet. In seinen aktuell
publizierten Tagebuch-Memoiren hat der 78-Jährige lediglich melancholische
Worte für seine Wahlheimat übrig: „Xi Jinping und seine Kollegen fürchten
sich davor, was Hongkong repräsentiert“, heißt es in dem Buch: „Ich kann
nur meine tiefe Traurigkeit zum Ausdruck bringen über das, was geschieht“.
1 Jul 2022
## LINKS
[1] /Chinas-Repressionen-in-Hongkong/!5853196
[2] /Pressefreiheit-in-Hongkong/!5845239
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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