| # taz.de -- LGBTIQ-Pride in Bosnien-Herzegowina: „Unsere Tradition ist die Li… | |
| > Rund 1.000 Menschen ziehen zur LGBTIQ-Pride durch Sarajevo. Thema ist | |
| > auch der am Freitag verhinderte Status als EU-Beitrittkandidat. | |
| Bild: Die diesjährige Pride-Parade in Sarajevo hat weniger Gegendemonstrierend… | |
| Sarajevo taz | Frei, locker, lustig, so präsentierten sich rund 1.000 | |
| Menschen der LGBTIQ-Familie am Samstagnachmittag im Zentrum Sarajevos, | |
| Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina (BIH). Von der „ewigen Flamme“, die | |
| an die Opfer des antifaschistischen Kampfes im Zweiten Weltkrieg erinnert, | |
| spazierten die Demonstranten den Tito-Boulevard entlang bis hin zum | |
| Nationalmuseum. | |
| Mit einem Seitenhieb auf eine Handvoll muslimischer Gegendemonstranten, die | |
| schon am Vormittag in der Vorstadt Otoka demonstriert hatten und die Werte | |
| tradioneller Familien hochgehalten hatten, zeigten sie Plakate mit der | |
| Aufschrift „Unsere Tradition ist die Freiheit, unsere Tradition ist die | |
| Liebe.“ | |
| Noch im letzten Jahr mussten die Demonstranten mit Angriffen von | |
| Nationalisten aller Coleur rechnen. In rechten Medien wurden regelrechte | |
| Hasskampagnen inszeniert. Damals führte der US-Botschafter Eric Nelson mit | |
| seinem Mann, gemeinsam mit anderen hohen Diplomaten, aus Solidarität die | |
| Demonstration an. Auch die Zivilgesellschaft hatte aufgrund der Angriffe | |
| mobilisiert, die Menge der Mitlaufenden war weit höher. | |
| Doch dieses Jahr verzichtete vor allem die [1][muslimische Nationalpartei | |
| SDA] auf eine Konfrontation. Nur die deutsche und österreichische | |
| Botschafterin waren in der Menge auszumachen. Alles blieb friedlich. | |
| ## EU verweigert Kandidatenstatus | |
| Allerdings waren schon ab Mittag alle Straßen der Innenstadt abgesperrt. | |
| Ein grossen Polizeiaufgebot „sicherte“ die Seitenstraßen. Die junge | |
| Aktivistin Dina Bajrakterović beklagt die aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen, | |
| die Absperrungen mit Eisenzäunen, die Polizeipräsenz noch in den | |
| Nebenstraßen. „Für all das mussten wir in unserer eigenen Stadt selbst | |
| bezahlen.“ | |
| Doch sie freue sich, dass sich viele Eltern und Verwandte in die | |
| Demonstration eingereiht hatten. „Wir zeigen, dass Familien kein starres | |
| Konstrukt sind, sondern vor allem auf Liebe, Unterstützung und Verständnis | |
| gründen.“ | |
| Am Rande der Demonstration kommt es dennoch zu nachdenklichen Diskussionen: | |
| Die Entscheidung der EU vom Freitag, BIH den Kandidatenstatus vorerst zu | |
| verweigern, ist für viele, die sich seit jeher als Europäer fühlen, eine | |
| riesige Enttäuschung. Ahmed Burić, bekannter Journalist und Kolumnist, | |
| zeigt sich entsetzt, aber will mit Witz und Ironie auf die Entscheidung | |
| reagieren. | |
| Dass dem Land Moldawien der Kandidatenstatus gewährt wurde, sorgt bei ihm | |
| für Heiterkeit. Es ist ein geteiltes Land: [2][Im sich abspaltenden | |
| Transnistrien herrscht praktisch Russland], die Moldawier sind aber eng mit | |
| Rumänien verbunden. Das Land hat keine der EU-Bedingungen erfüllt, die BIH | |
| auferlegt wurden. Auch andere Umstehende lachen gequält. | |
| ## „Wir sind Geiseln der Politik der Extremisten“ | |
| „Wir sind halt was Besonderes“, sagt eine der Demonstrantinnen und erinnert | |
| an einen ehemaligen dänischen Außenminister, der vor zehn Jahren schon | |
| erklärt haben soll: Hätte Dänemark solche Bedingungen für die Aufnahme in | |
| die EU erfüllen müssen wie die Balkanstaaten, wäre es wohl draußen | |
| geblieben. Doch auch dieses Bonmot findet nur wenig Lacher. | |
| Ist das Ganze ein Manöver der EU, um die serbischen und kroatischen | |
| Nationalisten in den Städten Banja Luka und Mostar, der Putinfreund und | |
| Vorsitzenden der kroatischen Demokratischen Union in Bosnien und | |
| Herzegowina [3][Dragan Cović], sowie den Ex-Präsident der Teilrepublik | |
| Srpska [4][Milorad Dodik] unter Druck zu setzen? Diese tun alles, um die | |
| Aufnahme Bosniens in die EU zu verhindern. | |
| „Das glaube wer mag. Sicher ist, wir sind Geiseln der Politik der | |
| Extremisten,“ sagt Burić – und damit das Gleiche, wie der bosniakische | |
| Spitzenpolitiker Šefik Džaferović. Zumindest in diesem Punkt scheinen sich | |
| die politischen Lager in Sarajevo einig zu sein. | |
| 26 Jun 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Geschichtsaufarbeitung-in-Bosnien/!5852289 | |
| [2] /Kriegsgefahr-in-Transnistrien/!5857844 | |
| [3] https://twitter.com/Dragan_Covic | |
| [4] https://www.derstandard.de/story/2000134998988/bosnisch-serbischer-national… | |
| ## AUTOREN | |
| Erich Rathfelder | |
| ## TAGS | |
| GNS | |
| Pride Parade | |
| Bosnien und Herzegowina | |
| Sarajevo | |
| Bosnien-Herzegowina | |
| Schwerpunkt LGBTQIA | |
| Schwerpunkt LGBTQIA | |
| Bosnien und Herzegowina | |
| Bosnien und Herzegowina | |
| Pride Parade | |
| Pride Parade | |
| Queer | |
| IG | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Pride-Parade in Sarajevo: Zwischen Schutz und Einschüchterung | |
| In Bosnien hat die LGBTQ-Gemeinde für ihre Rechte demonstriert. Doch | |
| religiös-konservative Kreise setzten die Pride-Parade unter Druck. | |
| Wahlen in Bosnien und Herzegowina: Umstrittenes Gesetz auf Eis gelegt | |
| Das bosnische Wahlgesetz soll doch nicht nach den Forderungen kroatischer | |
| Nationalisten geändert werden – dank tagelanger Proteste. | |
| Umstrittene Gesetzesänderung in Bosnien: Protest gegen Wahlgesetz | |
| Der Hohe Repräsentant Christian Schmidt will in Bosnien und Herzegowina | |
| Forderungen kroatischer Nationalisten nachgeben. Es regt sich Widerstand. | |
| LGBTI-Fest in Madrid: Bürgermeister bremst Pride | |
| Madrids Bürgermeister legt den Pride-Veranstaltern Steine in den Weg. Ein | |
| Konzert auf dem zentralen Platz wurde kurzfristig abgesagt. | |
| Pride Month: Alles nur Einzelfälle | |
| Sich mit dem Regenbogen als Zeichen für Diversity zu schmücken, ist en | |
| vogue. Dabei wird gern verdrängt: Queers leben noch immer gefährlich. | |
| Queere Parade in Berlin-Marzahn: Gegen Vorurteile und gegen Krieg | |
| Die Veranstalter der Marzahn Pride rufen in diesem Jahr zur Solidarität mit | |
| der Ukraine auf. Sie richten sich dezidiert an die russische Community. | |
| Queeres Leben in der Ukraine: „Nach dem Krieg wird es schlimmer“ | |
| Wadim Jakowlew ist queer und Autor*in. Ein Gespräch, wie Queers den Krieg | |
| in der Ukraine erleben und wie eine Zukunft aussehen könnte. |